Sendung: tagesschau 29.03.2020 13:15 Uhr - Warnung vor humanitären Katastrophe
Themen der Sendung: Coronavirus breitet sich rasant aus, Pflegekassen starten "Rettungsschirm" für Heime und Pflegedienste, Italien will Essengutscheine verteilen, US-Präsident Trump riegelt Corona-Hotspots nicht ab, Warnung vor humanitären Katastrophe in griechischen Flüchtlingslagern, Indische Behörden bringen gestrandete Arbeitslose mit Bussen nach Hause, Singapurs Sonderweg bei der Bekämpfung des Coronavirus, Sachsen will Berufspendler aus Tschechien halten, Wie Schule in Zeiten von Corona funktioniert, Stichwahl in bayerischen Kommunen wegen Corona nur per Brief, Hessischer Finanzminister Schäfer tot, Polens berühmtester Komponist Krzysztof Penderecki gestorben, Letzte Folge der "Lindenstraße" nach fast 35 Jahren, Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Tim Berendonk
Guten Tag,
ich begrüße Sie zur tagesschau.
Mit Blick auf die Corona-Pandemie
ist keine Trendwende in Sicht.
Mehr als 640.000 Ansteckungsfälle
sind weltweit bekannt.
Auch in Deutschland
steigen die Zahlen:
Das Robert Koch-Institut
bestätigte heute 52.547 Infizierte.
Volkswirte warnen
vor massiven Einbrüchen.
Doch Vizekanzler Scholz bekräftigt,
dass die Schutzmaßnahmen mindestens
bis zum 20. April in Kraft bleiben.
Zugleich stellte er weitere Hilfen
für Arbeitnehmer in Aussicht.
Supermärkte dürfen heute öffnen.
Eine Ausnahme
während der Corona-Pandemie.
Hier verkaufen sie
lebensnotwendige Ware.
Doch die meisten Geschäfte
haben geschlossen.
Kassiererinnen könnten ab morgen
bis zu 1500 Euro Bonuszahlung
bekommen - steuerfrei.
Das entschied Finanzminister Scholz.
Handelsverbände begrüßen,
dass ihre Mitglieder die Zuschläge
steuerfrei zahlen dürfen.
Mehrere Supermarktketten
hatten bereits Prämien
für ihre Beschäftigten angekündigt.
Wenn jetzt einige größere
eine Vorlage gemacht haben,
hat das eine Wettbewerbswirkung.
Jeder macht sich wohl Gedanken,
wie er seine Mitarbeiter
gut stellt.
Sich für ihre
übermenschliche Leistung bedankt,
die diese Helden
gerade im Einzelhandel vollbringen.
Unterdessen ist in Geldersheim/Bayern
ein Ankerzentrum
mit 600 Asylbewerbern
unter Quarantäne gestellt worden.
Dort seinen sieben Flüchtlinge
und ein externer Beschäftigter
positiv auf Corona getestet worden.
Die Aufnahme weiterer Flüchtlinge
stoppten die Behörden.
Um Pflegebedürftige
weiter versorgen zu können,
versprechen die Pflegekassen,
Mehrkosten komplett zu übernehmen.
Der Pflege-Rettungsschirm gelte
für Heime und für Pflegedienste,
so der Spitzenverband der
Gesetzlichen Krankenversicherungen.
Übernommen würden Kosten für Personal
und Anschaffungen wie Schutzkleidung
und Desinfektionsmittel.
Es gebe genügend Rücklagen.
Italien will Menschen helfen,
die in finanzielle Nöte geraten sind.
Ministerpräsident Conte kündigte an,
Bedürftige sollten Einkaufsgutscheine
und Lebensmittelpakete erhalten.
Conte machte aber auch Mut:
Gestern habe es die bisher
höchste Zahl an Geheilten
an einem Tag gegeben.
In Italien
sind mehr als 10.000 Menschen
an den Folgen von Corona gestorben.
In den USA ist New York besonders
von der Corona-Pandemie betroffen.
Es werde aber
keine Quarantäne verhängt,
twitterte gestern US-Präsident Trump.
Allerdings sollen
die 8,6 Millionen New Yorker
für zwei Wochen
auf Reisen verzichten.
Ausnahmen gelten für Lkw-Fahrer,
medizinisches Personal
und Beschäftigte
der Finanz- und Lebensmittelbranche.
Die Vereinten Nationen
haben ihren Hauptsitz in New York.
