Warum Aurel Mertz Comedy macht und Kritik am Staat wichtig ist | GERMANIA
Ich habe noch nie so einen richtigen Bezug zu irgendwelchen nationalen Identitäten
gehabt und fand es auch immer ganz seltsam, wenn Leute so krass stolz sind
auf das, wo sie herkommen, weil am Ende ist es ja auch eine Glückssache. Also
ich meine, wir haben Glück, dass wir in so einem reichen Land wie Deutschland geboren
sind. Andere haben dieses Glück nicht und versuchen trotzdem das Beste daraus zu machen.
Ich bin Aurel Mertz, ich bin Comedian, Moderator, Schauspieler. Ich bin
in Stuttgart geboren und lebe in Berlin. Im Gegensatz zu Stuttgart ist Berlin viel
offener, viel größer. Man hat eine viel größere Anonymität. Die Leute
interessieren sich- Es klingt irgendwie hart, dass die Leute sich für dich weniger
interessieren, aber es ist total angenehm.
Mein Opa kam aus Ghana und es waren die ersten Medizinstudenten, die aus Ghana kamen, um dann in
Deutschland Medizin zu studieren und meine Oma hatte in der Zeitung so einen Artikel gelesen
"Medizinstudenten suchen WG oder irgendwo, wo sie untergebracht werden können"
und dann haben sie sich gesagt "Ja klar, das ist ja aufregend." und so weiter.
Es ist ja auch nicht lange nach dem Krieg gewesen. Es gab ja quasi gar keine
afrikanischen Menschen in Deutschland und haben sich dann da gemeldet und dann hat
meine Oma meinen Opa kennengelernt, haben sich verliebt und dann kamen mein Onkel
und mein Vater quasi aus dieser Liebe auf die Welt. Meine Oma hatte dann die zwei
aber quasi alleinerziehend großgezogen, weil er dann gekommen und gegangen ist.
Ich habe glaube ich noch ein paar Onkels und Tanten überall.
Es ist ja schön und gut, einfach nur Leute zum Lachen zu bringen und so weiter. Aber ich habe
irgendwie das Gefühl, wenn du Reichweite hast und damit nichts bewegen willst
oder nicht irgendwie Diskussionen auslösen will, ist es ja auch ziemlich langweilig
und am Anfang habe ich schon, da habe ich meine Comedy so mehr gegen mich gerichtet.
Das heißt, die Witze gingen viel über mich um einfach, ja, ich finde es einfach
wie gesagt Dinge zu verarbeiten und sich irgendwie unangreifbar zu machen.
Hallo! Ganz herzliches GuMo! Ich bin immer noch total geflasht von diesem Studio hier.
In Berlin ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis jemand eine Vintage-Couch
hinstellt und eine Wein Kiste als Regal rantackert. Und dann habe ich aber
irgendwann festgestellt, das ist auch mal auserzählt und das es für mich
auch eine viel, viel größere Motivation ist, Inhalte zu machen, die irgendwie
gesellschaftlich relevant sind. Und deshalb bin ich dann mehr zu politischer
Satire quasi übergelaufen. Wir hatten im Rahmen meiner funk-Show, meiner funk
Comedy-Satire-Show einen Clip gemacht, der Polizeigewalt und Racial Profiling
von der Polizei thematisiert hatte. Im Zuge dessen, dass Horst Seehofer
die Racial Profiling Studie der Polizei abgesagt hat. Und da hatten wir eben einen
Sketch gedreht, der dazu geführt hat, dass ich erschossen werde. Und die Polizei
das dann natürlich wahnsinnig bereut, als sie feststellt, dass ich Deutscher bin,
weil ich eben undefinierbar bin. Ist er schwarz? Ist er weiß? Was ist er denn?
Und das ist dann in einigen Kreisen der CDU/CSU ein bisschen sauer aufgestoßen
und da hat sich dann so eine Boulevardzeitung draufgesetzt, so
eine ganz kleine und die haben das dann riesengroß gemacht. Und dann haben
verschiedene Innenminister, Herbert Reul, Strobl hier in Baden-Württemberg und so
weiter, die haben mich dann "staatszersetzend" genannt
und das "gebührenfinanzierten Hass" gegen die Polizei genannt. Wobei ich natürlich
sage, es ist offensichtlich als Satire zu erkennen. Und die Aufgabe des öffentlich
rechtlichen Rundfunks muss es ja wohl sein, so ein staatliches Organ
wie die Polizei unabhängig vom Staat kritisieren zu dürfen. Also Satire über
die Polizei zu machen, muss ja wohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk machen.
