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Der Schatz von Franchard - Robert Louis Stevenson, Zweites Kapitel - Eine Morgenunterhaltung - 02

Zweites Kapitel - Eine Morgenunterhaltung - 02

Doktor Desprez nahm auf dem gegenüberliegenden Pfosten Platz. Er fing an, der Unterhaltung Interesse abzugewinnen, denn es war klar, daß der Junge vor dem Reden nachdachte und daß er wahrheitsgemäß zu antworten suchte. »Es scheint also, daß du Geschmack am Gutsein findest«, sagte der Doktor. »Darin gibst du mir allerdings ein Rätsel auf; denn ich dachte, du sagtest, du seist ein Dieb; und beides ist unvereinbar.«

»Ist Stehlen denn so schlimm?« fragte Jean-Marie.

»Es gilt im allgemeinen dafür, mein Jungchen«, erwiderte der Doktor.

»Nein; ich meine, so wie ich gestohlen habe«, erklärte der andere. »Ich konnte ja gar nicht anders. Ich meine, es ist doch recht, Brot zu haben; es muß doch recht sein, weil man es so entbehrt, wenn man es nicht hat. Dann haben sie mich auch schrecklich geschlagen, wenn ich ohne etwas heimkam«, fügte er hinzu. »Ich wußte schon, was gut und böse ist; vordem hat mich ein Priester ganz genau unterrichtet, und er war sehr gut zu mir.« (Der Doktor schnitt bei dem Ausdruck »Priester« eine gräßliche Fratze.) »Es schien mir etwas ganz anderes zu sein, wenn man nichts zu essen hat und dafür geschlagen wird. Ich hätte ja, glaube ich, keinen Kuchen gestohlen; aber Bäckerbrot hätte doch jeder genommen.«

»Und dann,« sagte der Doktor mit immer höhnischerer Grimasse, »hast du vermutlich Gott um Verzeihung gebeten und ihm den Fall haarklein auseinandergesetzt.«

»Warum denn, Herr?« fragte Jean-Marie. »Ich verstehe Sie nicht.«

»Dein Priester würde mich schon verstehen«, entgegnete Desprez.

»Meinen Sie?« fragte, zum erstenmal beunruhigt, der Junge. »Ich glaubte immer, Gott wüßte Bescheid.«

»Was?« knurrte bissig der Doktor.

»Ich glaubte immer, Gott würde mich verstehen«, versetzte der andere. »Sie verstehen mich, wie ich sehe, nicht; aber Gott hat mir doch den Gedanken eingegeben, nicht wahr?«

»Jungchen, Jungchen,« sagte Doktor Desprez, »habe ich dir nicht gesagt, daß du die Laster der Philosophen besaßest; wenn du obendrein noch ihre Tugenden zeigst, so muß ich gehen. Ich bin Studierender der göttlichen Lehren der Gesundheit, ein Beobachter der schlichten und mäßigen Natur auf ihren täglichen Gängen, und ich bin außerstande, in Gegenwart eines Ungeheuers meinen Gleichmut zu bewahren. Hast du mich verstanden?«

»Nein, Herr«, sagte der Junge.

»Ich will dir klarmachen, was ich meine«, entgegnete der Doktor. »Betrachte einmal den Himmel – zuerst dort hinter dem Glockenturm, wo er so licht ist, dann höher und immer höher – beug nur den Kopf ganz zurück – bis an den Scheitelpunkt der Kuppel, –wo sie schon blau wie am Mittag ist. Ist das nicht eine schöne Farbe? Erfreut sie nicht das Herz? Wir haben sie unser Leben lang gesehen, bis sie uns zur Gewohnheit geworden ist. Jetzt«, in einen anderen Ton fallend, »nimm einmal an, der Himmel würde plötzlich glühend und grell bernsteinfarben, wie lebendige Kohlen, und am Scheitelpunkt scharlachrot – ich will nicht sagen, daß er weniger schön wäre; aber würde er dir so gut gefallen?«

»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Jean-Marie.

»Ebensowenig kann ich dich leiden«, entgegnete schroff der Doktor. »Ich hasse alle merkwürdigen Menschen, und du bist der seltsamste kleine Junge von der Welt.« Jean-Marie schien eine Weile tief nachzudenken, hob dann den Kopf und sah den Doktor mit einem Blick aufrichtiger Wißbegierde an. »Sind Sie denn aber nicht auch ein recht seltsamer Herr?« fragte er.

