GERMANIA | Der Asiate
Man kann das nicht sagen, 'ne - Deutsch, Vietnam,
es ist schwer in Worte zu fassen.
Ich bin auf jeden Fall so'n Arbeitstier und immer unterwegs.
Mein Vater ist auch so, den hat man früher "Bahnhof" genannt.
Viele Hände, schnelles Ende - so, weißt du, das ist in mir drin.
*Titelmelodie*
Ja, mein Name ist "Der Asiate", ich bin 28 Jahre
und bin in Sohland an der Spree aufgewachsen.
Das ist so ein kleines Dorf an der tschechischen Grenze, bei Bautzen.
Bautzener Senf kennt man vielleicht.
Hier kennt jeder jeden, viele Bauernhöfe gibt es hier.
Hier kommst du her und in 10 Jahren ist immer noch der Baum so,
manchmal ist jemand gestorben, aber der Kern bleibt gleich.
Und das ist das schöne.
Meine Mutter ist Deutsche und mein Vater ist Vietnamese.
Und er kam als Leiharbeiter 1982 hierher
ins Ausländerheim in Bischofswerda.
Als Ausländerkind, sag ich jetzt mal, und als Ausländer gab es nur
meinen Vater und mich.
Und den aus dem Dönerladen gab es noch, vielleicht einen oder 2 Türken.
Aber sonst gab's hier niemanden.
Man hat im Kindergarten schon gemerkt, dass man halt anders war.
Bei einem Kollegen haben die Eltern halt auch gesagt:
"Spiel mal lieber nicht mit dem, das ist 'n Fidschi-Junge".
Später, mit 16, war ich dann ziemlich cool mit dem
und war mal bei dem Zuhause und der hat mir der Vater
das dann mal gesagt: "Ja, ich muss gestehen,
ich muss mich entschuldigen, wir haben früher nicht gewollt,
dass du mit unserem Jungen spielst, weil du ein Ausländerkind warst."
Früher, wo ich noch ein Kind war, haben mich die Älteren
immer "Reis" genannt und "Asien" hat sich dann irgendwann raus entwickelt.
Diese ganzen Dorf-Faschos gab es hier tatsächlich.
Ich hab dann halt so'n Schutzschild aufgebaut
und hab mich selbst über mich lustig gemacht.
Deswegen auch: "Der Asiate".
Aber mittlerweile ist es halt so, dass auch viele "Nazis" von früher
auch meine Musik hören.
Die teilen das, die schreiben mir:
"Ey, das finde ich gut, was du machst.
Und das ist schon so ein bisschen Ironie des Schicksals,
wo ich jetzt sage, jetzt lache ich drüber.
Aber damals war es halt einfach so.
Es gibt so Fidschi-Stände hinter der Grenze
und meine Eltern sind auch Markthändler, gewesen, früher.
Bei meiner Mutter bin ich dann immer mitgefahren.
Meine Mutter ist halt blond und dann kam halt immer das Ordnungsamt
und hat geprüft und meiner Mutter zwei- bis dreimal unterstellt,
dass sie hier Schwarzarbeiter hat.
Meine Mutter so: "Ey, das ist mein Junge."
"Nein, das glauben wir nicht", usw. Sie haben dann aber gemerkt: Okay,
der Typ spricht gut Deutsch, das muss wirklich einer von hier sein
und vielleicht stimmt's ja.
Beruflich gesehen, wusste ich auch am Anfang nach der 10. Klasse
nicht so richtig, was ich werden will.
Fachangestellter für Bäderbetriebe hab ich dann gelernt.
Bademeister-Lifestyle war halt so: Ich hab morgens
das Bad aufgeschlossen und habe die Rinnen gereinigt.
Meine Jungs kamen vorbei, ich saß halt da, mit Trillerpfeife,
teilweise auch ohne, und hab dann immer diesen typischen...,
wenn es sich auf der Rutsche gestaut hat,
... "Ey, komm mal her, hier, Baderegeln und so".
Die kennen mich auch teilweise noch, die ganzen Omis, die sind super.
Ich hab immer Wassergymnastik gemacht,
es hat immer Spaß gemacht, ja.
Ab und zu gab es auch Ausschreitungen,
halt eben mit irgendwelchen Faschos, die irgendwelche Badegäste ärgerten.
Normalerweise hätte ich ihnen sofort eine Backpfeife gegeben
und sie rausgehauen.
Aber dann musst du natürlich Deutsch sein und sagen:
"Bitte gehen Sie jetzt, sonst rufe ich die Polizei".
Das war halt schon 'n bisschen spießig. Aber ist halt leider so.
Ja, ich sag mal so, immer wenn ich hierher komme,
steckt hier viel Kindheit in den ganzen Orten.
Und es ist schon schön.
Und ich glaube, es ist auch ein netter Ausgleich zu diesem Hiphop.
Und die Leute interessieren sich halt hier wirklich für dich.
Es ist nicht wie in der Stadt: Ach, der ist halt gestorben, ja wayne.
Das ist halt das, wo ich sage:
Ey, irgendwann vielleicht, ziehe ich mal wieder hierher.
*Titelmusik*
Untertitel: ARD-Text im Auftrag von Funk (2017)