Massiv l GERMANIA
Also, ich denke, in Deutschland hast du alle Möglichkeiten,
etwas zu reißen, etwas zu schaffen.
Das Ding ist: Einfach machen.
Deutschland ist aber die perfekte Plattform dafür,
dass du etwas schaffen kannst. Hier ist alles gegeben.
* Musik *
Künstlername Massiv, richtiger Name Wasim Taha,
geboren 09.11.1982 in Pirmasens, eine Grenzstadt zu Frankreich.
Vor zwölf Jahren nach Berlin gezogen.
Wieder Revue passieren lassen.
Meine Eltern kamen aus dem Libanon,
Doppel-Flüchtlinge, eigentlich aus Falastin.
Und wir haben uns hier einigermaßen integriert.
Wir sind 'ne Arbeiterfamilie
und versuchen jeden Tag, das Beste draus zu machen.
Mein Vater ist nach Deutschland gekommen
und hat versucht, hier sich was aufzubauen,
und hat ein Jahr später meine Mutter erst nachgeholt.
Du hast hier 'ne gewisse Stabilität, 'ne bessere Perspektive,
du hast hier ein Krankensystem, weil in erster Linie geht es darum,
eine Familie zu gründen und die Familie zu ernähren.
Und das war bei meiner Familie, grade bei meinem Vater,
an allerhöchster Stelle und das hat er auch so gezeigt.
Ein kleines Beispiel: Mein Vater hat damals drei Tage Probearbeit gehabt
bei einer Firma, die hundert Kilometer entfernt ist.
Da ist er mit dem Zug hingegangen, und weil er Panik hatte,
am nächsten Morgen zu spät zur Arbeit zu kommen,
hat er drei Tage dort auf einer Bank übernachtet mitten im Wald.
Das ist alte Schule, das sind Leute, die es noch schätzen,
eine Arbeitsstelle zu bekommen.
Und heute drücken sich die Leute davor,
einen Besen in die Hand zu nehmen.
Also ich bin nicht das beste Beispiel für geglückte Integration.
Ich war schon damals in der Schulklasse der einzige Muslim,
und da hatte ich immer bisschen zu kämpfen,
dass ich anders bin als die anderen.
Somit ist man dann auch groß geworden von Grundschule in die Hauptschule,
in eine Schlägerei in die andere.
Also ich glaube, ich hab bis zu meinem 19. Lebensjahr
42 Anzeigen nach Hause geflattert bekommen.
Und damit kann ich mich heutzutage nicht mehr identifizieren.
Also ich denke, ich habe jede Chance haben können,
aber ich hab sie nicht genutzt.
Ich hab nach meiner Hauptschule
fünf verschiedene Ausbildungen angefangen,
wo ich immer gemerkt habe, das kann ich nicht mein Leben lang durchziehen.
Dann hab ich die geschmissen, eine nach der anderen.
Verfahrensmechaniker, Fliesenleger, Kaminofenbauer.
Gabelstaplerjob, was für mich war wie Pilot werden,
einfach Traum, weil ich hab den Schein gemacht
und wusste: Alter, das will ich für mein ganzes Leben arbeiten.
Dann bin ich rausgekickt worden, das war wirklich so Arschkarte für mich.
Da hab ich gesagt: Das, was mir Spaß ge- macht hat, da haben sie mich rausgekickt.
Obwohl ich jeden Tag pünktlich war.
Da hab ich gesagt: Versuche ich etwas, was ganz krank ist, ich werde Rapper.
Halt in meiner kleinen Welt.
Dann hab ich innerhalb von zwei Wochen Demos aufgenommen.
Weggeballert durch ganz Deutschland.
Dann haben sich Labels gemeldet,
sechs Monate später hab ich bei Sony unterschrieben
und der Rest ist Geschichte.
2005 war sozusagen mein Durchbruch musikalisch.
Obwohl die Kunst da nicht krass groß war,
aber die Atmosphäre war gigantisch.
Du hast da einen Typ, der ist 130 Kilo schwer,
der sieht so aus, wie kein anderer Rapper aussieht,
und das war komplett neu.
Und da kommt diese Jargon-Sprache noch dazu, dieses:
Dieses Hamdulillah, Inschallah, Habibi, Mahmoud.
Das gab's vorher nicht.
Zum ersten Mal hörst du einen deutschen Rapper, der über sein Heimatland rappt,
der über Ehre rappt, der über Stolz rappt.
Vorher war das einfach nur "represent" und fertig.
Und heutzutage ist es wirklich gang und gäbe,
zu hundert Prozent der Pionier.
Also meine Eltern haben, glaube ich,
an diesem Plan, dass ich nach Berlin gehe
und die mit mir hier herziehen, nie gezweifelt.
Ich wusste, diesen Weg musst du gehen, um etwas auf die Beine zu stellen.
Und ich glaube, das ist eine Sache, die macht meine Eltern stolz.
Da fängt es an, dass man sieht:
Okay, wir sind angekommen, mein Sohn ist ein Mann geworden.
Und ich glaube, das ist wichtiger als jede Auszeichnung
oder irgendwelche goldenen Platten oder irgendwelche Schulterklopfereien.
Untertitel für funk im Auftrag des ZDF, 2017