Honecker, Ulbricht, Mielke - die Wandlitz-Siedlung | Geheimnisvolle Orte | Dokumentation | DDR - YouTube (1)
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Untertitel: rbb
Mitten im Wald, 30 km nördlich von Berlin, nahe Wandlitz.
Umzingelt von Mauern wohnten hier die Mächtigen der DDR.
Walter Ulbricht, Erich Honecker und ihr ständiger Schatten Erich Mielke.
Doch wie lebten sie dort, die Mitglieder des Politbüros,
die Spitzen des Staates,
für die Bunker gebaut wurden und Schießanlagen?
Die bewacht und überwacht wurden in der Waldsiedlung,
in dieser geheimnisumwitterten Enklave der Macht.
21. November 1989.
Das ist das letzte Hinweisschild vor dem Abzweig nach Wandlitz.
Wie ihr seht: Außer berechtigte Kfz darf hier niemand durch.
Die Mauer ist offen,
und das DDR-Fernsehen fährt zur Waldsiedlung.
Die Kamera ausmachen. Na, wir wollen nichts Unrechtes tun.
Der Wohnsitz des Politbüros: Sperrgebiet.
Kein Zutritt für das Team von "Elf 99".
Nur zwei Tage später öffnen sich die Tore.
Auf dem Weg durchs Gelände trifft das Fernseh-Team
auf einen der einflussreichsten Männer im Land,
Kultur-Chef Kurt Hager, der beklagt sich:
Etwas bitter gesagt,
das ist das x-te Internierungslager, in dem ich lebe.
Niemand widerspricht.
Die DDR-Journalisten
werden in ein seit Jahren leerstehendes Haus geführt.
Keine goldenen Wasserhähne, aber Armaturen aus dem Westen.
Der Clou damals: die Schwimmhalle mit Ozon-Anlage.
In der Schlussphase der DDR
spielte die Waldsiedlung eine große Rolle.
Ich würde fast sagen, sie war einer der Sargnägel
für das SED-Regime und für den Untergang der DDR-Gesellschaft,
weil Wandlitz zur Projektionsfläche für ganz viele Widersprüche
und Probleme der DDR-Gesellschaft wurde.
Als dann das Magazin "Elf 99" berichtete,
neben anderen DDR-Journalisten, ging ein Sturm durchs Land.
Tausende Beschwerdebriefe gehen an die Volkskammer,
ein Untersuchungsausschuss zu Amts- missbrauch und Korruption beginnt,
unzählige Ermittlungsverfahren gegen die DDR-Politgrößen werden eröffnet.
(Rufe) Wir sind das Volk!
Im Januar 1990 wohnt niemand mehr in der Waldsiedlung.
Über 30 Jahre später steht sie noch: die Mauer.
Sie umschloss die Wohnsiedlung und das weitläufige Gelände.
Paul Bergner ist 83 Jahre alt.
Seit drei Jahrzehnten führt er durch diese einstige Landschaft der Macht.
Er kennt alle Geschichten rund um die Waldsiedlung,
als wären sie seine eigenen.
So war die Mauer um die Siedlung früher 2 m hoch.
Es war obendrauf Stacheldraht und zwei Drähte,
ein stromführender Draht, einer ohne Strom.
Paul Bergner, einst Bereitschaftspolizist der DDR,
arbeitet von 1990 bis 1991 auf dem Areal als Gärtner.
Ihn lassen die Geschichte dieses Ortes und seine Geheimnisse
seitdem nicht mehr los.
Das ist der Standort einer Kontrollkamera,
die mit ordentlichem Zoom ausgestattet war,
vom Wachhabenden gesteuert wurde, sie konnte quasi die gesamte Seite
und besonders dieses Tor überblicken.
Das Tor hinter diesem Laubhaufen war im Notfall zur Flucht gedacht.
Die Parklampen erleuchten heute keinen Postenweg mehr.
Und die Parklandschaft verwildert.
Zur Freude der Bewohner standen einst Skulpturen auf diesen Sockeln.
Partei-Chef Honecker lebte im kleinsten Haus,
der Stasi-Chef im größten.
Es ist das Haus 14, Mielke.
Das ist eines der drei größten Häuser in der Siedlung.
Obwohl Stasi-Chef Mielke lange kein Mitglied des Politbüros ist,
wohnt er von Anfang an in der Waldsiedlung.
