tagesschau 22.07.2021, 17:00 Uhr - Letzte Sommerpressekonferenz von Kanzlerin Merkel
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (22.07.2021)
Heute im Studio: Claus-Erich Boetzkes
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Der Kampf gegen die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe, Klimaschutz
und die Pipeline Nord Stream 2:
Es gab kaum ein aktuelles Thema, das Kanzlerin Merkel
auf ihrer wohl letzten Sommer- Pressekonferenz nicht ansprach.
Sie ließ auch alle Krisen ihrer 16 Jahre Amtszeit Revue passieren
und schloss mit einem "Dankeschön, es war mir eine Freude".
Kanzlerin Merkel auf dem Weg
zu ihrer wahrscheinlich letzten Sommerpressekonferenz.
Eines der Themen: die Corona-Pandemie und die Impfbereitschaft.
Impfen schütze nicht nur vor einer Ansteckung oder schweren Verläufen.
Vielmehr verändert eine stetig steigende Impfquote auch die Chance,
höhere Inzidenzen als in den ersten drei Wellen zu bewältigen.
Ohne dass in der sich abzeichnenden vierten Welle der Pandemie
das Gesundheitssystem überlastet wird.
Nicht nur wegen der verheerenden Flutkatastrophe
drehen sich viele Fragen um den Klimaschutz.
Merkel weist den Vorwurf zurück, sich nicht genügend angestrengt zu haben.
Es müsse aber mehr passieren.
Fridays for Future sei da eine positive Antriebskraft.
Jetzt würde wahrscheinlich Luisa Neubauer sagen:
Da muss ich mich mehr anstrengen.
Dann würde ich sagen, dass ich mich anstrenge
und versuche auch zu überzeugen.
Aber wir brauchen dafür auch parlamentarische Mehrheiten.
Mit Blick auf die Spaltung der Gesellschaft
hat sie, ganz Naturwissenschaftlerin, einen klaren Rat.
Fakten sind Fakten, die müssen beachtet werden
und die kann ich nicht gegen Gefühle aufwiegen.
Weil mir etwas nicht passt, halte ich etwas,
was objektiv richtig ist, nicht für richtig.
Auf die Frage, ob es Unterschiede gibt,
wie Frauen und Männer Politik machen, sagt sie:
Tendenziell glaube ich,
gibt es bei Frauen eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz.
Aber ... da gibt es auch Ausnahmen.
Nach 90 Minuten verabschiedet sich Merkel.
Bis zum Ende ihrer Amtszeit sei noch viel zu tun.
Die Trümmer in den Gebieten der Flutkatastrophe
werden nach und nach beiseite geräumt.
Das genaue Ausmaß der Schäden ist aber weiter unklar.
Mehr als 170 Menschen sind ums Leben gekommen
und viele werden noch vermisst.
Zahlreiche Tote konnten noch nicht identifiziert werden.
Viele Überlebende sind traumatisiert.
Sie dürfen zurück in ihre Häuser,
um sich einen Überblick über die Schäden zu verschaffen.
Und Habseligkeiten und Dokumente zu sichern.
In Erftstadt-Blessem bleiben aber Strom, Wasser und die Gasversorgung
weiterhin abgestellt.
Wir werden reingehen, anpacken, das Ganze aufräumen.
Es ist verheerend.
200 Mio. Euro Soforthilfe stellt das Land NRW bereit
und sagt eine schnelle Auszahlung zu.
Pro Haushalt gibt es eine Starthilfe von 1500 Euro,
für geschädigte Betriebe 5000 Euro.
Wir machen keine Bedürftigkeitsprüfung,
keine Vermögungsprüfung, keine Detailprüfung.
Jeder, der betroffen ist, kann das Geld schnell erhalten.
Wir vertrauen den Bürgern, dass es keinen Missbrauch gibt.
Derweil im Norden von Rheinland-Pfalz:
Noch immer wird nach Vermissten gesucht.
128 Menschen wurden bisher tot geborgen.
Die Behörden vermuten, dass diese Zahl noch steigt.
155 Menschen gelten als vermisst, mehr als 700 sind verletzt.
Mit schwerem Gerät wird aufgeräumt,
die Schäden an der Infrastruktur begutachtet.
So wie diese Kläranlage in Sinzig.
Sie wurde durch die Flut schwer beschädigt.
Sorgen macht den Behörden, dass für das Wochenende
erneut Gewitter und Starkregen angekündigt sind.
Dies könnte die Situation in den Gebieten verschlechtern.
Mit einem Benefiztag zur Unwetter-Katastrophe
will die ARD morgen ein Zeichen des Zusammenhalts setzen
und zu weiteren Spenden aufrufen.
Hörfunk- und Fernsehprogramm
rücken das Gedenken an die Opfer in den Mittelpunkt.
Um 20.15 Uhr gibt es im Ersten eine Live-Sendung
mit vielen bekannten Künstlerinnen und Künstlern.
Nach langem Streit mit Deutschland haben die USA ihren Widerstand
gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 aufgegeben.
