×

我們使用cookies幫助改善LingQ。通過流覽本網站,表示你同意我們的 cookie 政策.

image

Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, 11. September, rue Toullier - 004

11. September, rue Toullier - 004

Und wenn ich an die andern denke, die ich gesehen oder von denen ich gehört habe: es ist immer dasselbe.

Sie alle haben einen eigenen Tod gehabt. Diese Männer, die ihn in der Rüstung trugen, innen, wie einen Gefangenen, diese Frauen, die sehr alt und klein wurden und dann auf einem ungeheueren Bett, wie auf einer Schaubühne, vor der ganzen Familie, dem Gesinde und den Hunden diskret und herrschaftlich hinübergingen. [720] Ja die Kinder, sogar die ganz kleinen, hatten nicht irgendeinen Kindertod, sie nahmen sich zusammen und starben das, was sie schon waren, und das, was sie geworden wären. Und was gab das den Frauen für eine wehmütige Schönheit, wenn sie schwanger waren und standen, und in ihrem großen Leib, auf welchem die schmalen Hände unwillkürlich liegen blieben, waren zwei Früchte: ein Kind und ein Tod.

Kam das dichte, beinah nahrhafte Lächeln in ihrem ganz ausgeräumten Gesicht nicht davon her, daß sie manchmal meinten, es wüchsen beide? Ich habe etwas getan gegen die Furcht.

Ich habe die ganze Nacht gesessen und geschrieben, und jetzt bin ich so gut müde wie nach einem weiten Weg über die Felder von Ulsgaard. Es ist doch schwer zu denken, daß alles das nicht mehr ist, daß fremde Leute wohnen in dem alten langen Herrenhaus. Es kann sein, daß in dem weißen Zimmer oben im Giebel jetzt die Mägde schlafen, ihren schweren, feuchten Schlaf schlafen von Abend bis Morgen. Und man hat niemand und nichts und fährt in der Welt herum mit einem Koffer und mit einer Bücherkiste und eigentlich ohne Neugierde.

Was für ein Leben ist das eigentlich: ohne Haus, ohne ererbte Dinge, ohne Hunde. Hätte man doch wenigstens seine Erinnerungen. Aber wer hat die? Wäre die Kindheit da, sie ist wie vergraben. Vielleicht muß man alt sein, um an das alles heranreichen zu können. Ich denke es mir gut, alt zu sein. [721] Heute war ein schöner, herbstlicher Morgen.

Ich ging durch die Tuilerien. Alles, was gegen Osten lag, vor der Sonne, blendete. Das Angeschienene war vom Nebel verhangen wie von einem lichtgrauen Vorhang. Grau im Grauen sonnten sich die Statuen in den noch nicht enthüllten Gärten. Einzelne Blumen in den langen Beeten standen auf und sagten: Rot, mit einer erschrockenen Stimme. Dann kam ein sehr großer, schlanker Mann um die Ecke, von den Champs-Elysées her; er trug eine Krücke, aber nicht mehr unter die Schulter geschoben, – er hielt sie vor sich her, leicht, und von Zeit zu Zeit stellte er sie fest und laut auf wie einen Heroldstab. Er konnte ein Lächeln der Freude nicht unterdrücken und lächelte, an allem vorbei, der Sonne, den Bäumen zu. Sein Schritt war schüchtern wie der eines Kindes, aber ungewöhnlich leicht, voll von Erinnerung an früheres Gehen. Was so ein kleiner Mond alles vermag.

Da sind Tage, wo alles um einen licht ist, leicht, kaum angegeben in der hellen Luft und doch deutlich. Das Nächste schon hat Töne der Ferne, ist weggenommen und nur gezeigt, nicht hergereicht; und was Beziehung zur Weite hat: der Fluß, die Brücken, die langen Straßen und die Plätze, die sich verschwenden, das hat diese Weite eingenommen hinter sich, ist auf ihr gemalt wie auf Seide. Es ist nicht zu sagen, was dann ein lichtgrüner Wagen sein kann auf dem Pont-neuf oder irgendein Rot, das nicht zu halten ist, oder auch nur ein Plakat an der Feuermauer einer perlgrauen Häusergruppe. Alles ist vereinfacht,[722] auf einige richtige, helle plans gebracht wie das Gesicht in einem Manetschen Bildnis. Und nichts ist gering und überflüssig. Die Bouquinisten am Quai tun ihre Kästen auf, und das frische oder vernutzte Gelb der Bücher, das violette Braun der Bände, das größere Grün einer Mappe: alles stimmt, gilt, nimmt teil und bildet eine Vollzähligkeit, in der nichts fehlt. Unten ist folgende Zusammenstellung: ein kleiner Handwagen, von einer Frau geschoben; vorn darauf ein Leierkasten, der Länge nach.

