Bevor Kim Jong-un berühmt wurde… | KURZBIOGRAPHIE
Manchmal wirkt er wie ein Riesenbaby, das nur spielen will.
Aber seien wir mal ehrlich,
Kim Jong-un ist ein unberechenbarer Tyrann.
Doch wie wird man zu so einem Menschen,
der die ganze Welt in Atem hält?
Kaum ein anderer scharrt so viele Geheimnisse um sich
wie der oberste Führer Nordkoreas.
"Der Biograph" möchte Licht ins Dunkle bringen.
(Kratzender Stift)
(Ruhige Trompetenmusik)
Angst und Bange sei auch Kenji Fujimoto gewesen,
als er die Kinder der nordkoreanischen Herrscherfamilie Kim
zum ersten Mal kennenlernen sollte.
Der Japaner war nach Pjöngjang gekommen,
um als privater Sushi-Koch für den Palast zu dienen.
Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals,
als er sich in die Schlange des Personals einreihte,
um die beiden Kim-Söhne zu begrüßen.
Zuerst war der zehnjährige Jong-chol an der Reihe
dann folgte der vier Jahre jüngere Jong-un.
Fujimoto erinnert sich, dass Jong-un ihn angestarrt habe,
als wolle er sagen:
"Du abscheulicher Japaner."
Denn Kim Jong-un hasste sie,
das wusste er schon als Sechsjähriger.
So war er schließlich aufgewachsen.
Woher seine Feindseligkeit rührte,
dafür müssen wir kurz etwas zurückspulen.
(Surren)
Im Jahr 1910 hat sich das kaiserliche Japan
die Halbinsel Korea angeeignet.
35 Jahre lang befand sich Korea unter brutaler Kolonialherrschaft.
Die Männer mussten in japanischen Fabriken
Zwangsarbeit leisten,
während koreanische Frauen und Mädchen zu Zehntausenden
als sogenannte "Trostfrauen" zwangsprostituiert wurden.
Doch koreanische Partisanen vereinigten sich,
um gegen die widerrechtliche Aneignung Koreas zu rebellieren.
Ihr Anführer hieß Kim Il-sung.
Kein geringerer als Kim Jong-uns Großvater.
Nach der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg
teilten die Siegermächte Korea unter sich auf.
Aus dem nördlichen Teil des Landes sollte ein Arbeiter- und Bauernstaat
nach kommunistischen Vorstellungen entstehen,
mit Kim Il-sung an dessen Spitze.
Das Volk vergötterte ihn schließlich als furchtlosen Partisanenkämpfer.
Ob er halten wird, was er verspricht, dazu kommen wir gleich.
Erst einmal zurück in die 90er-Jahre.
Eine Zeit, in der Kim Jong-un bereits als Kind gemerkt zu haben schien,
dass in ihm das Heldenblut seines Großvaters floss.
Zu seinem achten Geburtstag kamen keine Gleichaltrigen,
nein, vor dem Jungen verbeugten sich hochrangige Würdenträger.
Dazu spielte die damals beliebteste Band des Landes
ein ganz besonderes Lied zu seinen Ehren.
Und der Achtjährige fand zügig Gefallen daran,
Befehle zu erteilen, erzählt seine Tante heute.
Dementsprechend gefiel ihm der Spitzname,
den ihm der inzwischen zum Freund gewordene Fujimoto gegeben hatte.
Mittlerweile schien es egal, dass er Japaner war,
immerhin eignete er sich wunderbar als Spielkamerad für die Brüder.
Dinge, um die Jungs zu beschäftigen, hatten die Kims gewiss genug.
Sowohl im Palast in Pjöngjang, als auch am Feriendomizil Wonsan.
Es waren Spielsachen, die im Westen durchaus normal sind,
von denen andere nordkoreanische Kinder
aber bis heute nur träumen können.
Am liebsten beschäftigte sich Jong-un mit kleinen Maschinen.
Er wollte immer herausfinden, wie diese funktionierten.
Seine Tante sagt, er konnte schon als Kind sehr obsessiv sein.
(Lockere Musik)
Und so wuchs Kim Jong-un in einer Welt auf,
in der sich alles um ihn drehte.
Er hatte Privatlehrer, Trainer, die mit ihm Basketball spielten,
Chauffeure und Leibwächter.
Das Buffet der Kims war ständig reichlich gedeckt.
Doch während sich Kim Jong-un gegrillten Fasan in den Mund schob,
erlitten die Menschen außerhalb der Palastmauern
eine der verheerendsten Hungersnöte des 20. Jahrhunderts.
Mit der Zerfall der Sowjetunion
und des kommunistischen Blocks in der Weltpolitik
brachen für Nordkorea die wichtigsten Verbündeten und Wohltäter weg.
Sie hatten die Republik jahrelang mit Lebensmittellieferungen unterstützt.
Hinzu kamen Überschwemmungen und Dürren,
die die ohnehin spärlichen Ernteerträge
im eigenen Land vernichteten.
Empirische Erhebungen gehen davon aus,
dass bis zu 600.000 Nordkoreaner an den Folgen des Hungers starben.
Von dieser schweren Katastrophe bekam der Mann,
der für die jahrelange Misswirtschaft verantwortlich war,
nichts mehr mit.
Denn der "Große Führer" Kim Il-sung
starb 1994 an einem Herzinfarkt.
Nicht aber, ohne vorher noch die Nachfolge durchzusetzen,
obwohl es im Sozialismus eigentlich keine Dynastien gibt.
