Bewaffnete Proteste: Black Lives Matter, Biden- & Trump-Militias in den USA (1)
Das ist Michelle.
Michelle liebt Waffen, sie ist in einer Miliz. Und sie hat einen Feind:
Wenn ‘Black Lives Matter' hier stehen darf, darf ich das auch.
Michelle ist rechts. Manche halten sie für rechtsextrem.
Weiße Rassistin, weibliche Trump-Supporterin.
Ihr Gegner ist die Black-Lives-Matter-Bewegung. Auch deren Vertreter sind hier ziemlich radikal.
Der Tod ist ein ehrenhafter Weg, sich zu verabschieden. Wenn wir sterben, dann für unsere Rechte.
Antworten, die mir Angst machen. Ich bin in den USA unterwegs, in Michigan, im Nordosten.
Die Wahl ist vorbei.
Das Land ist zerrissen.
Und jetzt?
Wir wollen herausfinden.. Ach scheiße.. Michelle?
Wir wollen herausfinden, ob hier irgendetwas besser wird – besser werden kann.
Ich rede mit extremen Menschen auf beiden Seiten.
Detroit, die größte Stadt im Staat Michigan.
Detroit ist bekannt für die Autoindustrie, die hier früher mal groß war, und für Eminem.
Es ist Anfang November, die Wahl ist ein paar Tage her. Im Zentrum demonstrieren einige hundert Donald Trump-Anhänger.
Dass Biden die Wahl gewonnen hat, will auf dieser Demonstration niemand glauben.
Wahlbetrug, Wahlbetrug.
Seid ein Teil der republikanischen Partei, um etwas zu verändern. Bildet unsere Armee!
Wir müssen unsere patriotische Armee bilden, Staaten-weit, landesweit.
Nur so können wir etwas verändern.
Am Rande der Demo gibt es Stress um einen Trump-Truck. Der Fahrer ist von Polizisten festgenommen worden.
Weil irgendetwas mit seinem Blinker nicht stimmt.
Der Truck soll abgeschleppt werden.
Doch eine junge Frau stellt sich vor den Abschleppwagen, mitten auf die Straße.
Michelle. Sie ist 29 Jahre alt.
Sie ist seit mehreren Tagen hier am demonstrieren, und fühlt sich von der Polizei schikaniert.
Viele von uns sind ziemlich angepisst. Man nimmt doch niemanden wegen eines falschen Blinkers fest.
Dann sagen sie, es gibt Bombendrohungen für die Gegend hier.
Und gleichzeitig nehmen sie jemanden wegen eines Blinkers fest?
Wenn ‘Black Lives Matter' hier stehen darf, dann darf ich das auch.
Michelle ist in einer Bürgermiliz, einer Militia.
Diese bewaffneten, meistens rechts orientierten Gruppen sind in Michigan seit Jahrzehnten sehr aktiv.
Ihr Kumpel Phil ist ebenfalls in einer Miliz. Er holt sie vom Laster weg.
In den letzten Wochen gab es Gerüchte, dass die Militia-Gruppen im Umfeld der Wahl gewalttätig werden könnten.
Heute treten sie mehr wie ein inoffizieller Sicherheitsdienst auf.
Ich wollte nicht, dass sie für so eine Dummheit festgenommen wird.
Das hier ist nicht das Schlachtfeld.
Das hier ist nur… Wir müssen unsere Stimme erheben, wir müssen gehört werden, laut sein.
Aber wir sollten nicht wegen so einer Dummheit festgenommen werden.
Dann läuft Michelle mit einer großen Waffe Richtung Demo.
Der Grund dafür: Einige der wenigen Black Lives Matter-Gegendemonstranten,
die am Rande der Absperrung stehen, sind ebenfalls mit Waffe gekommen.
Und sie hätten den Trump-Unterstützern damit gedroht, sagt Michelle. Ich habe davon nichts mitbekommen.
Die Reporter haben mich gefragt, warum ich mit der Waffe gekommen bin.