Dahinter quer ein Kinderkorb, in dem ein ganz Kleines auf festen Beinen steht, vergnügt in seiner Haube, und sich nicht mag setzen lassen. Von Zeit zu Zeit dreht die Frau am Orgelkasten. Das ganz Kleine stellt sich dann sofort stampfend in seinem Korbe wieder auf, und ein kleines Mädchen in einem grünen Sonntagskleid tanzt und schlägt Tamburin zu den Fenstern hinauf. Ich glaube, ich müßte anfangen, etwas zu arbeiten, jetzt, da ich sehen lerne.

Ich bin achtundzwanzig, und es ist so gut wie nichts geschehen. Wiederholen wir: ich habe eine Studie über Carpaccio geschrieben, die schlecht ist, ein Drama, das »Ehe« heißt und etwas Falsches mit zweideutigen Mitteln beweisen will, und Verse. Ach, aber mit Versen ist so wenig getan, wenn man sie früh schreibt. Man sollte warten damit und Sinn und Süßigkeit sammeln ein ganzes Leben lang und ein langes womöglich, und dann, ganz zum Schluß, vielleicht könnte man dann zehn Zeilen schreiben, die[723] gut sind. Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), – es sind Erfahrungen. Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muß die Tiere kennen, man muß fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen. Man muß zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah, – an Kindheitstage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken mußte, wenn sie einem eine Freude brachten und man begriff sie nicht (es war eine Freude für einen anderen –), an Kinderkrankheiten, die so seltsam anheben mit so vielen tiefen und schweren Verwandlungen, an Tage in stillen, verhaltenen Stuben und an Morgen am Meer, an das Meer überhaupt, an Meere, an Reisenächte, die hoch dahinrauschten und mit allen Sternen flogen, – und es ist noch nicht genug, wenn man an alles das denken darf. Man muß Erinnerungen haben an viele Liebesnächte, von denen keine der andern glich, an Schreie von Kreißenden und an leichte, weiße, schlafende Wöchnerinnen, die sich schließen. Aber auch bei Sterbenden muß man gewesen sein, muß bei Toten gesessen haben in der Stube mit dem offenen Fenster und den stoßweisen Geräuschen. Und es genügt auch noch nicht, daß man Erinnerungen hat. Man muß sie vergessen können, wenn es viele sind, und man muß die große Geduld haben, zu warten, daß sie wiederkommen. Denn die Erinnerungen selbst sind es noch nicht. [724] Erst wenn sie Blut werden in uns, Blick und Gebärde, namenlos und nicht mehr zu unterscheiden von uns selbst, erst dann kann es geschehen, daß in einer sehr seltenen Stunde das erste Wort eines Verses aufsteht in ihrer Mitte und aus ihnen ausgeht.

Alle meine Verse aber sind anders entstanden, also sind es keine.