Der Doktor warf seinen Stock weg, sprang auf den Jungen zu, drückte ihn an die Brust und küßte ihn auf beide Wangen. »Göttlicher, göttlicher Schlingel!« schrie er. »Welch ein Morgen, welch eine Stunde für einen zweiundvierzigjährigen Theoretiker! Nein,« fuhr er zum Himmel gewendet fort, »ich wußte nicht, daß solche Jungen existieren; ich ahnte nicht, daß ihresgleichen erschaffen waren; ich zweifelte an meiner Rasse, – und jetzt! Es ist,« fügte er hinzu und hob den Stock auf, »es ist, als hätten sich zwei Liebende gefunden. Ich habe in einem Augenblick der Begeisterung meinen Lieblingsstock beschädigt. Der Schaden ist jedoch gering.« Er entdeckte, daß der Junge ihn offensichtlich erstaunt, verlegen und erschrocken anblickte. »Hallo!« sagte er, »warum siehst du mich so an? Donnerwetter, ich glaube gar, der Junge verachtet mich. Verachtest du mich. Junge?«

»Ach nein«, erwiderte ernsthaft Jean-Marie; »ich verstehe nur nicht.«

»Sie müssen mich entschuldigen, Herr«, entgegnete gesetzt der Doktor, »ich bin ja noch so jung. Hol' ihn der Teufel!« fügte er zu sich selbst hinzu, begab sich wieder aus seinen Platz und beobachtete den Jungen ironisch. »Er hat mir meine Morgenruhe gestört«, dachte er. »Ich werde den ganzen Tag über nervös sein und mir während der Verdauung ein Fieberchen holen. Fassen wir uns!« Damit wandte er sich mit einiger Willensanstrengung, in der er sich seit langem geübt hatte, von dem ab, was ihn beschäftigte, und ließ seine Seele in beschaulicher Betrachtung des Morgens in die Ferne schweifen. Kritisch sog er die Luft ein, wie ein Kenner den Wein, und atmete sie langsam mit hygienischem Behagen wieder aus. Er zählte die Wölkchen am Himmel und tat es den Vögeln nach, die um den Kirchturm kreisten. In weitem Bogen schossen die Gedanken zum Himmel, verharrten ein Weilchen in der Schwebe, schlugen in der Phantasie luftige Purzelbäume oder regten im Winde die imaginären Flügel. Und so gewann er den Frieden der Seele und seine animalische Ruhe zurück, ward sich seiner Glieder, seiner Augen bewußt, bewußt, daß die Luft sich kühl wie eine Frucht an seinen Gaumen legte, und begann schließlich vollkommen entzückt zu singen. Der Doktor kannte nur eine einzige Melodie: ›Marlborough s'en va-t-en guerre‹, und auch mit der stand er auf reinem Grußfuß. Seine musikalischen Exkursionen waren daher stets nur Momenten der Einsamkeit und vollkommenen Glücks vorbehalten.

Ein schmerzlicher Ausdruck auf dem Gesichte des Jungen rief ihn unvermittelt zur Erde zurück. »Was hältst du von meinem Singen?« fragte er, mitten in einer Zeile innehaltend, und wiederholte, nachdem er eine Weile vergeblich auf Antwort gewartet hatte, gebieterisch: »Was hältst du davon?«

»Es gefällt mir nicht«, stammelte Jean-Marie.

»Na, Na!« rief der Doktor. »Kannst du etwa selber singen?«

»Besser als das schon«, antwortete der Junge.

Der Doktor starrte ihn einen Augenblick versteinert an. Er fühlte, daß er sich ärgerte, mußte über sieh selbst erröten und wurde folglich noch ärgerlicher. »Wenn das die Art ist, in der du mit deinem Herrn redest!« meinte er schließlich achselzuckend und gestikulierend.

»Mit ihm rede ich überhaupt nicht«, erwiderte der Junge. »Ich mag ihn nicht leiden.«

»Mich magst du also leiden?« versetzte Doktor Desprez bissig und mit ungewöhnlichem Eifer.

»Ich weiß nicht«, antwortete Jean-Marie.