Deshalb ist er unabhängig. Und deshalb glaube ich, hat er da seine seine Aufgabe
sehr gut erfüllt, weil er eben diesen Missstand beleuchtet hat und mittlerweile-
Das war ja ein Riesentheater. Ich glaube Sachsen-Anhalt hat dann die Erhöhung des
Rundfunkbeitrags blockiert auf Basis dieses Videos teilweise, aber
auch traurig, dass dann die Debatte, die daraus entstanden ist, eigentlich nicht
die Debatte ist, die wir wollten und dass darüber gesprochen wird, ob man
diese Studie mal machen sollte.
Es gibt natürlich Leute, die ich bewundere, deren Arbeit ich großartig finde und so weiter. Es gibt, glaube ich, zu jeder
Phase im Leben irgendwelche Identifikationsfiguren. Meine erste
Identifikationsfigur war Will Smith. Ich habe mit 13 angefangen, so zu reden
wie er. Meine Mutter, war komplett irritiert davon, dass ich die ganze Zeit
so "Yo, Yo!", wie die deutsche Synchro geredet habe.
Ja, aber sonst Vorbilder, keine Ahnung, dann irgendwelche Leichtathleten als ich Leichtathletik
gemacht habe: Archie Bolden, Maurice Greene, das war irgendwie cool. Es ist
alles exakt das gleiche Zeug.
Spikes.
Das sind die, die wir damals gekauft haben.
Stehen da noch unsere Namen drauf? Das ist ja krass, alter!
Das ist meine. Schwöre, das ist meine. Das ist nicht mal ein Witz, das ist fucking meine. Oh mein Gott! Was!?
Dümmste Idee, die ich je hatte, war Stabhochspringen. Ja, weil das fucking
gefährlich ist, da rennst du so auf dieses Ding zu, dann biegst du ja den Speer
und sollst dich selbst irgendwie 6 Meter in die Luft schießen. Dann bin ich aber
Gott sei Dank bei so einem komischen Salto auf den Kopf gefallen und dann konnte
ich damit aufhören, weil sonst wäre ich gestorben. Ich bin ein paar Mal
auf den Kopf gefallen und dann wurde ich Comedian. Schön war's! Wiedersehen!
Es gibt natürlich tolle Comediennes und Comedians, aber ich glaube, es ist jetzt
an der Zeit, seinen eigenen Scheiß zu machen.
Als Kind habe ich viel ferngesehen und ich habe gesehen, da war zum Beispiel Harald Schmidt und der hat einfach
nur Witze gemacht und es wirkte als hätte er ziemlich viel Spaß in seinem Job.
Das fand ich ziemlich inspirierend. Und dachte mir, vielleicht soll ich auch beim
Fernsehen arbeiten, bin nach Berlin gezogen und bin da in so einem Ding
gelandet, das hieß "Frank Elstner Masterclass". Das ist diese alte TV
Koryphäe, der "Wetten, dass ...?" erfunden hat und er hat auch mich erfunden quasi.
Ich glaube, ich habe es in dieser Klasse zum ersten Mal auch so erkannt, wie cool
man Sachen verarbeiten kann durch Humor. Wie befreiend es ist, wenn man sich quasi
einfach über sich selber lustig macht und quasi seinen Panzer ablegt, den man
vielleicht auch in 20 Jahren Stuttgart aufgebaut hat, wo man irgendwie das Gefühl
hat, man müsste sich immer vor allem schützen und fand es total befreiend,
dass ich da einfach durch Comdey ich selber sein konnte und jeden Witz,
den ich über mich mache, kann niemand anderes mehr über mich machen.
Und das es ja quasi die beste Verteidigung überhaupt ist.
Es ist so, dass du natürlich, wenn du jetzt nicht aussiehst, wie der ganz klassische Deutsche in vielen
Teilen von Deutschland immer komisch angeguckt wirst, dass du dich auch nicht
willkommen fühlst. Das ist auch eine Sache, die auch tatsächlich hier
in Stuttgart irgendwie schon auch prägt. Als Kind versteht man ja gar nicht,
was ist eigentlich das Problem, weil man das Konzept Rassismus noch überhaupt nicht
verstanden hat. Über Jahre fängt es an zu arbeiten: Warum gucken die mich dumm an.