– Und als ich mein Drama schrieb, wie irrte ich da. War ich ein Nachahmer und Narr, daß ich eines Dritten bedurfte, um von dem Schicksal zweier Menschen zu erzählen, die es einander schwer machten? Wie leicht ich in die Falle fiel. Und ich hätte doch wissen müssen, daß dieser Dritte, der durch alle Leben und Literaturen geht, dieses Gespenst eines Dritten, der nie gewesen ist, keine Bedeutung hat, daß man ihn leugnen muß. Er gehört zu den Vorwänden der Natur, welche immer bemüht ist, von ihren tiefsten Geheimnissen die Aufmerksamkeit der Menschen abzulenken. Er ist der Wandschirm, hinter dem ein Drama sich abspielt. Er ist der Lärm am Eingang zu der stimmlosen Stille eines wirklichen Konfliktes. Man möchte meinen, es wäre allen bisher zu schwer gewesen, von den Zweien zu reden, um die es sich handelt; der Dritte, gerade weil er so unwirklich ist, ist das Leichte der Aufgabe, ihn konnten sie alle. Gleich am Anfang ihrer Dramen merkt man die Ungeduld, zu dem Dritten zu kommen, sie können ihn kaum erwarten. Sowie er da ist, ist alles gut. Aber wie langweilig, wenn er sich verspätet, es kann rein nichts geschehen ohne ihn, alles steht, stockt, wartet. Ja und wie, wenn es bei diesem Stauen und Anstehn bliebe? Wie, Herr Dramatiker, und du, Publikum,[725] welches das Leben kennt, wie, wenn er verschollen wäre, dieser beliebte Lebemann oder dieser anmaßende junge Mensch, der in allen Ehen schließt wie ein Nachschlüssel? Wie, wenn ihn, zum Beispiel, der Teufel geholt hätte? Nehmen wirs an. Man merkt auf einmal die künstliche Leere der Theater, sie werden vermauert wie gefährliche Löcher, nur die Motten aus den Logenrändern taumeln durch den haltlosen Hohlraum. Die Dramatiker genießen nicht mehr ihre Villenviertel. Alle öffentlichen Aufpassereien suchen für sie in entlegenen Weltteilen nach dem Unersetzlichen, der die Handlung selbst war. Und dabei leben sie unter den Menschen, nicht diese »Dritten«, aber die Zwei, von denen so unglaublich viel zu sagen wäre, von denen noch nie etwas gesagt worden ist, obwohl sie leiden und handeln und sich nicht zu helfen wissen.

Learn languages from TV shows, movies, news, articles and more! Try LingQ for FREE

11. September, rue Toullier - 004 September||Toullier September 11, rue Toullier - 004 11 settembre, rue Toullier - 004 9月11日、トゥーリエ通り - 004 11 de setembro, rue Toullier - 004

Und wenn ich an die andern denke, die ich gesehen oder von denen ich gehört habe: es ist immer dasselbe. And when I think of the others that I have seen or heard of: it is always the same.

Sie alle haben einen eigenen Tod gehabt. They|||||| They all had their own death. Diese Männer, die ihn in der Rüstung trugen, innen, wie einen Gefangenen, diese Frauen, die sehr alt und klein wurden und dann auf einem ungeheueren Bett, wie auf einer Schaubühne, vor der ganzen Familie, dem Gesinde und den Hunden diskret und herrschaftlich hinübergingen. ||||||armor|||||prisoner|||||||||||||enormous|||||stage||||||servants||||discreet||majestically|crossed These men, who wore it in armor, inside, like a prisoner, these women, who became very old and small and then discreetly and royally crossed over on a huge bed, like on a stage, in front of the whole family, the servants and the dogs. [720] Ja die Kinder, sogar die ganz kleinen, hatten nicht irgendeinen Kindertod, sie nahmen sich zusammen und starben das, was sie schon waren, und das, was sie geworden wären. Yes|||||||||any|||||||||||||||||| [Yes, the children, even the very small ones, did not have any child death, they took together and died what they already were and what they would have become. Und was gab das den Frauen für eine wehmütige Schönheit, wenn sie schwanger waren und standen, und in ihrem großen Leib, auf welchem die schmalen Hände unwillkürlich liegen blieben, waren  zwei  Früchte: ein Kind und ein Tod. ||||||||nostalgic||||||||||||body||||narrow||involuntarily|||||||||| And what gave the women a wistful beauty when they were pregnant and standing, and in their large bellies where the slim hands involuntarily rested, there were two fruits: a child and a death.

Kam das dichte, beinah nahrhafte Lächeln in ihrem ganz ausgeräumten Gesicht nicht davon her, daß sie manchmal meinten, es wüchsen beide? came|||almost|nourishing|||||emptied||||||||||| Did the dense, almost nourishing smile in her completely emptied face not come from the fact that sometimes they thought both were growing? Ich habe etwas getan gegen die Furcht. I have done something against the fear.