Er kontrolliert, überwacht auch hier alles.
Schon mit Beginn der Bauplanungen.
Aus der Luft ist die frühere Wohnsiedlung kaum zu erkennen.
Genau das ist beabsichtigt.
Beaufsichtigt von der Stasi starten im Mai 1958 hochgeheim
die Bauarbeiten im 1,5 km2 großen Waldgebiet
in Wandlitz bei Bernau.
Wie immer bei solchen Anlässen in der DDR
gab es natürlich Gerüchte: Es gab das Gerücht,
dass dort die sowjetische Militär-Administration bauen würde.
Aber es wurde schnell klar, dass dort die DDR-Regierung baut,
u.a. deshalb, weil eine Menge Handwerker aus der Umgebung
auf der Baustelle gearbeitet haben.
Einige haben sich auch nach West-Berlin abgesetzt
und die Presse im Westen mit Informationen
und Gerüchten versorgt, was da in Wandlitz passiert,
dass dort eine luxuriöse Siedlung für die SED-Prominenz entsteht.
1959 erscheint in West-Berlin
das erste heimlich aufgenommene Foto der Baustelle.
Das unscharfe Bild finden die beiden Historiker Jürgen Danyel
und Elke Kimmel bei ihren Recherchen zur Entstehung der Waldsiedlung.
Jahrelang sind sie dazu in den Archiven auf Spurensuche.
Es gibt recht viele Informationen, die in den Westen durchsickerten:
Planungsunterlagen, Zeichnungen von den Häusern.
Es gab das Gerücht, dass edelste Materialien verbaut wurden,
Marmor aus Italien geholt wurde etc., das ist natürlich Teil
der ideologischen Auseinandersetzung im Kalten Krieg
und der Propaganda, so dass es auch bewusst überhöht wurde.
In den Akten der Stasiunterlagen-Behörde
entdecken sie auch Hinweise auf Heinz Gläske, Deckname Hegl.
Ein Mann der Stasi und Chef des Sonderbaustabes 10.
Er leitet die gesamten Bauplanungen für die Waldsiedlung.
Sie ist von Anfang an ein Stasi-Objekt.
Und Gläske nur einer von vielen Handlangern.
Der Westberliner Architekt
kommt 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft.
Er tritt aber schon im März 1949 in die SED ein.
Vorher ist er eher Nazi-Gefolgsmann, also ist er offensichtlich
"umgedreht worden" in der Kriegsgefangenschaft.
Er wird 1951 von der Staatssicherheit angeworben
und tritt auf Geheiß der Staatssicherheit aus der SED aus.
Also, die bringen ihn dazu, und zwar deswegen,
weil er die Kriegsheimkehrer ausspionieren soll.
Heinz Gläske wird schnell
ein hohes Tier bei den Kriegsheimkehrern.
Er lernt dort auch Alexander Truschnowitsch kennen,
einen der führenden Köpfe russischer Emigranten,
ein aktiver Antikommunist.
Er erhält den Auftrag, diesen Truschnowitsch zu entführen,
er lockt ihn in seine Wohnung und versucht ihn wohl zu betäuben,
das ist nicht ganz klar.
Auf jeden Fall läuft das aus dem Ruder.
Er schlägt den nieder und erschlägt ihn.
Er schleppt dann diese Leiche im Teppich
ins Auto und fährt nach Ost-Berlin.
Ob Gläske die Tat allein oder mit anderen begeht,
ist bis heute unklar, in Ost-Berlin wird er dafür honoriert
mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber.
Ab 1954 ist er zuständig für Stasi-Bauten,
auch für die geheim geplante Waldsiedlung.
Das ist ein Architekt,
der sich definitiv nicht in den Westen absetzen kann.
Also das wird niemand sein, der in den Westen geht und Baupläne verrät,
der ist definitiv loyal, schon weil er es muss.
Heinz Gläske koordiniert die Bauplanungen,
die 100 Fremdfirmen und 650 Bauarbeiter.
Alle strengstens kontrolliert von der Staatssicherheit.
In nur zwei Jahren entsteht ein Städtchen im Wald,
mit Innen- und Außenring.
Hier ist das Symbol für die Mauer,
die hier den sogenannten Innenring umgrenzte,
gleichzeitig trennte sie ihn vom Außenring
und hier von der Außenwelt.
Es gab hier drin weder Wege- noch Straßennamen.