Der Doktor erhob sich. »Ich wünsche dir guten Morgen«, sagte er. »Du bist zuviel für mich. Vielleicht hast du Blut in den Adern, vielleicht himmlischen Chor, vielleicht kreist auch nichts Gröberes als respirable Luft in dir. Von einem bin ich jedenfalls unauslöschlich überzeugt: du bist kein menschliches Wesen. Nein, Junge,« – er drohte ihm mit dem Stock – »ein menschliches Wesen bist du nicht. Merke es dir, grab es in dein Gedächtnis ein. – Ich bin kein menschliches Wesen, habe keinen Anspruch darauf, ein menschliches Wesen zu sein – ich bin ein Traum, ein Engel, ein Akrostichon, ein Wahngebilde, kurz, was du willst, nur kein menschliches Wesen. Und hiermit genehmige meinen untertänigsten Gruß und gehab dich wohl!«

Mit diesen Worten machte sich der Doktor in nicht gelinder Aufregung die Straße hinab und davon, und ließ den Jungen innerlich starr vor Staunen zurück.

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Zweites Kapitel - Eine Morgenunterhaltung - 02 Second|||morning conversation Second chapter - A morning conversation - 02 Capítulo Dos - Una conversación matutina - 02 Hoofdstuk Twee - Een Ochtendgesprek - 02 Capítulo Dois - Uma conversa matinal - 02 Kapitel två - Ett morgonsamtal - 02

Doktor Desprez nahm auf dem gegenüberliegenden Pfosten Platz. |||||对面的|柱子| |||||opposite|post| |||||oposto|poste| |||||противоположном|столбе| Doctor Desprez took a seat on the opposite post. Er fing an, der Unterhaltung Interesse abzugewinnen, denn es war klar, daß der Junge vor dem Reden nachdachte und daß er wahrheitsgemäß zu antworten suchte. ||||谈话||获得|||||||||||||||真实地||| |began|||conversation|interest|to gain|||||||||||thought||||truthfully|||sought ||||||ganhar|||||||||||||||verazmente||| ||||разговору||выигрывать интерес|||||||||||подумал||||правдиво||| »Es scheint also, daß du Geschmack am Gutsein findest«, sagte der Doktor. |||||品味||做好人|||| |||||taste|in|goodness|find||| |||||gosto||bondade|||| |||||||быть добрым|||| "So it seems that you have a taste for being good," said the doctor. »Darin gibst du mir allerdings ein Rätsel auf; denn ich dachte, du sagtest, du seist ein Dieb; und beides ist unvereinbar.« ||||однако||загадку||||||||есть||вор||||несовместимо ||||however||riddle||||||said||are||thief||both||incompatible ||||||||||||||sejas||||||incompatível ||||||||||||||你是||||||不相容 »You are indeed presenting me with a riddle; for I thought you said you were a thief; and both cannot be true.«

»Ist Stehlen denn so schlimm?« fragte Jean-Marie. |偷窃|||||| |Stealing|||||| ||||grave||| »Is stealing really so bad?« asked Jean-Marie.

»Es gilt im allgemeinen dafür, mein Jungchen«, erwiderte der Doktor. ||||||小家伙||| |applies|||||little boy|replied|| |vale||geral|||||| ||||||мальчик||| »In general, it is considered so, my boy«, replied the doctor.

»Nein; ich meine, so wie ich gestohlen habe«, erklärte der andere. ||||||stolen||explained|| "No; I mean, the way I stole," explained the other. »Ich konnte ja gar nicht anders. |could|||| I couldn't do anything else. Ich meine, es ist doch recht, Brot zu haben; es muß doch recht sein, weil man es so entbehrt, wenn man es nicht hat. ||||всё-таки||||||||||||||недостаток||||| ||||||||||||||||||lacks||||| ||||||||||||||||||falta||||| ||||||||||||||||||缺乏||||| I mean, it's quite right to have bread; it must be right because one misses it so much when one doesn't have it. Dann haben sie mich auch schrecklich geschlagen, wenn ich ohne etwas heimkam«, fügte er hinzu. |||||||||||домой пришёл||| |||||terribly||||||home|added||added ||||||batido|||||||| ||||||||||||补充说|| Then they also beat me terribly when I came home without something," he added. »Ich wußte schon, was gut und böse ist; vordem hat mich ein Priester ganz genau unterrichtet, und er war sehr gut zu mir.« (Der Doktor schnitt bei dem Ausdruck »Priester« eine gräßliche Fratze.) ||||||||之前||||牧师|||||||||||||||||||可怕的|可怕的面孔 |knew|||||||before||||priest|||taught|||||||||||||expression|||terrible|grimace ||||||||antes disso|||||||||||||||||cortou|||||||careta horrível ||||||||до этого|||||||учил||||||||||сделал||||||ужасная|гримаса "I already knew what was good and what was bad; a priest taught me very well before, and he was very good to me." (The doctor grimaced horribly at the word "priest".) »Es schien mir etwas ganz anderes zu sein, wenn man nichts zu essen hat und dafür geschlagen wird. |||||||||||||||for that|beaten| "It seemed very different to me when you have nothing to eat and are beaten for it. Ich hätte ja, glaube ich, keinen Kuchen gestohlen; aber Bäckerbrot hätte doch jeder genommen.« |||||||||面包|||| |||||no|cake|||baker's bread|would have||everyone|taken |||||||||pão de padeiro||||pegado |||||||||булка|||| I don't think I would have stolen a cake, but anyone would have taken baker's bread."