Grundlage dafür ist eine Vereinbarung mit Berlin.
Sie sieht die Unterstützung für die Ukraine vor,
falls Russland "Energie als Waffe" einsetze.
Trotz alledem:
Die politische Ablehnung der Erdgas-Pipeline
bleibt national und international groß.
Durch das 1200 Kilometer lange Leitungssystem soll künftig Erdgas
von der russischen Ostseeküste bis nach Lubmin transportiert werden.
Ende August soll die Pipeline fertig sein.
Noch in der Nacht kommentiert der US-Präsident die Entscheidung.
Eigentlich wollten wir die Pipeline stoppen.
Sie ist aber so gut wie fertig.
Dann hatte ich sehr erfolgreiche Gespräche mit Angela Merkel.
Sie und die deutsche Regierung
arbeiten weiter an ihren Verpflichtungen.
Und das steht in der deutsch-amerikanischen Vereinbarung:
Deutschland oder Europa ergreifen Maßnahmen
bei aggressiven Handlungen Russlands.
Es gibt 1 Mrd. US-Dollar für erneuerbare Energien in der Ukraine.
Davon zunächst 175 Mio. aus Deutschland.
Und: Es wird eine Verlängerung des Ukraine-Russland-Gasvertrags
bis möglichst 2034 angestrebt.
Die Kanzlerin betont heute,
dass man mit der Einigung v.a. die Interessen der Ukraine sichere.
Es ist der Versuch, deutlich zu machen:
Dass es uns sehr wichtig ist, dass die Ukraine Transitland bleibt.
Dass Energie nicht dazu genutzt wird,
dass die Ukraine in eine schwierigere Situation kommt.
Die Ukraine beurteilt den Weiterbau von Nord Stream 2
und die Übereinkunft äußerst kritisch.
Unser grundsätzliches Problem hängt damit zusammen:
Dass wir nicht wissen, ob Russland bereit ist,
seine Verpflichtungen zu erfüllen.
Sowohl bei der Energieversorgung als auch bei der Sicherheit der Ukraine.
Moskau dagegen lobt die Einigung.
Nord Stream 2
sei immer ein ausschließlich wirtschaftliches Projekt gewesen.
Was in diesem Büroturm beschlossen wird,
hat Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft.
Die Europäische Zentralbank beriet dort über ihren weiteren Kurs.
Zuletzt hatte sie erklärt,
auch eine Inflation von über 2 % zeitweise zu akzeptieren.
Bei den Zinsen und Anleihekäufen soll aber alles beim Alten bleiben.
Der Leitzins bleibt bei 0 %.
Damit soll die Konjunktur mit billigen Krediten gestützt werden.
Sparer haben hingegen das Nachsehen.
Autoproduzent Daimler kündigte heute auf seinem Investorentag an,
man werde ab 2025 nur noch E-Fahrzeuge entwickeln.
Benziner und Diesel will man auslaufen lassen.
Stefan Wolff, wie kommt das an der Börse an?
Das kommt gut an.
Daimler gehören zu den Gewinneraktien.
Die Pläne waren 'ne Überraschung.
Daimler war vorher stets zurückhaltend gewesen,
was die Elektrifizierung anbelangt.
Die Konkurrenz war schneller.
Jetzt macht man einen Schritt nach vorne.
Sicherlich ein Zugeständnis an die wichtigsten Auslandsmärkte.
Einige Länder haben ihre Klima-Ziele verstärkt
und die Ziele, den Verbrennermotor zu bannen, vorgezogen.
Da folgt Daimler dem Druck der Politik.
Der DAX legt leicht zu.
Das auch einige Reaktion auf die EZB-Entscheidung heute.
Die Insel Utöya dürfte den meisten außerhalb Norwegens
lange kein Begriff gewesen sein.
Das änderte sich vor zehn Jahren:
Damals überfiel dort ein Rechts-Terrorist ein Sommercamp
der sozialdemokratischen Jugendorganisation.
Er erschoss 69 Menschen.
Vorher hatte er im Osloer Regierungsviertel
acht Menschen mit einer Bombe getötet.
Heute gedenkt Norwegen der Anschlagsopfer.
Sie sind zurückgekommen.
Gemeinsam mit Kronprinz Haakon legen Überlebende
und Regierungsvertreter auf der Fjordinsel Utöya Blumen nieder.
Bereits am Morgen gedenken sie in Oslo der Toten.
Auch zehn Jahre danach bleibt der Schmerz.
Es geht darum, Hass und Hetze vorzubeugen.
Diejenigen zu finden,
die sich radikalisiert haben und sie aufzuhalten.
Am 22. Juli 2011 zündete der rechtsextremistische Attentäter
Anders Breivik eine Bombe im Osloer Regierungsviertel.
Anschließend fuhr er als Polizist getarnt weiter zur Insel Utöya.
Hier tötete er gezielt die Teilnehmer eines Jugendcamps
der sozialdemokratischen Arbeiterpartei.