Die Leute, die hier wohnten, wussten das.
Es gab für die Funktionäre die Hausummern 1 bis 23,
die Dienstboten hatten eine Postfachnummer in Bernau.
Die Post wusste, wo was hinzubringen war,
da gab es keine Probleme.
Andere kamen hier nicht rein.
Niemand durfte ohne speziellen Ausweis hinein
oder eine Besuchserlaubnis.
Geschütztes Wohnen für die Mächtigsten des Staates
und ihre Familien, sie leben freiwillig hinter Mauern.
Im Spätsommer 1960 rollen die Umzugswagen nach Wandlitz.
Die Partei-Elite zieht aus dem Pankower Städtchen,
aus dem Majakowskiring nahe der Grenze zu West-Berlin.
Es ist zu eng geworden, zu wenig Platz für weitere Bauten.
Und es scheint zu gefährlich.
Den Genossen sitzen noch
die Ereignisse des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 im Nacken.
Ob der 17. Juni eine Rolle spielte beim Umzug,
kann man nur indirekt vermuten, es gibt keine direkten Hinweise,
dass das der alleinige Grund dafür gewesen sei.
Man wollte in einen Bereich ziehen,
den man unter Sicherheitsaspekten ganz anders schützen konnte.
Das Politbüro will sich aus der Schusslinie des Kalten Kriegs nehmen
und den vielen betagten Genossen eine naturnahe Umgebung garantieren.
Doch in den Protokoll-Akten steht nur:
"Es sind Maßnahmen für eine neue Wohnsiedlung vorzubereiten."
Man wird schnell fündig:
In einem der schönsten Waldgebiete nördlich von Berlin,
nahe des Liepnitzsees, zwischen Wandlitz und Bernau,
unweit der Schorfheide, dem Jagdgebiet der Könige.
Ulbricht persönlich gibt sein Okay.
Dieses Wandlitz ist genau das, was er sucht:
Abgeschottet, mitten in der Natur.
Eine Enklave der Macht.
Die Schorfheide, der ganze Barnim, war schon immer ein Landstrich,
der die Mächtigen angezogen hat, schon seit dem Kaiserreich
verbrachten die Mächtigen dort ihre Freizeit.
Dort wurde auch Politik gemacht, da fanden diplomatische Kontakte statt,
man lud gern ausländische Gäste ein, inszenierte sich herrschaftlich.
Das Überraschende ist, dass die SED-Führung,
mit ihrem zumindest proklamierten proletarischen Habitus,
ähnliche Rituale und Selbstdarstellungsformen übernahm,
wie aus dem Kaiserreich und der NS-Zeit bekannt.
SED-Chef Ulbricht ist kein Jäger.
Aber auch für ihn ist die Inszenierung
Teil des politischen Geschäfts.
Im Garten seines Hauses Nr. 7 präsentiert er sich gern naturnah,
gesundheitsbewusst, sportlich.
Er machte hier unter Aufsicht von Lotte seinen Morgenspaziergang.
Im Gras, nackte Füße ...
Er hatte hier ein offenes Haus.
Er empfing auch gelegentlich Kulturschaffende.
In den Homestorys aus Wandlitz
zeigt sich Walter Ulbricht bodenständig, volksnah,
und Ministerpräsident Otto Grotewohl
als Grandseigneur mit bürgerlicher Noblesse.
Beide voller Bildungseifer, gern vor opulenter Bücherwand.
Aus Ulbrichts Bibliothekszimmer im Haus 7,
heute unter Denkmalschutz, sind die Bücherschätze längst verschwunden.
Der Gestus der Bescheidenheit wird noch immer deutlich.
Zumindest überrascht viele Besucher,
die heute in die Waldsiedlung kommen,
wie schlicht es daherkommt, es sind relativ bescheidene Häuser.
Sieht man genauer hin, sind es doch recht anspruchsvolle Bauten.
Man hat einen Grundtyp in immer neuen Variationen,
angepasst an die Bedürfnisse der Bewohner.
Und damit ist, zumindest was das äußerliche Antlitz betrifft,
Bescheidenheit suggeriert,
aber was die Privilegien und Versorgungssituation betrifft,
war die Siedlung von Anfang an alles andere als bescheiden.