»Und dann,« sagte der Doktor mit immer höhnischerer Grimasse, »hast du vermutlich Gott um Verzeihung gebeten und ihm den Fall haarklein auseinandergesetzt.« |||||||讽刺的|面部表情|||可能|||宽恕||||||详细说明|详细说明 |||||||more mockingly|grimace|||presumably|God||forgiveness|asked||||case|hair finely|laid out |||||||mais zombeteiro||||provavelmente|||Perdão||||||minuciosamente| |||||||все более насмешливой|гримасой|||вероятно|||прощение||||||в мельчайших деталях|изложил "And then," said the doctor with an increasingly scornful grimace, "you probably asked God for forgiveness and explained the case to him in detail."

»Warum denn, Herr?« fragte Jean-Marie. "Why is that, sir?" asked Jean-Marie. »Ich verstehe Sie nicht.«

»Dein Priester würde mich schon verstehen«, entgegnete Desprez. ||||||ответил| |priest|would||already||replied| "Your priest would understand me," replied Desprez.

»Meinen Sie?« fragte, zum erstenmal beunruhigt, der Junge. ||||first time|worried|| "Do you think so?" asked the boy, worried for the first time. »Ich glaubte immer, Gott wüßte Bescheid.« |||||情况了解 ||||would know|about it |||||informação |||||в курсе "I always believed that God knew."

»Was?« knurrte bissig der Doktor. |咆哮|尖刻地|| |growled|snappily|| ||com raiva|| |сказал|язвительно|| "What?" growled the doctor caustically.

»Ich glaubte immer, Gott würde mich verstehen«, versetzte der andere. Я|||||||ответил|| |believed|always||would|||replied|| |||||||respondeu|| "I always thought God would understand me," the other replied. »Sie verstehen mich, wie ich sehe, nicht; aber Gott hat mir doch den Gedanken eingegeben, nicht wahr?« ||||||||||||||输入的|| |understand||||see||||||but|||given|not|right ||||||||||||||вложил|| "You don't understand me, from what I see, do you? But God has still inspired the thought in me, hasn't He?"

»Jungchen, Jungchen,« sagte Doktor Desprez, »habe ich dir nicht gesagt, daß du die Laster der Philosophen besaßest; wenn du obendrein noch ihre Tugenden zeigst, so muß ich gehen. |||||||||||||缺点|||拥有|||而且还|||||||| ||||||||||||the|vices|||owned|||on top|||virtues||||| |||||||||||||vícios|||possuias|||além disso|||virtudes||||| |||||||||||||пороки|||обладаешь|||вдобавок|||добродетели|показываешь|||| "Boy, boy," said Doctor Desprez, "didn't I tell you that you possess the vices of philosophers; if you also show their virtues, then I must leave. Ich bin Studierender der göttlichen Lehren der Gesundheit, ein Beobachter der schlichten und mäßigen Natur auf ihren täglichen Gängen, und ich bin außerstande, in Gegenwart eines Ungeheuers meinen Gleichmut zu bewahren. ||студент||божественных|||||||простой||умеренной||||ежедневных|путешествиях||||не в состоянии||присутствии||чудовища||спокойствие||хранить ||student||||||a|observer||simple|||||||paths||||unable||||monster||equanimity||maintain ||estudante|||||||||simples||moderada|||||caminhadas||||incapaz||presença||||tranquilidade calma serenidade||manter a calma |||||||||观察者||简化||适度的|||||||||无法||存在||怪物||平静|| I am a student of the divine teachings of health, an observer of simple and moderate nature on its daily walks, and I am unable to maintain my composure in the presence of a monster. Hast du mich verstanden?« Did you understand me?"