Warum muss ich mir diesen Spruch anhören? Warum sagen die dieses Wort? Und das ist
belastend! Wenn ich mich in einem Stand-Up darüber lustig mache, ist es natürlich
schon auch ein bisschen so eine Bewältigung des Ganzen. Das passiert hier
ja auch so ein bisschen so lapidar. Also gerade in meiner Generation, wo hier
vielleicht auch noch nicht so eine große Migration und so weiter war, wurde darüber
auch noch nie gesprochen. Also du hast dir zwar Rassismus anhören müssen, mein Vater,
meine Familie und so weiter, aber es wurde ja nie wirklich thematisiert, weil es war
sowieso quasi eine neue Erscheinung, dass du Leute hast, die nicht von hier kommen.
Ja, ich meine, es sind und waren wir halt und das hat man schon schon viel zu spüren bekommen.
Es ist auch so witzig, wenn ich an Stuttgart denke: so viele meiner besten
Freunde aus Stuttgart sind alle schwarz. Es ist lustig, weil man sich irgendwie
dann doch irgendwie gefunden hat. Jetzt gar nicht, weil man gesucht hat. Aber
weil man einfach Identifikationsfiguren gesucht und gefunden hat, die ja irgendwie Ähnliches erleben.
Dadurch, dass ich ja auch schon ziemlich ernst kritisiere
und so weiter, habe ich jetzt nicht diesen Clown-Status, den vielleicht Comedians
vorher hatten, die so "Haha, Männer und Frauen was geht ab" und so- Das habe
ich ja nicht und deshalb fühle ich mich schon schön respektiert
in dem was ich mache und da steckt ja auch eigentlich immer so eine relativ ernste
Wahrheit dahinter. Und ich habe auch nie das Gefühl, dass ich jetzt in einen Raum
gehen muss und der große Clown noch sein muss.
Ich habe das Gefühl, ich habe mir irgendwie eine harte Schale angeeignet und man darf auch immer nicht vergessen,
meistens kriegt man auch sehr, sehr viel Liebe ab und die Leute tendieren dazu,
sich immer auf das Negative zu konzentrieren. Weißt du, du kriegst 100
Kommentare und davon ist eins böse und 99 sind nett und die Leute versteifen sich
dann auf das Negative. Und das mache ich nicht. Ich habe das gut getestet,
als da dieser kleine Skandal mit diesem staatszersetzenden funk-Video kam,
wo ich gemerkt habe, weil ich das Gefühl hatte, ich bin in dem Moment im Recht,
hat mich das ehrlich gesagt auch gar nicht so geschüttelt, sondern- Nee!
Sondern die Leute, von denen es wichtig ist, was sie denken, fanden es ja cool.
Denen hat es ja gefallen und auch verstanden, was ich damit machen wollte.
Manchmal kriegt man Kritiken und so weiter aus, dann wenn sie aus der eigenen Bubble
kommen, dann muss man darüber schon nachdenken und auch darüber reflektieren.
Man ist ja auch nicht perfekt. Aber jetzt, bei so blanken Hass bin ich ehrlich
gesagt- Es macht irgendwie nicht mehr viel mit mir und deshalb kann ich dann
auch mit diesem Hass ganz gut schlafen.
Es gibt Dinge, die wir besprechen sollten gesellschaftlich und die lassen sich manchmal durch Comedy viel einfacher
vermitteln und deshalb finde ich, sollten wir diese Waffe auch nutzen. Es gibt
natürlich die Möglichkeit, dadurch Menschen anzusprechen, die sich sonst nie
für gewisse Themen interessiert hätten und die fangen dann an zu denken. Und es ist
manchmal einfacher als jetzt hier mit der Keule zu kommen und zu sagen: "Hey, so ist
es und das müssen wir ändern" und so weiter. Deshalb versuche ich das immer
wieder in diesem Mantel von Comedy und Satire, weil wir, glaube ich, auch so
eine gesündere Gesprächskultur kriegen, wenn wir erst mal drüber lachen und dann
gucken, was wir verändern können. Es geht ja darum, Debatten auszulösen, die dafür
sorgen, dass Obrigkeitsstrukturen und so weiter, dass sie durchdacht werden,
dass man überlegt: Ist es wirklich richtig? Ist unser System richtig?
Und wenn wir diese Debatten führen, weil ich die antoße, dann bin ich nicht stolz.
Aber irgendwie habe ich das Gefühl, da habe ich meinen Job gemacht.
Hey, na! Das war ein sehr geiles, sehr sehr geiles Video. Wenn ihr davon mehr sehen wollt,
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Auf Wiedersehen, ge. Tschüssle.