Ich meinte: Weil die anderen Gewehre auf uns gerichtet haben.
Das hab ich hundertmal gesagt.
Aber du wirst sehen, sie werden schreiben: "Rassistin, Trump-Unterstützerin kommt mit Sturmgewehr."
Dabei ist es nicht mal ein Sturmgewehr.
Und dann sagen sie immer: "Du bist doch in einer Miliz!"
Ja, aber meine Miliz will doch nicht die Regierung stürzen!
Einigen Freunden von Michelle wird genau das vorgeworfen: Dass sie die Regierung stürzen wollten.
Genauer gesagt, die Gouverneurin entführen.
Ja, ohne Spaß, sie sollen die Entführung der Gouverneurin von Michigan geplant haben.
Über diese krasse Geschichte will ich mit Michelle noch reden. Aber nicht hier.
Die Medien sitzen da drüben auf ihren Ärschen, glotzen nur, machen nichts.
Für wen arbeitet ihr eigentlich? Arbeitet ihr für Black Lives Matter?
Fickt euch alle, ihr Fake-News-Medien. Fickt jeden einzelnen von euch.
Als die UN-Flagge angezündet wird, fahren wir weg.
Michelle wohnt zwei Autostunden entfernt, und sie redet ununterbrochen über Politik.
Ihre Freundin Audra ist mit dabei.
Wir sind in Audras Haus.
Die beiden wollen mir erklären, warum sie so leidenschaftlich rechtskonservativ sind.
Mein Politiklehrer hat das am Besten erklärt: Als das Land gegründet wurde, da gab es diese zwei Kreise.
Der große Kreis war die Regierung im einzelnen Staat, der kleine Kreis die nationale Regierung.
Und wir haben den großen Kreis geschrumpft. Jetzt hat die nationale Regierung alles übernommen.
Und dagegen müssen wir kämpfen.
Wenn die nationale Regierung eine Sache sagt, die wir nicht wollen, dann dürfen wir ‘Nein' sagen.
Das ist unser Recht.
Es gibt so viele Verfassungsprüfungen. Unsere Verfassung ist ein großartiges Werk.
Aus Liebe zur amerikanischen Verfassung hat sich Michelle die ersten drei Worte:
‘We the people' auf den Arm tätowiert.
In der Verfassung steht auch, dass Bürgermilizen in den USA erlaubt sein sollten.
Allerdings wird darüber gestritten, ob die privaten Milizen von heute noch das sind,
was vor 200 Jahren damit gemeint war.
Man muss wissen, dass die Milizen… Ja, sie sind da, um zu beschützen, um zu trainieren.
Aber die Michigan Liberty Militia ist mehr wie eine… Gott, ich will nicht sagen, eine Brüderschaft.
Da denken die Leute an den Ku-Klux-Clan.
Aber die Michigan Liberty Militia ist mehr das Verständnis dafür:
‘Ich pass auf dich auf, und du auf mich.'
In den letzten Monaten wurde viel über die rechten Bürgermilizen in den USA geredet.
Denn sie verstecken sich nicht mehr, im Gegenteil.
Sie demonstrieren schwer bewaffnet gegen die Black Lives Matter-Bewegung, aber auch gegen zu strikte Corona-Maßnahmen.
Gelegenheiten gab es in diesem Jahr viele. Und immer wieder Ausschreitungen und Gewalt.
Die Angst vor den Milizen ist gewachsen.
Wir wollen keine Stressmacher. Wir wollen niemanden, der die Regierung stürzen will.
Das ist überhaupt nicht unser Ding.
Michelle betont das so, weil gute Freunde von ihr das eventuell anders sehen.
Ihre Kumpels Bill und Michael Null wurden vor ein paar Wochen vom FBI festgenommen.
Der Vorwurf: Sie sollen die Entführung der Gouverneurin Gretchen Whitmer geplant haben.
Zusammen mit einem dutzend anderer Milizen-Mitglieder.
... um mich zu entführen und möglicherweise umzubringen.