Sie haben der Stadt
250.000 Gesichtsmasken gespendet.
Angesichts der Corona-Pandemie
rücken andere Krisenherde
in den Hintergrund.
Dabei ist gerade jetzt Hilfe gefragt,
auch in den Flüchtlingslagern
auf den griechischen Inseln.
Der Präsident
des Europäischen Parlaments warnt
vor einer humanitären Katastrophe.
Im Lager Moria auf Lesbos
campieren 20.000 Flüchtlinge.
Alte, Kranke und Kinder
müssten schnellstmöglich
in Sicherheit gebracht werden.
Nicht genug Essen,
kaum medizinische Versorgung,
zu wenige Waschplätze:
Traurige Normalität im Lager Moria
für 20.000 Flüchtlinge.
Und sie haben Angst vor dem Virus.
Manchmal gibt es Wasser
nur für eine halbe Stunde.
Aber um sich zu schützen,
müssen die Leute
sich die Hände waschen.
Damit sich die Pandemie
nicht ausbreitet.
Offiziell gibt es
keine Corona-Infektionen.
Aber auch keinen Plan der Regierung,
wie Infektionen
verhindert werden können.
Die hätten katastrophale Folgen
für Einheimische und Flüchtlinge.
Beginnen wir
mit den Schutzbedürftigen:
Wir müssen schwangere Frauen,
Kinder und Ältere evakuieren.
Falls sich das Virus ausbreitet,
werden sie den Preis dafür zahlen.
Deutschland hatte zugesagt,
unbegleitete Minderjährige
auszufliegen.
Das wurde ausgesetzt.
Das sei eine falsche Entscheidung:
Viele Schiedsrichter
von der Seitenlinie erklären,
was in Europa nicht funktioniert.
Es braucht einzelne Staaten,
die vorangehen.
Deutschland kann und sollte
Menschen evakuieren.
Das Camp
ist für 3000 Menschen ausgelegt.
Über 20.000 leben dort -
Abstand halten ist nicht möglich.
In Indien gilt wegen des Coronavirus
seit Mittwoch eine Ausgangssperre
für 1,3 Milliarden Menschen.
Diese Sperre einzuhalten,
ist für einen großen Teil
der Bevölkerung aber unmöglich.
Millionen Tagelöhner
haben ihre Jobs verloren
und wollen aus den Städten
zurück in ihre Dörfer.
Viele sind gestrandet
an den Busbahnhöfen der Großstädte.
Trotz landesweiter Ausgangssperre
sind auf Neu-Delhis Straßen
Tausende unterwegs:
Wanderarbeiter und Tagelöhner,
die sich das Leben
in Indiens Hauptstadt
nicht mehr leisten können.
Wir gehen,
weil wir keine Arbeit mehr finden.
Wir werden nicht mehr bezahlt,
bekommen keine Lebensmittel.
Was sollen wir hier noch machen?
Am zentralen Busbahnhof
sammeln sich seit gestern Menschen.
Indien stellte landesweit
sämtliche Verkehrsverbindungen ein.
Die Polizei versucht,
die Masse zurückzudrängen.
Rund 4 Euro pro Tag
verdienen die Arbeiter
in Fabriken und Haushalten
der Wohlhabenderen.
Die Pandeys
gehören zur Mittelschicht.
Sie haben fünf Haushaltshilfen,
Köche, Fahrer.
Wegen der Ansteckungsgefahr
wurden alle nach Hause geschickt,
die Familie
bezahlt aber weiter Löhne.
Erstmals kochen die Frauen selbst,
waschen ab.
Diese Arbeit sind sie nicht gewöhnt.
Ich kann kochen,
aber dreimal am Tag
ist eine Herausforderung.
Unsere Köchin
hat immer alles gemanagt.
Neu-Delhi organisiert jetzt Busse,
Lebensmittel werden verteilt.
Tausende sind auf Hilfe angewiesen.
Die Menschen werden zurück
in ihre Heimatregionen gebracht,
dürfen aber nicht sofort
zu ihren Familien.
Zuvor sollen sie in Quarantäne,
um die Verbreitung
des Virus zu verhindern.
Singapur galt lange als Vorreiter
im Kampf gegen die Pandemie.
Tests und die Nachverfolgung
von Kontaktpersonen
ließen die Infektionszahlen
über Wochen stagnieren.
Jetzt drohen Tausende Heimreisende
das Virus wieder einzuschleppen.