Die Miete zwischen 400—800 DDR-Mark beinhaltet alles:
Die Um-, An- und Sonderbauten am Haus,
die Nutzung der Möbel, die man selbst auswählt,
oft teuer bauen lässt, Kosten fürs Dienstpersonal:
Von der Putzfrau über Koch, Kellner, Schneider oder Friseur.
Auch private Tankfüllungen werden bezahlt.
Von der Stasi.
Sie ist zuständig für den Schutz und die komplette Rundumversorgung.
Jeder Wunsch ist hier Befehl.
Daran kann sich Lothar Herzog noch gut erinnern.
Er hat hier 23 Jahre als Kellner gearbeitet
und im Kinosaal so manches Mal auch nachts den Kaffee serviert.
Auch für Kultur-Chef Hager,
wenn er sich die verbotenen DEFA-Filme ansah.
Das Wort "Nein" war nicht möglich.
Das war wirklich bei Strafe der Entlassung ...
Es hatte auch niemand von uns den Gedanken, mal Nein zu sagen.
Die Wünsche halten sich damals noch in den Grenzen des Ostens,
für Lotte Ulbricht gibt es Äpfel aus Bulgarien.
Als eines Wochenendes die Familie Ulbricht
zu uns kam ins Klubhaus, es waren wohl knapp 35 Grad,
da fragte sie uns, warum wir einen Frack anhaben.
Ich sagte: "Das ist so üblich in der Gastronomie."
Da sagte sie: "Schicken Sie mir den Restaurant-Leiter."
Dann hat sie den Restaurant-Leiter gemaßregelt und festgelegt,
dass wir, wenn es so warm ist, keinen Frack mehr anziehen dürfen,
das wäre, wie es in der Bourgeoisie üblich ist.
Lotte Ulbricht, die einstige Stenotypistin,
die russisch, englisch, französisch parliert,
lädt zwar nicht mehr, wie noch am Majakowskiring in Berlin,
zu privaten Gesellschaften ein, dafür zu geselligen Privatfahrten
der Funktionärsfamilien mit dem Regierungszug.
Und ihr Mann bemüht sich, jede Cliquen-Bildung zu verhindern,
zum eigenen Macht-Erhalt.
Sein Wohnhaus steht allen offen.
Erich Mückenberger, 31 Jahre Mitglied des Politbüros,
erinnerst sich 1990
an gemeinsame Jahre in der Waldsiedlung.
"Ich will ihn nicht durch die verklärte Blume sehen,
aber man konnte anrufen bei ihm, wenn man Probleme hatte.
Dann sagte er: 'Komm rüber, dann sprechen wir miteinander.'
Es waren eben menschliche Beziehungen."
Zu seinem Geburtstag veranstaltet er gern
Tontauben-Schießen als geselliges Beisammensein.
Zwischen heute verwilderten Hecken:
Die typisierten Villen mit 8 bis 15 Zimmern.
Und im Zentrum ...
... der Funktionärsclub, genannt F-Club.
Mit Gaststätte, Sauna, Kegelbahn, Schwimmhalle und Kinosaal.
Heute werden dort Patienten versorgt.
Auf einem Rondell: ein zugewachsener Teich.
Hier konnten sich die Gäste angeblich
die Forellen selbst angeln, wie sich Lothar Herzog erinnert.
Wir haben unseren Dienst früh um 7 Uhr
bzw. um 15 Uhr aufgenommen.
Wir hatten Friseusen, wir hatten Kosmetikerinnen,
wir hatten Schwimmmeister.
In der Schwimmhalle wurde Mineralwasser serviert.
Wenn Minister Mielke früh um 6 Uhr in die Schwimmhalle kam
und Mineralwasser wollte, dann musste jemand da sein
und musste ihm sein Mineralwasser bringen.
Er bedient sie als Kellner alle, von Ulbricht bis Honecker.
Als er 1962 nach Wandlitz kommt,
ahnt er nicht, worauf er sich einlässt.
Auf eine Rundumversorgung, ob als Kellner in Wandlitz
oder als persönlicher Steward Honeckers.
Alle 650 Mitarbeiter, die 23 Familien umsorgen,
sind Mitglieder des Personenschutzes der Staatssicherheit,
alle mit Schweige-Gelübde und militärischem Rang.
Wir bekamen auch eine militärische Ausrüstung.
Wir waren zwar keine Uniformträger,
wir trugen entsprechend unsere Berufsbekleidung,
aber wir hatten in unseren Schränken