»Nein, Herr«, sagte der Junge. "No, sir," said the boy.

»Ich will dir klarmachen, was ich meine«, entgegnete der Doktor. |||让你明白|||||| |||make clear|||||| |||deixar claro|||||| |||объяснить||||ответил|| "I will explain what I mean to you," the doctor replied. »Betrachte einmal den Himmel – zuerst dort hinter dem Glockenturm, wo er so licht ist, dann höher und immer höher – beug nur den Kopf ganz zurück – bis an den Scheitelpunkt der Kuppel, –wo sie schon blau wie am Mittag ist. 观察|||||||||||||||||||仰起|||||||||顶点||穹顶|||||||| ||||||||bell tower|||||||||||bend|||||||||apex|||||||||| Considere|||||||||||||||||||incline|||||||||ponto mais alto||cúpula|||||||| посмотри||||||||колокольня|||||||||||наклони|||||||||вершина||купол|||||||| "Look at the sky - first there behind the bell tower, where it is so bright, then higher and higher - just tilt your head all the way back - up to the apex of the dome, where it's already as blue as at noon. Ist das nicht eine schöne Farbe? Isn't that a beautiful color? Erfreut sie nicht das Herz? Doesn't it warm your heart? Wir haben sie unser Leben lang gesehen, bis sie uns zur Gewohnheit geworden ist. We have seen it all our lives, until it has become a habit to us. Jetzt«, in einen anderen Ton fallend, »nimm einmal an, der Himmel würde plötzlich glühend und grell bernsteinfarben, wie lebendige Kohlen, und am Scheitelpunkt scharlachrot – ich will nicht sagen, daß er weniger schön wäre; aber würde er dir so gut gefallen?« |||||下降的||||||||炽热的||刺眼的|琥珀色||||||顶点|猩红色|||||||||||||||| |||||falling||||||||glowing||bright|amber-colored||living|coals|||apex|scarlet|||||||||||||||| |||||||||||||||brilhante e intenso|cor de âmbar||||||ponto mais alto|carmesim|||||||||||||||| |||||падая||||||||пылающий||ярко|янтарного цвета||живые|угли|||вершина|алый||||||||||но|||||| Now," changing to a different tone, "imagine if the sky suddenly turned glowing and bright amber, like live coals, and scarlet red at the apex - I won't say it would be any less beautiful; but would you like it as much?"

»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Jean-Marie. "Probably not," Jean-Marie replied.

»Ebensowenig kann ich dich leiden«, entgegnete schroff der Doktor. 同样不||||||粗鲁地|| da mesma forma||||suportar você||rude|| также не||||терпеть||резко|| "I can't stand you either," the doctor retorted brusquely. »Ich hasse alle merkwürdigen Menschen, und du bist der seltsamste kleine Junge von der Welt.« Jean-Marie schien eine Weile tief nachzudenken, hob dann den Kopf und sah den Doktor mit einem Blick aufrichtiger Wißbegierde an. |ненавижу||странные||||||самый странный||||||||||||||||||||||||который|любопытства| |||strange||||||||||||||||||||||||||||||more genuine|curiosity| |||estranhos||||||mais estranho||||||||||||||||||||||||mais sincera|curiosidade intelectual| |||奇怪的||||||||||||||||||||||||||||||真诚的|好奇心| "I hate all peculiar people, and you are the strangest little boy in the world." Jean-Marie seemed to think deeply for a while, then lifted his head and looked at the doctor with a sincere look of curiosity. »Sind Sie denn aber nicht auch ein recht seltsamer Herr?« fragte er. ||||||||странный||| ||||||||estranho||| "But aren't you also a rather strange gentleman?" he asked.