Die Regierung
des autoritären Stadtstaats
zieht die Zügel daher an:
Sie setzt auf harte Strafen,
Kontrolle und Isolation.
Das Nationale Zentrum für ansteckende
Krankheiten in Singapur.
Hier bringt der Stadtstaat
seine Infizierten unter:
In Einzel-Isolierzimmern
mit Eingangsschleuse.
Unterdruck und Spezialfilter
verhindern,
dass kontaminierte Luft
nach außen dringt.
Singapur lernte aus Infektionswellen
vergangener Jahrzehnte.
Es gab immer wieder
Virus-Infektionen
wie Dengue
und 2016 das Zika-Fieber.
Wir wussten immer,
dass es nur die Frage ist,
wann ein neuer Virus auftaucht.
Darauf muss man vorbereitet sein,
sonst bereut man das.
Testen, testen, testen.
Nach eigenen Angaben testete Singapur
in Relation zu seiner Bevölkerung
so viele Menschen
wie kein anderer Staat.
Eine weitere Strategie:
Die Suche nach Kontaktpersonen
von Infizierten.
Im Gesundheitsministerium
arbeiten 20 Teams,
unterstützt von Polizei und Militär.
Es gilt,
die Infektionsketten zu unterbrechen.
Sie nutzen auch Überwachungstechnik
wie Sicherheitskameras,
um Erinnerungslücken zu füllen.
So kann man feststellen, mit wem
der Infizierte in Kontakt war
und wen das Gesundheitsministerium
isolieren muss.
Für Ausländer machte Singapur
die Grenzen dicht.
Doch täglich landen
noch etwa 1200 Heimreisende.
Jeder muss zwei Wochen
in Zwangsquarantäne.
Wer sich nicht daran hält,
dem drohen Bußgelder
oder sogar Haftstrafen.
Geschlossene Grenzen
und Einreisekontrollen
führen seit Tagen zu Staus zwischen
Deutschland und seinen Nachbarn.
Die Einschränkungen wirken sich auch
drastisch auf Berufspendler aus.
Sachsen fürchtet um
Hunderte Mediziner und Pfleger
aus dem tschechischen
und polnischen Raum.
Prämien und Hotelübernachtungen
sollen sie in den Kliniken halten.
Schnell über
die deutsch-tschechische Grenze -
damit ist Schluss.
Allein in Sachsen arbeiten
bis zu 10.000 tschechische Pendler,
darunter 400 Ärzte.
Für das medizinische Personal
gelten Ausnahmeregelungen.
Die sind nötig.
Im Erzgebirgskrankenhaus
kommen von den 100 Ärzten
40 aus dem Ausland,
darunter auch Tschechien.
Ein grundsätzliches Problem.
An dieser Stelle
muss darüber nachgedacht werden:
Ob die Politik hinsichtlich
der Gewinnung von Ärzten
nicht auf den Prüfstand gehört.
Da denke ich
an mehr Medizinstudenten,
Abbau von Bürokratie.
Bedingungen zu schaffen,
dass vielleicht mehr Ärzte
den Beruf in Deutschland ausüben.
Auch die Logistikbranche,
das Hotel- und Gaststättengewerbe
und die Landwirtschaft
sind betroffen.
Sachsen bietet jedem Pendler
eine Übernachtungspauschale
von 40 Euro an,
um in Deutschland zu bleiben.
Ich appelliere an alle Unternehmen,
die tschechische oder polnische
Arbeitnehmer beschäftigen, die
Beherbergungskapazität zu nutzen.
Tschechien und Polen hoffen,
mit den Grenzschließungen
die Ausbreitung des Coronavirus
einzudämmen.
Das Saarland
machte vor zwei Wochen den Anfang.
Es folgten die übrigen Bundesländer
mit Schul- und Kitaschließungen
wegen der Corona-Pandemie.
Es soll erst nach Ostern weitergehen.
Doch für die meisten bedeutet das
nicht mehr Freizeit:
Notbetreuungen sind organisiert,
Schulaufgaben gibt es digital.
Auch die Abiturprüfungen
sollen stattfinden.
Zu Schülern Kontakt halten,
gemeinsam Neues ausprobieren.
Das ist das Ziel
des digitalen Unterrichts in Hamburg.
Schulleiter Björn Lengwenus
produziert mit seinen Schülern
eine Late-Night-Show.
Wir versuchen,
dort digital zu arbeiten,
wo es geht.
Das sind vor allem
die älteren Jahrgänge.