Whitmer ist Demokratin. Ihre Maßnahmen gegen den Corona-Ausbruch waren relativ streng.
Dadurch wurde sie zur Hassfigur für alle diejenigen, denen die Corona-Auflagen zu weit gehen.
Den Zorn der Corona-Gegner kennen wir ja aus Deutschland.
Dass aber Bürgermilizen planen, die verhassten Politiker zu kidnappen – das ist ein anderes Kaliber.
Ich habe eine Nachricht bekommen: "Geht es dir gut? Milizen-Mitglieder werden festgenommen."
Ich ich dachte nur: "Was?!"
Also habe ich meiner Miliz eine Nachricht geschickt: "Ist alles in Ordnung bei euch?"
Sie meinten nur, Bill und Mike wurden verhaftet. Und ich so: "Ja ja, witzig."
Sie meinten: "Nein, Bill und Mike wurden wirklich verhaftet."
Ich weiß nicht, ob sie vielleicht wirklich durchgedreht sind.
Kann schon sein, dass sie dachten: "Scheiß drauf, wir entführen die Gouverneurin."
Ich würde das nicht unterstützen. Aber ich verstehe das schon irgendwie.
Unser Supreme Court hat gesagt, dass sie so nicht die Menschen in Michigan behandeln kann. Und sie tut es trotzdem.
Was Audra damit meint: Die Gouverneurin hatte in der Corona-Krise über Monate
mit 'executive orders', also 'Rechtsverordnungen' regiert, ohne die Legislative mit einzubeziehen.
Im Oktober dann entschied das oberste Gericht von Michigan, der Supreme Court,
dass diese Alleingänge rechtlich nicht gedeckt waren.
In Michigan gab es von Anfang an eine Menge Widerstand gegen Maskenpflicht und Schulschließungen.
Im April stürmten hunderte Demonstranten mit schweren Waffen in das Parlamentsgebäude
in Lansing, darunter auch Michelle und Audra.
Aufnahmen, die auf Twitter von einem mittlerweile gelöschten Account veröffentlicht wurden,
zeigen, wie die Menge in die Gänge des Capitols kommt und Sprechchöre skandiert.
So viele Leute mit großen Waffen im Parlament.
Wenn wir das in Deutschland sehen…
Das sieht wahnsinnig aus, oder?
Und dann meinten die US-Medien, wir hätten das Capitol gestürmt.
Aber wir waren nicht gewalttätig, wir haben keine Türen aufgebrochen.
Wir waren nur laut und wütend. Das war alles.
Aber warum geht ihr mit Waffen in das Gebäude?
Naja, weil wir es können.
Wir haben das Recht dazu haben.
Das ist keine Einschüchterung, dass ist wie so eine Absicherung, dass wir bestimmte Verfassungsrechte haben.
Es ist eher.. Ein Abzeichen.
Um zu sagen: Ihr tretet unsere Rechten mit Füßen, das hier ist eines unserer Rechte.
Und deswegen tragen wir unsere Waffen.
Viele Politiker, die an dem Tag im Parlament waren, fühlten sich allerdings durchaus bedroht.
Kurz wurde darüber nachgedacht, Waffen für die Besucher im Capitol zu untersagen.
Ohne Konsequenzen.
Es ist in Michigan völlig legal, seine Gewehre mit ins Parlament zu bringen.
Am nächsten Tag bin ich selber vor dem Capitol in Lansing.
Mittlerweile ist die Wahl schon vier Tage her.
Die Siegessicherheit der Trump-Wähler ist ungebrochen.
Wir werden niemals aufgeben.
Wir müssen eine Armee werden.
Wir müssen eine Armee werden, stimmt's?
Wir müssen eine Armee werden der Vereinigten Staaten von Amerika.
Ich meine keine militärische Armee, das meine ich nicht. Sondern eine Armee Gottes!
Jesus, Jesus!
Ich habe mir vorgenommen, mit der anderen Seite zu sprechen.
Einige dutzend Vermummte laufen mit Black Lives Matter-Schriftzug auf.
