Nelson Depayze über Obdachlosigkeit, YouTube und seinen Lebenswandel
Auf der Straße war ich knapp 8 Monate.
Angefühlt hat es sich wie 5-6 Jahre, weil jeder Tag ein Kampf ist.
Du wachst auf und musst schauen, was ess ich, was trink ich?
* Titelmusik *
Mein Name ist Nelson Depayze, ich bin aus Bonn, lebe in Berlin.
Ich bin Influencer, Entertainer,
verbreite auf YouTube lustige Kurzfilme.
Meine Mutter ist Deutsch, mein Vater ist aus Ghana.
Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen,
daher war meine Erziehung definitiv Deutsch.
Allerdings mit afrikanischen Einflüssen,
weil sie sehr in dieser Kultur drin war.
Im Jugendalter war ich schon mit mir selbst am struggeln.
Ich hab mir ein komplett dämliches Denkkonzept
im Kopf aufgestellt, dass Leute es nicht akzeptieren können,
dass man multikulturell ist.
Ich dachte, jeder will, dass man da zugehörig ist oder da.
Meine Mutter ist Musiklehrerin.
Wenn ich deutsche Freunde da hatte und sie hat 'nen Trommelkurs gegeben,
afrikanische Musik, war mir das mega unangenehm.
Klingt total bescheuert, aber ich hab damals so gedacht.
Und hab dann ganz laut Musik angemacht in meinem Zimmer.
Andersrum war es so,
wenn ich meine albanischen, türkischen Freunde da hatte
und es erklingt Beethoven-Sinfonie,
weil meine Mutter die auf dem Klavier spielt,
dachte ich, die kommen rein und denken,
ach du Kacke, was ist das hier für ein Alman?
Was eigentlich Quatsch ist.
Ich war aber zu der Zeit, als ich jugendlich war,
ein totaler Rebell und hab mich mitziehen lassen.
So kam es dann auch, dass es eine Gruppe gab
bei mir in Bonn-Tannenbusch, die kleinkriminell unterwegs war,
wo ich mich angeschlossen hab.
Ich hab viel Blödsinn gemacht, den man bereut.
Als es irgendwann hieß, wenn du jetzt weitermachst,
siehst du irgendwann die Zelle von innen,
da hab ich für mich entschieden von einem Tag auf den anderen,
ich grenz mich von dieser Gruppe ab. Ich hatte zu der Zeit keinen Job.
Aber 'ne Wohnung, die ich bezahlen musste.
So fing es an, dass ich auf der Straße gelandet bin.
Ich hatte einen großen Rucksack,
wo ich meine Lieblingsshirts etc. mitgenommen habe.
Nach außen wirkte es, als würde ich ein ganz normales Leben führen.
Meine Klamotten konnte ich bei 'nem Freund im Keller sauber machen.
D.h.ich war immer sauber.
Was mich immer am meisten belastet hat,
war der Punkt, dass du nicht weißt, wo du schlafen kannst.
Mein Kopf war ein einziges Chaos.
Ich glaube, dass ich mich immer mit Humor über Wasser halten konnte.
Eine sehr symbolische Situation von der Zeit auf der Straße war,
als ich wirklich sehr am Boden war, sehr, sehr hungrig war,
ich eines Tages an einer Bäckerei vorbeigeschlingert war,
außen alles mit Berlinern, Krapfen,
und mir ist das Wasser nur so aus dem Mund geflossen.
Ich bin dann in die Bäckerei rein und hab den Verkäufer gefragt,
ob ich was umsonst haben könnte.
Er hat mir mitgeteilt, dass er das nicht machen kann,
sonst würde da der nächste stehen, der was umsonst haben will.
Mir hatte 2 Tage vorher jemand einen Witz erzählt,
den ich unglaublich lustig fand, den ich leider heute nicht mehr kann.
Jedenfalls, ich hab den Witz erzählt und er schaut mich an
und dann gehen seine Winkel hoch und er lacht mich herzlich an.
Und ich lach ihn herzlich an, eine super schöne Situation.
Ich bin dann mit 'ner Tüte rausgegangen.
Und wer weiß, vielleicht war das ein kleines Zeichen,
du musst was mit Humor machen.
Vielleicht ist es Schicksal, dass ich das mache, was ich mache.
Der Weg zum YouTuber/Influencer, den ich jetzt gegangen bin,
war auf jeden Fall ein steiniger.
Ich wusste, dass ich selber was machen muss,
weshalb ich mich aktiv drum gekümmert hab, wieder ins Leben zu kommen,
indem ich als erstes mich mit meiner Mutter gut gestellt habe.
Ich konnte dann erst mal zu ihr.
Zu der Phase hatte ich mich auf YouTube konzentriert.
Ich hab's dann versucht, hab mir 'ne Kamera gekauft,
ich hab mich hingesetzt, ein Video gemacht, hab's hochgeladen
und es Leuten gezeigt, die fanden das auch lustig.
Aber irgendwann hab ich gemerkt, du kannst nur was reißen,
wenn du alles auf eine Karte setzt.
Alles bremsen und 100 % auf deinen Traum setzen.
Deshalb hab ich gesagt, du gehst jetzt hier weg
und fängst bei null an.
Ich hab mich mit 25,5 entschieden, nach Berlin zu fahren.
Genau zu der Zeit hat sich zugetragen,
dass ich Kontakt aufgebaut hab zu anderen Influencern/YouTubern.
Und dann war wirklich die Phase, wo es Schlag auf Schlag kam.
Meine Ziele sind definitiv Kino. Ich würde gerne Kinofilme machen.
Was mir auch sehr wichtig wäre, ist, meine Mutter komplett zu finanzieren.
Was ich sehr gerne machen würde, weil ich mitbekommen habe,
wie heftig das ist, auf der Straße zu leben,
und es gibt extrem viele Jugendliche, die auf der Straße leben,
ist, eine Stiftung machen für Obdachlose.
* Titelmusik *
Untertitel: ARD Text im Auftrag von funk (2019)