Bei den Kleineren und denen,
denen das Lernen schwerer fällt,
versuchen wir,
Material ins Haus zu bringen.
An seiner Schule bringen Mitarbeiter
Briefe mit Aufgaben
zu den Schülern nach Hause.
Vor allem sozial schwache Familien
sollen nicht zu Verlierern werden.
Es ist eine große Gefahr,
dass die sozialen Unterschiede
sich noch verstärken werden.
In der kurzen Zeit können wir
dieses Problem wohl nicht lösen.
In Hamburg
will man Schüler unterstützen,
die keine technische Ausstattung
zu Hause haben.
Wir prüfen, ob wir Laptops,
die im Rahmen des Digitalpaktes
beschafft werden, einzelnen Schülern
mit nach Hause geben können.
Aber die muss man auch
bedienen lernen.
Auch wenn viele Schüler digital
eigenständig lernen können:
Professionelle Betreuung
in der Klasse kann, so Rabe,
nicht ersetzt werden -
nicht von heute auf morgen.
In mehreren bayerischen Städten
entscheiden Bürger in Stichwahlen,
wer künftig
auf kommunaler Ebene regiert.
Wegen der Corona-Pandemie
können die Wahlberechtigten
nur per Briefwahl entscheiden.
Abgestimmt wird u.a. in
den fünf größten bayerischen Städten.
Stichwahlen gibt es
um 16 Oberbürgermeister-
und 18 Landratsposten
sowie viele Bürgermeisterämter.
Der hessische Finanzminister Schäfer
ist im Alter von 54 Jahren gestorben.
Die Leiche des CDU-Politikers
wurde an einer Bahnstrecke gefunden.
Die Ermittler
gehen von einem Suizid aus.
Schäfer war fast zehn Jahre lang
Finanzminister im Kabinett
von Ministerpräsident Bouffier.
Er galt als möglicher Nachfolger.
Bouffier sagte, er sei schockiert
und trauere mit Schäfers Familie.
In Filmklassikern
wie "Shining" und "Der Exorzist"
wurde seine Musik gespielt.
Krzysztof Penderecki galt
als wichtigster polnischer Komponist
der Gegenwart.
Bis ins hohe Alter
schrieb er neue Werke
und tourte mit internationalen Stars.
Nun ist Penderecki mit 86 Jahren
in Krakau gestorben.
Als 1985 in einer Filmkulisse
in Köln-Bocklemünd
die erste Klappe fiel:
Da konnte keiner ahnen, dass
gerade Fernsehgeschichte begann.
Mutter Beimer und ihre Nachbarn
wurden von nun an für viele
Pflichtprogramm am Sonntagabend.
Doch irgendwann
kam zu sinkenden Einschaltquoten
der Sparzwang der ARD dazu.
Und so flimmert heute
die letzte Folge der Lindenstraße
über die Bildschirme.
Was auch immer sich
in der Lindenstraße veränderte:
Wenn sie sich sorgte,
briet Mutter Beimer Spiegeleier.
Es waren wohl Hunderte
in 34 Jahren der Kultserie.
Liane Rother und Andre Weber
verfolgten sie all die Jahre.
Als Mitglieder
des Lindenstraßenfanclubs
ergatterten sie Requisiten
nach dem Drehende im Dezember 2019.
Das Ambiente muss stimmen
beim Schauen der letzten Folge heute.
Die Lindenstraße war ein Meilenstein
der Fernsehunterhaltung.
Das gibt es
nicht annähernd mehr im Fernsehen.
Die Lindenstraße spiegelte
den Alltag hierzulande wider -
kam etwas spießig daher,
aber immer auch hochaktuell.
Bei Gott und Vaterland!
Rechtsradikalismus, Homosexualität –
die Lindenstraße ging mit der Zeit,
bis zuletzt.
* Niesen *
Diese verdammten Linden.
Hoffentlich kein Corona.
Manch ein Charakter war so langlebig
wie die Serie selbst.
Aus Klein-Klausi wurde Klaus.
Die sind mitgewachsen
wie normale Familienmitglieder.
Noch einmal können die Fans
mitfiebern mit ihren alten Bekannten,
danach bleibt nur noch
der Blick zurück.
Das Wetter:
Wechselhaft und windig,
gebietsweise Regen oder Schneeregen.
Im Norden
im Tagesverlauf freundlicher.
Die tagesschau
meldet sich wieder um 17.15 Uhr.
Ihnen einen schönen Tag.
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