Es kommt zwischendurch immer wieder zu Rangeleien.
Durch die geladenen Waffen in der Menge, fühlt es sich hier und da ziemlich gefährlich an.
Es gibt aber zum Glück keine großen Eskalationen.
Ob hier überhaupt jemand mit mir sprechen will?
Reden Sie mit der Presse?
Auf anderen Demonstrationen in den letzten Wochen bin ich mit dieser Seite öfter aneinander geraten,
wenn ich ungefragt gefilmt habe.
Reden Sie mit der Presse?
Welche Presse sind sie?
Aus Deutschland, deutsche News.
Warum sind Sie hier? Warum ist das wichtig.
Weil die die Wahl stehlen wollen. Das lassen wir nicht zu.
Donald Trump hat es ok gemacht, in der Öffentlichkeit stolz auf Rassismus zu sein.
Als ob es wieder akzeptierbar wäre. Und wir sind hier, um "Nein" zu sagen.
Wie weit würden Sie gehen mit Ihren Aktionen?
Für die von uns, die für Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit kämpfen,
für die ist der Tod ein ehrenhafter Weg, um zu gehen. Wenn wir sterben, dann für unsere Rechte.
Ich bin indigenous, meine Leute haben in den letzten 500 Jahren genug in diesem Land geopfert.
Ich bin hier, um zu sagen: Genug ist genug. Wenn ich dafür mein Leben geben muss, dann ist das eben so.
Das ist die krasseste Aussage, die ich bisher auf diesen Demonstrationen in einem Interview ins Mikro gesagt bekommen habe.
Mein Name ist Banashee. B-A-N-A-S-H-E-E
Wir verabreden uns für den nächsten Tag bei ihm zuhause. Banashee will mir erklären, warum er so radikal denkt.
Er wohnt eine Stunde weiter westlich, am Rande der Stadt Grand Rapids, in einer Mischung aus Wohnsiedlung und Trailer Park.
Er ist 44 Jahre alt, und ich sehe ihn zum ersten Mal ohne Schutzausrüstung.
Aber die Stimme erkenne ich wieder.
Ich verstehe schon, dass manche Leute Angst vor einem Typen mit Waffe haben.
Die sind nicht so aufgewachsen, wie ich. Ich verstehe es.
Aber es gibt Leute, wie mich, die haben keine Angst vor so etwas.
Ich habe einen Genozid überlebt. Ich bin der Beweis dafür.
Wir stehen hier auf dem Land der Anishinabe, Egal, was andere sagen.
Meine Leute haben dieses Land nie aufgegeben.
Der Völkermord durch die Eroberer aus Europa, bei dem Millionen Indigener umgebracht wurden, prägt seine Sicht auf die USA.
Er gehört zu den Anishinabe, auch Ojibwe genannt, eine der größten indigenen Gruppen Nordamerikas.
Ist es eigentlich ok, von ‘Native Americans' zu sprechen? Oder sagt man ‘Indians', oder ‘Indigenous'?
Die meisten Native Americans wollen so genannt werden, wie ihre Nation heißt.
Wir sind die Ojibwe, Mitglieder des Rats der drei Feuer.
Erst durch die europäischen Eroberer wurden die indigenen Völker in Nordamerika überhaupt als eine gemeinsame Gruppe definiert.
Was die Völker und Stämme aber heutzutage gemeinsam haben, ist die schlechte soziale Lage.
Wegen Corona wurde ich entlassen.
Im Moment bekommt man hier in Michigan nur Fabrik-Jobs.
Ich habe zwei College-Abschlüsse, deswegen weigere ich mich, so etwas zu machen.
Banashee hat unter anderem einen Bachelor-Abschluss in Strafjustiz, wollte früher mal Polizist werden.
Jetzt hat er sich zur Aufgabe gemacht, gegen die soziale Benachteiligung der indigenen Gruppen zu kämpfen.
Hellhäutige Native Americans wie ich, wir mussten unseren Weg in der weiß-dominierten Gesellschaft finden. Für unser Leute.