Der Doktor warf seinen Stock weg, sprang auf den Jungen zu, drückte ihn an die Brust und küßte ihn auf beide Wangen. ||||палка||||||||||||||||| |||||||||||||||||kissed|||| |||||||||||||||||beijou||||bochechas The doctor threw away his cane, rushed towards the boy, hugged him tightly, and kissed him on both cheeks. »Göttlicher, göttlicher Schlingel!« schrie er. Божественный|божественный|шалун|| divine|divine|rascal|| ||rapaz travesso|| ||调皮鬼|| "Divine, divine rascal!" he exclaimed. »Welch ein Morgen, welch eine Stunde für einen zweiundvierzigjährigen Theoretiker! какой||утро|какой|||||сорокадвухлетний|теоретик ||||||||forty-two-year|theorist que||||||||| ||||||||四十二岁的|理论家 "What a morning, what an hour for a forty-two-year-old theorist! Nein,« fuhr er zum Himmel gewendet fort, »ich wußte nicht, daß solche Jungen existieren; ich ahnte nicht, daß ihresgleichen erschaffen waren; ich zweifelte an meiner Rasse, – und jetzt! |||||朝天的||||||||||猜到|||你们的同类||||||||| ||||||||||||||||||their kind||||||||| |||||||||||||||suspeitava|||semelhantes|criados foram|||||||| |||||повернувшись|уехал|||||||||||||созданы|||||||| "No," he continued, looking up to the sky, "I did not know that such boys exist; I did not realize that they were created; I doubted my race - and now! Es ist,« fügte er hinzu und hob den Stock auf, »es ist, als hätten sich zwei Liebende gefunden. ||补充说||||||||||||||爱人| ||||||||||||||||влюбленные| "It's," he added, picking up the stick, "as if two lovers have found each other. Ich habe in einem Augenblick der Begeisterung meinen Lieblingsstock beschädigt. ||||||||最喜欢的手杖| ||||||||favorite stick|damaged ||||||entusiasmo||bastão favorito|danificado |||||||||повредил I have damaged my favorite stick in a moment of enthusiasm. Der Schaden ist jedoch gering.« Er entdeckte, daß der Junge ihn offensichtlich erstaunt, verlegen und erschrocken anblickte. |||||||||||||尴尬||| |damage||||||||||obviously||||| |dano|||baixo|||||||||envergonhado||| However, the damage is minor." He noticed that the boy was clearly looking at him with surprise, embarrassment, and shock. »Hallo!« sagte er, »warum siehst du mich so an? "Hello!" he said, "why are you looking at me like that? Donnerwetter, ich glaube gar, der Junge verachtet mich. 天哪||||||鄙视| Goodness gracious||||||despises| Nossa senhora||||||despreza| By Jove, I believe the boy despises me. Verachtest du mich. 轻视|| Do you despise|| Você me despreza|| Do you despise me, boy?" Junge?« "Oh no," Jean-Marie replied seriously, "I simply do not understand."

»Ach nein«, erwiderte ernsthaft Jean-Marie; »ich verstehe nur nicht.« |||seriously|||||| "You must excuse me, sir," the doctor replied calmly, "I am still so young.