Ich habe die ganze Nacht gesessen und geschrieben, und jetzt bin ich so gut müde wie nach einem weiten Weg über die Felder von Ulsgaard. I||||||||||||||||||long|||||| I have been sitting and writing all night, and now I am as tired as after a long journey across the fields of Ulsgaard. Es ist doch schwer zu denken, daß alles das nicht mehr ist, daß fremde Leute wohnen in dem alten langen Herrenhaus. It is hard to believe that all of that is no more, that strangers now inhabit the old, long mansion. Es kann sein, daß in dem weißen Zimmer oben im Giebel jetzt die Mägde schlafen, ihren schweren, feuchten Schlaf schlafen von Abend bis Morgen. It||||||||||gable|||||||moist|||||| It may be that in the white room upstairs in the gable, the maids are now sleeping, sleeping their heavy, damp sleep from evening until morning. Und man hat niemand und nichts und fährt in der Welt herum mit einem Koffer und mit einer Bücherkiste und eigentlich ohne Neugierde. ||||||||||||||||||box of books||actually||curiosity And you have no one and nothing and travel around the world with a suitcase and a box of books and actually without curiosity.

Was für ein Leben ist das eigentlich: ohne Haus, ohne ererbte Dinge, ohne Hunde. What||||||||||inherited||| What kind of life is that anyway: without a house, without inherited things, without dogs. Hätte man doch wenigstens seine Erinnerungen. If only one had their memories at least. Aber wer hat die? But||| But who has them? Wäre die Kindheit da, sie ist wie vergraben. ||childhood||||| If childhood were there, it is as if buried. Vielleicht muß man alt sein, um an das alles heranreichen zu können. Maybe|||||||||reach|| Perhaps one must be old to be able to reach all of that. Ich denke es mir gut, alt zu sein. I think it's nice to be old. [721] [721] Heute war ein schöner, herbstlicher Morgen. Today||||autumn| Today was a beautiful autumn morning.

Ich ging durch die Tuilerien. ||||Tuileries I walked through the Tuileries. Alles, was gegen Osten lag, vor der Sonne, blendete. Everything||||||||blinded Everything that lay to the east, in front of the sun, was dazzling. Das Angeschienene war vom Nebel verhangen wie von einem lichtgrauen Vorhang. The|shining||||veiled||||light gray| The illuminated objects were shrouded in mist as if by a light gray curtain. Grau im Grauen sonnten sich die Statuen in den noch nicht enthüllten Gärten. ||gray|||||||||unveiled| In the gray of the mist, the statues sunned themselves in the not yet unveiled gardens. Einzelne Blumen in den langen Beeten standen auf und sagten: Rot, mit einer erschrockenen Stimme. Individual|||||||||||||| Individual flowers in the long flower beds stood up and said, 'Red, with a startled voice.' Dann kam ein sehr großer, schlanker Mann um die Ecke, von den Champs-Elysées her; er trug eine Krücke, aber nicht mehr unter die Schulter geschoben, – er hielt sie vor sich her, leicht, und von Zeit zu Zeit stellte er sie fest und laut auf wie einen Heroldstab. ||||||||||||||||||crutch|||||||||||||||||||||||||||||herald's staff Then a very tall, slender man came around the corner from the Champs-Elysées; he carried a crutch, but no longer pushed it under his shoulder - he held it in front of him, lightly, and from time to time he placed it firmly and loudly like a herald's staff. Er konnte ein Lächeln der Freude nicht unterdrücken und lächelte, an allem vorbei, der Sonne, den Bäumen zu. He|||||||suppress|||||||||| He couldn't suppress a smile of joy and smiled past everything, the sun, the trees. Sein Schritt war schüchtern wie der eines Kindes, aber ungewöhnlich leicht, voll von Erinnerung an früheres Gehen. |||shy||||||unusual|light||||||walk His step was shy like that of a child, but unusually light, full of memories of past walking. Was so ein kleiner Mond alles vermag. What||||moon||can What a small moon can do.