Um seinen Sohn, also Kim Jong-uns Vater,
zum würdigen Nachfolger zu machen,
erfand das Regime kurzerhand einen Mythos.
Kim Jong-il verfüge über nicht weniger als Gottesgnaden
und sei auserkoren, die Republik anzuführen.
Zu wahnsinnig, um wahr zu sein.
Und doch wurden dem Volk Unmengen solcher Mythen als Wahrheit verkauft.
Wer die Propaganda infrage stellte,
musste noch mehr darunter leiden als sowieso schon.
Nahrungsmittel wurden schließlich abhängig von Regimetreue,
Geschlecht, Alter und Wohnort verteilt.
Kim Jong-un nahm davon wahrscheinlich wenig Notiz.
Er selbst zog zu dieser Zeit nach Bern in die Schweiz,
um dort eine Privatschule zu besuchen,
die ihm Jahr 20.000 Euro Schulgeld kostete.
Um kein Aufsehen zu erregen, gab er sich als Sohn
einer nordkoreanischen Diplomatenfamilie aus.
Tante und Onkel mimten die Eltern.
Dort kam Kim Jong-un das erste Mal mit der normalen Welt in Kontakt.
Nur in den Ferien ging's bei den falschen Kims
etwas nobler zu als bei den Schweizern aus der Nachbarschaft.
Aber auch auf früheren Klassenfotos
sprang einem Kim Jong-un direkt ins Auge.
Nicht, weil er aus einem anderen Land kam,
denn die Schule war sehr international ausgerichtet,
sondern weil er als einziger Schüler nur Trainingsanzüge trug
und keine Jeans.
Die waren nämlich ein Symbol für die verachteten Kapitalisten
aus Amerika.
So weit differenzierte er.
Doch auf gewisse Markenklamotten aus dem Feindesstaat
wollte der Teenager doch nicht verzichten.
Sozialismus hin oder her.
(Lebhafte Musik)
Seine Schulnoten waren eher mäßig.
Gerade im Deutschen hatte er so seine Probleme.
Dass Kim Jong-un Schwierigkeiten hatte,
sich in unserer Sprache auszudrücken, sei ihm äußerst unangenehm gewesen.
Also blieb er eher ein stiller und zurückhaltender Schüler,
dem seine Noten und Fehlzeiten relativ egal waren.
Etwas ambitionierter zeigte er sich dagegen auf dem Basketballfeld.
Einer seiner damaligen Mitschüler erinnert sich,
dass er wie entfesselt spielte und wahnsinnig schlecht verlieren konnte.
Wenn es bescheiden für ihn lief,
schlug er manchmal sogar den Kopf gegen die Wand.
Diese Aggressivität imponierte seinem Vater, Kim Jong-il.
Er wollte die Macht wiederum an eines seiner Kinder weitergeben,
und Kim Jong-un habe genau das richtige Temperament,
um das Land zu beherrschen.
Keines seiner anderen Kinder empfand er als so rigoros
und autoritär wie Jong-un.
Um sich auf seinen zukünftigen Posten vorzubereiten,
besuchte Kim Jong-un nach der Rückkehr nach Nordkorea
die Militärakademie und studierte dort
"Militärische Führung" nach der Ideologie seines Großvaters.
Hier lernte er schwarz auf weiß, dass hinter dem "Großen Führer"
an erster Stelle das Militär steht.
kaum zu glauben, dass der einst so schlechte Schüler
die Akademie als bester Student
mit Auszeichnung abgeschlossen haben soll.
Oder?
Sein Debüt als Nachfolger seines Vater
gab Kim Jong-un im Alter von 26 Jahren
bei der größten Militärparade in der Geschichte Nordkoreas.
Sein Vater war sichtlich geschwächt
und starb schließlich knapp ein Jahr später.
Laut nordkoreanischen Medien an einem Herzinfarkt.
Das Volk wähnte sich zu diesem Zeitpunkt
noch in der leisen Hoffnung, dass Kim Jong-un
offen für eine Politik der Annäherung sei.
Immerhin habe er ja einige Zeit in Europa gelebt.
Und vielleicht sah es für einen kurzen Moment auch danach aus.
Ausnahmsweise ließ Kim Jong-un für die Veranstaltung nämlich
ausländische Journalisten ins Land
und gewährte ihnen sogar Zugang zum Internet.
Doch nicht etwa, weil er der große Reformer war,
den sich die Bevölkerung so sehr wünschte,
sondern weil er wollte,
dass die ganze Welt über ihn berichtet.
Dass die großen Player der Weltpolitik sehen,
wie stark die militärische Macht ist, die sich hinter ihm vereinigt.
Mitsamt seinem Arsenal an Nuklearwaffen.
Bis heute entscheidet Kim Jong-un nach Lust und Laune,
welche Informationen aus seinem Land in die Welt heraussickern.
Das macht es auch so komplex,
unanfechtbare Quellen zu seinem Leben zu finden.
"Der Biograph" hat sich für dieses Video
auf Bücher einer Washington Post-Journalistin
und einer CIA-Analystin gestützt,
die mit verschiedenen Menschen aus seinem Umfeld gesprochen haben.
Wer noch etwas tiefer in Kim Jong-uns totalitäres Regime eintauchen möchte,
der sollte sich dieses Video von "Simplicissimus" unbedingt ansehen.
Und eine weitere, interessante Kurzbiografie
ist hier ebenfalls verlinkt.
Bis zur nächsten Inspiration!
"Der Biograph".