»Sie müssen mich entschuldigen, Herr«, entgegnete gesetzt der Doktor, »ich bin ja noch so jung. Hol' ihn der Teufel!« fügte er zu sich selbst hinzu, begab sich wieder aus seinen Platz und beobachtete den Jungen ironisch. ||||||||||||||||||||讽刺地 ||the||||||himself|||||||||||| "Damn it!" he added to himself, returned to his spot, and observed the boy ironically. »Er hat mir meine Morgenruhe gestört«, dachte er. ||||早晨宁静||| ||||morning peace||| "He has disturbed my morning peace," he thought. »Ich werde den ganzen Tag über nervös sein und mir während der Verdauung ein Fieberchen holen. ||||||||||||消化||小发烧| ||||||||||||digestion||little fever| ||||||||||||digestão||febre leve| ||||||||||||пищеварение||| "I will be nervous all day and will catch a slight fever during digestion. Fassen wir uns!« Damit wandte er sich mit einiger Willensanstrengung, in der er sich seit langem geübt hatte, von dem ab, was ihn beschäftigte, und ließ seine Seele in beschaulicher Betrachtung des Morgens in die Ferne schweifen. |||||||||意志努力|||||||练习过|||||||||||||沉思的|沉思||||||漫游 |||||||||willpower||||||||||||||||||||contemplative||||||| Acalme-se|||||||||esforço de vontade|||||||praticado|||||||ocupava||||||contemplativo|consideração contemplativa||||||divagar |||||||||||||||||||||||||||||созерцательной||||||| Let's pull ourselves together!" With some effort of will that he had long practiced, he turned away from what was troubling him and let his soul wander into contemplation of the morning in the distance. Kritisch sog er die Luft ein, wie ein Kenner den Wein, und atmete sie langsam mit hygienischem Behagen wieder aus. ||||||||行家||||||||卫生的|舒适|| ||||||||||wine||||||hygienic||| |sugou||||||||||||||||conforto higiênico|| Critically, he inhaled the air like a connoisseur tasting wine, slowly exhaling with hygienic pleasure. Er zählte die Wölkchen am Himmel und tat es den Vögeln nach, die um den Kirchturm kreisten. |||小云朵||||||||||||| ||||||||||||||||circled He counted the little clouds in the sky and mimicked the birds circling the church tower. In weitem Bogen schossen die Gedanken zum Himmel, verharrten ein Weilchen in der Schwebe, schlugen in der Phantasie luftige Purzelbäume oder regten im Winde die imaginären Flügel. ||弧形||||||停留|||||悬浮|||||轻盈的|空中翻滚||摇动||||想象中的| ||||||||remained||little while|||in the air|struck||||airy|somersaults||moved||||imaginary| ||||||||permaneceram||um momento|||suspensão||||||||agitavam||||| ||||||||задержались|||||||||||||колыхались||||| His thoughts shot up to the sky in a wide arc, lingered for a while in suspension, turned somersaults in the imagination, or stirred the imaginary wings in the wind. Und so gewann er den Frieden der Seele und seine animalische Ruhe zurück, ward sich seiner Glieder, seiner Augen bewußt, bewußt, daß die Luft sich kühl wie eine Frucht an seinen Gaumen legte, und begann schließlich vollkommen entzückt zu singen. ||||||||||动物的||||||肢体|||||||||||||||上颚||||||陶醉的|| ||||||||||animal|calm||||||||conscious||||||||||||palate|||||||| ||||||||||animal|||||||||||||||||||||||||||encantado extasiado|| ||||||||||животной||||||||||||||||||фрукты||||||||||| And so he regained the peace of his soul and his animalistic calm, became aware of his limbs, his eyes, aware that the air laid cool on his palate like a fruit, and finally began to sing in complete delight. Y así recobró la paz de su alma y su calma animal, fue consciente de sus miembros, de sus ojos, consciente de que el aire era fresco como una fruta en su paladar, y finalmente empezó a cantar con total deleite. Der Doktor kannte nur eine einzige Melodie: ›Marlborough s'en va-t-en guerre‹, und auch mit der stand er auf reinem Grußfuß. |||||||马尔堡|离开||||战争|||||||||问候关系 |||||||Marlborough|goes||||war|||||||||greeting foot ||||||||||||||||||||puro|relacionamento cordial |||||||||||||||||||||приветственные отношения The doctor only knew one melody: 'Marlborough s'en va-t-en guerre', and even with that, he was on good terms. El doctor sólo conocía una melodía: 'Marlborough s'en va-t-en guerre', e incluso con eso estaba en un puro pie de saludo. Seine musikalischen Exkursionen waren daher stets nur Momenten der Einsamkeit und vollkommenen Glücks vorbehalten. ||短途旅行||||||||||| |musical|excursions||||||||||| |||||sempre||||||||reservados |||||||||||||оставлены для His musical excursions were therefore always reserved for moments of solitude and complete happiness. Por ello, sus excursiones musicales sólo se reservaban para momentos de soledad y perfecta felicidad.

Ein schmerzlicher Ausdruck auf dem Gesichte des Jungen rief ihn unvermittelt zur Erde zurück. ||||||||||突然||| |painful|||||||||||| ||||||||||inexplicavelmente||| »Was hältst du von meinem Singen?« fragte er, mitten in einer Zeile innehaltend, und wiederholte, nachdem er eine Weile vergeblich auf Antwort gewartet hatte, gebieterisch: »Was hältst du davon?« |||||||||||行|停顿的|||||||徒劳地|||||命令式地|||| ||||||||||||holding||||||while||||||authoritatively||holds|| |||||||||||linha|parando||repetiu|||||em vão|||||imperativamente|O que|acha|| ||||||||||||остановившись||||||||||||повелительно|||| "What do you think of my singing?" he asked, pausing in the middle of a line, and after waiting a while in vain for an answer, he repeated imperiously: "What do you think of it?" "¿Qué te parece mi forma de cantar?", preguntó haciendo una pausa en mitad de una línea, y tras esperar un rato en vano una respuesta, repitió imperiosamente: "¿Qué te parece?".

