Rheinromantik: die Loreley
Rheinromantik: die Loreley Er gilt als einer der touristischen Attraktionen in Deutschland: der Loreley-Felsen am Rhein. Wer dort oben steht, kann sich der Romantik und dem Mythos um die Loreley nicht entziehen.
„Blonde Frau, sitzt auf Felsen, kämmt sich langes blondes Haar mit Kamm. Schiffer unten auf dem Rhein schauen hinauf, gucken nicht auf die Strudel, gehen unter und ertrinken.“
Das ist kurz gefasst die Geschichte der Loreley, wie sie auf der ganzen Welt bekannt ist, meint Ute Krassmann, die sich mit der Rheinromantik bestens auskennt und Gäste auch zur Loreley führt. Schiffe kippten um, legten sich auf die Seite, und gingen unter, kenterten, weil die Schiffsführer auf die hübsche blonde Frau achteten, die ihr güldenes, blondes, Haar kämmte, nicht aber auf die gefährliche Strömung und die Strudel des Rheins an dieser Stelle. Dabei dreht sich das Wasser in kreisförmigen Bewegungen, sodass etwas oder jemand nach unten gezogen wird. Rund um den Felsen im Mittelrheintal gibt es eine Menge von Geschichten, Mythen und Legenden, die fast jede beziehungsweise jeder Deutsche schon in der Schulzeit mehr oder weniger gelernt hat. Viele Touristen sagen, sie sind nur der romantischen Geschichte wegen an den Felsen gekommen. Wie gut aber kennen sie die Geschichte?
„Ich glaube, dass der Heinrich Heine den Text geschrieben hat: ‚Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.‘ Und dass sich das auf die Loreley bezieht. Aber ich bin mir nicht ganz sicher. / Ja gut, da sitzt die Jungfrau oben, kämmt ihr güldenes Haar, und die Schiffer unten, die gucken natürlich nach dem Mädchen. Und die Schiffe kippen um, und die ertrinken. Genau kenn ich [es] nicht. / Es ist etwas schwierig. Man weiß nicht so genau, was sie jetzt getan hat. Auf jeden Fall hat sie da gesessen und gesungen.“
Wie aber die Loreley überhaupt auf den Felsen bei St. Goarshausen am Rhein gekommen ist, das wissen die wenigsten. Die ursprüngliche Geschichte geht auf den romantischen Dichter Clemens Brentano zurück. Er verarbeitete in seiner Ballade „Zu Bacharach am Rhein(e)/Lore Lay“ um 1800 den mythischen Zauber, den der Felsen nicht zuletzt auch wegen seines Echos ausübt. Ute Krassmann gibt den Anfang der Ballade wieder:
„Zu Bacharach am Rheine lebt eine Zauberin. Die war so schön und feine und riss viel Herzen hin und brachte viel zu schanden, der Männer rings umher. Aus ihren Liebesbanden gab's keine Rettung mehr.“ Lore Lay wird beschrieben als eine Frau, die andere durch ihre Schönheit betört, bezaubert. Ihr Liebster, ein Schiffer, hatte sie betrogen und verlassen. Darüber wurde sie so unglücklich, dass sie zum Bischof ging und sich den Tod wünschte. Dieser aber verliebte sich in sie und schickte sie in ein Kloster. Auf dem Weg dorthin will sie noch ein letztes Mal das Schloss ihres Liebsten sehen, klettert den Felsen hinauf, schaut in die Tiefe. Sie glaubt, unten auf einem Schiff ihren Liebsten zu erkennen, beugt sich hinunter – und stürzt hinab. Die sie begleitenden drei Ritter folgen ihr in den Tod. Es gab viele weitere Gedichte und Texte zur Loreley. Eine Fassung aus dem Jahr 1824 jedoch ist weltbekannt: die von Heinrich Heine, die vom deutschen Komponisten Friedrich Silcher vertont wurde:
„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin. Ein Märchen aus uralten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn …“
Reiche, reisefreudige Engländer entdeckten die Loreley im 19. Jahrhundert als Ausflugsziel. Mit den Touristen kamen die Andenkenstände. Aus dem Mythos wurde Kitsch. Die Loreley gab es fortan beispielsweise als kleine Meerjungfrau aus Bronze oder als Barbie-Puppe. Im Juni 2002 ernannte die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, das Obere Mittelrheintal zwischen Koblenz und Rüdesheim zum Weltkulturerbe. Die Region hat mehr zu bieten als nur den Loreley-Felsen. Besucherinnen und Besucher sollten nun verstärkt für die Natur und die Kulturgeschichte des gesamten Rheintals begeistert werden. Daher weisen am eigentlichen Felsen selbst nur kleine, in Stein gemeißelte Kunstwerke auf die Geschichte der Loreley hin, deren Bedeutung in einem Begleitheft erläutert wird. Große, aufdringliche Texttafeln oder Figuren sollen den Blick nicht stören. Viele Touristen aus ganz Deutschland kommen trotzdem nur aus einem einzigen Grund:
„Vom Hunsrück. / Von München. / Regensburg. / Düsseldorf. / Aus dem Ruhrgebiet. / Ganz klar, wegen der Liebe!“
Der Romantik kann sich also keiner entziehen. Wenn man hoch oben steht und auf den Rhein herunterblickt, beschleicht den einen oder anderen dann doch ein bestimmtes Gefühl:
„Ja, wenn man so als Schipper auf einmal hier um die Kurve kommt und eine blonde, große Frau sieht – so wie jetzt hier –, da gucken die die ganze Zeit hoch. Da kommen jetzt Kurven. Und wer jetzt die ganze Zeit hier hochschaut, da hat der eine oder andere mal die Kurve nicht gekriegt und ist gekentert. Und das lag an der Loreley. Ich hoffe, dass da unten der nicht den gleichen Fehler macht und: ‚Wink mal hier‘.“
Mancher Schipper, umgangssprachlich für „Schiffer“, kriegt in der engen Biegung im wörtlichen wie im übertragenen Sinn nicht die Kurve, schafft es nicht, sie zu umfahren. Gerade in den Abendstunden, wenn die Touristenströme nachlassen, genießt Ute Krassmann die Stille. Bei dem Blick auf das gurgelnde, dunkle, glucksende Geräusche produzierende Wasser, das nach oben gischtet, Schaum auf den Wellen produziert, lässt sie ihren Gedanken freien Lauf:
„Es ist immer noch faszinierend, das Wasser, das immer noch unten gurgelt und aufgischtet. Es ist immer noch der gefährlichste Punkt im Rhein. Und wenn sie einmal hierherkommen bei Vollmond, wenn er über dem Taunus aufgeht und den Rhein wie silbern glänzen lässt, dann ist's nicht schwer, sie zu sehen, wie sie hier und dort sitzt.“ „[…] Den Schiffer im kleinen Schiffe, ergreift es mit wildem Weh. Er schaut nicht die Felsenriffe, er schaut nur hinauf in die Höh'. Ich glaube die Wellen verschlingen am Ende den Schiffer und Kahn. Und das hat mit ihrem Singen die Loreley getan.“