77 Menschen starben.
Die Fehler der Polizei damals
könnten sich heute so nicht wiederholen, heißt es.
Doch vielen Überlebenden fehlt immer noch die breite Debatte
über die Wurzeln von Terrorismus und Rechtsextremismus.
Wir haben die nötige Diskussion nie wirklich geführt.
Wir haben die wichtige Aufarbeitung nie wirklich vollzogen.
Wir haben nicht über die Werte in unserer Gesellschaft gesprochen
und darüber, wie wir Rechtsextremismus stoppen wollen.
Heute trauern sie.
In wenigen Tagen wird hier wieder ein Jugendcamp stattfinden.
Ein wichtiges Zeichen, finden die Organisatoren,
dass sie die Insel nicht an den Terror verloren haben.
Gedenken an die Opfer des Anschlags in München vor fünf Jahren.
Bayerns Ministerpräsident Söder
rief zum Kampf gegen Hasskriminalität und Hetze auf.
Der Rechtsextremismus wachse in der Gesellschaft wie ein Tumor,
sagte der CSU-Vorsitzende vor dem Olympia-Einkaufszentrum.
Dort hatte ein 18-Jähriger am 22. Juli 2016 aus Hass
acht ausländisch aussehende Jugendliche und eine Frau erschossen.
Danach tötete er sich selbst.
Söder betonte, die Gewalttat sei politisch motiviert gewesen.
Morgen starten sie offiziell mit der Eröffnungsfeier:
Die Olympischen Spiele in Tokio.
Endlich – sagen die einen.
Doch die Feier ist auch von Skandalen und Sorgen überschattet.
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in der japanischen Hauptstadt
ist gerade auf den höchsten Wert seit Januar gestiegen.
Und die Eröffnung morgen wie auch die Wettbewerbe
finden vor überwiegend leeren Rängen statt.
Generalprobe in Tokio: Wenigstens kurz sollen diese Szenen morgen Abend
die Skandale und Sorgen der letzten Monate überstrahlen.
950 Ehrengäste aus aller Welt werden im Olympiastadion sein
und die Eröffnungszeremonie verfolgen.
Die steht erneut in den Schlagzeilen.
Ihr Kreativdirektor Kobayashi ist gefeuert,
wegen eines Holocaust-Sketches, als Komiker vor über 20 Jahren.
Das Organisationskomitee: zerknirscht.
Es entschuldigt sich heute beim japanischen Volk.
Die Menschen in Tokio, gebeutelt vom vierten Notstand
und täglich steigenden Corona-Zahlen.
Sie sind zwiegespalten.
Zwei Drittel der Japaner glauben nicht daran,
dass die Organisatoren sichere Spiele garantieren können.
Wegen Olympia kommen mehr Ausländer nach Japan,
meine Sorge wegen Corona steigt.
Ich hoffe, dass die Spiele schnell vorbei sind und so auch die Gefahr.
Es sind Spiele in einer erdrückenden Situation.
Ich hoffe, dass Olympia die Stimmung aufhellt,
ein bisschen Trost spendet.
Zuspruch holt sich IOC-Präsident Thomas Bach heute beim Kaiser.
Ich wünsche mir, dass durch die Leistung der Sportler
die Spiele ein Signal der Hoffnung für eine neue Zukunft sind.
Eine Zukunft, die nicht geprägt ist von ausgedünnten Rängen, wie morgen.
Da zieht die olympische Flamme ins Olympiastadion in Tokio ein.
Auch wenn die Spiele erst morgen eröffnet werden,
die ersten Wettbewerbe finden bereits statt.
So das Auftaktspiel des olympischen Fußballturniers.
Da musste Deutschland gegen Brasilien heute eine Pleite einstecken.
Eine 2:4-Niederlage gegen den Turnierfavoriten.
Den Auftakt hat sich Stefan Kuntz sicher anders vorgestellt.
Die erste Halbzeit wird ihm zu denken geben.
Brasilien überlegen.
Nach sieben Minuten die Führung.
Richarlison, Top-Stürmer des FC Everton.
Deutschland bekommt keinen Zugriff, erneut Richarlison,
Mitte der ersten Hälfte.
Der Brasilianer macht den Hattrick komplett.
3:0, eine halbe Stunde vorbei.
Danach wird es aus deutscher Sicht besser,
defensiv wie offensiv.
Amiri, nicht unhaltbar.
Nach dem Platzverweis gegen Arnold erkämpfen sich die Deutschen
den Anschlusstreffer durch Ache.
In der Nachspielzeit entscheiden die Brasilianer endgültig.
Leverkusens Paulinho mit 4:2.
Im nächsten Spiel gegen Saudi Arabien muss Deutschland punkten,
um nicht in der Vorrunde zu scheitern.
Hier noch die Wetteraussichten:
Morgen im Süden sonnig, in der Mitte eine Mischung aus Sonne und Wolken,
im Norden zum Teil stark bewölkt und örtlich Regen.
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Einen schönen Abend noch.
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