»Es gefällt mir nicht«, stammelte Jean-Marie. ||||结结巴巴|| "I don't like it," stammered Jean-Marie.

»Na, Na!« rief der Doktor. "Well, well!" cried the doctor. »Kannst du etwa selber singen?«

»Besser als das schon«, antwortete der Junge.

Der Doktor starrte ihn einen Augenblick versteinert an. ||||||石化的| Er fühlte, daß er sich ärgerte, mußte über sieh selbst erröten und wurde folglich noch ärgerlicher. |||||||||||||因此||生气的 ||||||||||blush|||||more angrily |||||irritou||||||||portanto|| He felt that he was annoyed, had to blush at himself and consequently became even angrier. »Wenn das die Art ist, in der du mit deinem Herrn redest!« meinte er schließlich achselzuckend und gestikulierend. |||||||||||说话||||耸耸肩||手势表达 |||||||||||||||shrugging||gesturing "If that's the way you talk to your master!" he finally said, shrugging and gesticulating.

»Mit ihm rede ich überhaupt nicht«, erwiderte der Junge. "I don't talk to him at all," the boy replied. »Ich mag ihn nicht leiden.« ||||suportar

»Mich magst du also leiden?« versetzte Doktor Desprez bissig und mit ungewöhnlichem Eifer. меня|||||||||||| |||||replied||||||unusual| ||||suportar|respondeu|||sarcasticamente|||incomum|entusiasmo ||||||||尖刻的|||不寻常的|热情

»Ich weiß nicht«, antwortete Jean-Marie.

Der Doktor erhob sich. »Ich wünsche dir guten Morgen«, sagte er. »Du bist zuviel für mich. Vielleicht hast du Blut in den Adern, vielleicht himmlischen Chor, vielleicht kreist auch nichts Gröberes als respirable Luft in dir. ||||||血管|||合唱团||旋转|||更粗糙的||可呼吸的||| ||||||veins||heavenly|choir|||||coarser||respirable||| ||||||veias||coro celestial|||circula|||algo maior||respirável||| |||||||||||крутится|||||вдыхаемый воздух||| Von einem bin ich jedenfalls unauslöschlich überzeugt: du bist kein menschliches Wesen. |||||indelibly|||||| |||||indelévelmente convencido|convencido|||||ser humano Nein, Junge,« – er drohte ihm mit dem Stock – »ein menschliches Wesen bist du nicht. |||ameaçou|||||||||| Merke es dir, grab es in dein Gedächtnis ein. |||||||memory| Lembre-se|||||||| – Ich bin kein menschliches Wesen, habe keinen Anspruch darauf, ein menschliches Wesen zu sein – ich bin ein Traum, ein Engel, ein Akrostichon, ein Wahngebilde, kurz, was du willst, nur kein menschliches Wesen. |||||||||||||||||||||首字母诗||幻象|||||||| |||||||||||||||||||||acrostic||delusion|||||||| |||||||direito||||||||||||||um poema acrostico||ilusão|||||||| |||||||||||||||||||||акростих||бредовое создание|||||||| - I am not a human being, I have no claim to be a human being - I am a dream, an angel, an acrostic, a figment of imagination, in short, whatever you want, just not a human being. Und hiermit genehmige meinen untertänigsten Gruß und gehab dich wohl!« |在此|批准||最恭顺的|||保重|| ||approve||most humble|||and have|| ||aprovo||humildes||||| ||принимаю||самый покорный|||будь здоров|| And with that, please accept my humblest regards and farewell!

Mit diesen Worten machte sich der Doktor in nicht gelinder Aufregung die Straße hinab und davon, und ließ den Jungen innerlich starr vor Staunen zurück. |||||||||不小的|激动|||||||||||僵硬||惊讶| |||||||||not mild||||||||||||||| |||||||||não contida||||||||||||paralisado||| |||||||||не меньшей||||||||||||||| With these words, the doctor made his way down the street in a state of intense excitement and left the boy internally stunned with wonder.