Da sind Tage, wo alles um einen licht ist, leicht, kaum angegeben in der hellen Luft und doch deutlich. |||||||||||indicated||||||| There are days when everything around is light, easy, barely discernible in the bright air and yet clear. Das Nächste schon hat Töne der Ferne, ist weggenommen und nur gezeigt, nicht hergereicht; und was Beziehung zur Weite hat: der Fluß, die Brücken, die langen Straßen und die Plätze, die sich verschwenden, das hat diese Weite eingenommen hinter sich, ist auf ihr gemalt wie auf Seide. The||||sounds|||||||shown||reached|||relationship||width||||||||||||the|themselves|waste|||||taken||||||painted|how|| The next thing already has tones of distance, is taken away and only shown, not handed over; and what has a connection to vastness: the river, the bridges, the long streets and the squares that are wasteful, have taken this vastness behind them, are painted on it like on silk. Es ist nicht zu sagen, was dann ein lichtgrüner Wagen sein kann auf dem Pont-neuf oder irgendein Rot, das nicht zu halten ist, oder auch nur ein Plakat an der Feuermauer einer perlgrauen Häusergruppe. It||||||||||||||||||||||hold||||||poster||||||group of houses It is impossible to say what then can be a light green carriage on the Pont Neuf or any red that cannot be held, or even just a poster on the fire wall of a pearly gray group of houses. Alles ist vereinfacht,[722] auf einige richtige, helle plans gebracht wie das Gesicht in einem Manetschen Bildnis. Everything||simplified|||||planes|||||||manet-style|portrait Everything is simplified, brought to a few correct, bright planes like the face in a painting by Manet. Und nichts ist gering und überflüssig. |||small||unnecessary And nothing is insignificant and superfluous. Die Bouquinisten am Quai tun ihre Kästen auf, und das frische oder vernutzte Gelb der Bücher, das violette Braun der Bände, das größere Grün einer Mappe: alles stimmt, gilt, nimmt teil und bildet eine Vollzähligkeit, in der nichts fehlt. The|book vendors||quay|||||||||used||||||||volumes||larger|||portfolio|everything||applies||||||completeness|||| The booksellers on the Quai open their boxes, and the fresh or worn-out yellow of the books, the violet brown of the volumes, the deeper green of a folder: everything is in harmony, valid, participating, and forms a completeness in which nothing is missing. Unten ist folgende Zusammenstellung: ein kleiner Handwagen, von einer Frau geschoben; vorn darauf ein Leierkasten, der Länge nach. |||compilation||||||||in front|on||organ grinder|the|| Below is the following composition: a small handcart pushed by a woman; on the front of it a barrel organ lengthwise.

Dahinter quer ein Kinderkorb, in dem ein ganz Kleines auf festen Beinen steht, vergnügt in seiner Haube, und sich nicht mag setzen lassen. Behind|||child's basket||||||||||happily|||bonnet|||||| Behind it across a children's basket, in which a very small one stands on firm legs, happily in his hood, and does not like to be seated. Von Zeit zu Zeit dreht die Frau am Orgelkasten. ||||||||organ grinder From time to time, the woman turns the organ grinder. Das ganz Kleine stellt sich dann sofort stampfend in seinem Korbe wieder auf, und ein kleines Mädchen in einem grünen Sonntagskleid tanzt und schlägt Tamburin zu den Fenstern hinauf. The|||stands||||stomping||||again|||||||||||||tambourine|||| The very small one immediately stands up stamping in its basket again, and a little girl in a green Sunday dress dances and plays tambourine up to the windows. Ich glaube, ich müßte anfangen, etwas zu arbeiten, jetzt, da ich sehen lerne. I think I should start working on something now that I am beginning to see.

Ich bin achtundzwanzig, und es ist so gut wie nichts geschehen. I||||||so|||| I am twenty-eight, and virtually nothing has happened. Wiederholen wir: ich habe eine Studie über Carpaccio geschrieben, die schlecht ist, ein Drama, das »Ehe« heißt und etwas Falsches mit zweideutigen Mitteln beweisen will, und Verse. |||||||carpaccio||||||||||||wrong||ambiguous|means|||| Let's repeat: I have written a study on Carpaccio, which is bad, a drama called 'Marriage' that wants to prove something wrong with ambiguous means, and verses. Ach, aber mit Versen ist so wenig getan, wenn man sie früh schreibt. Oh|||verses||||||||| Oh, but so little is done with verses when they are written early. Man sollte warten damit und Sinn und Süßigkeit sammeln ein ganzes Leben lang und ein langes womöglich, und dann, ganz zum Schluß, vielleicht könnte man dann zehn Zeilen schreiben, die[723] gut sind. |||||meaning|||||||||||possibly|||||||||||lines||||are One should wait with them and gather sense and sweetness for a whole lifetime, and possibly a long one, and then, at the very end, maybe one could write ten lines that are good. Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), – es sind Erfahrungen. For||||||||feelings||||||||experiences For verses are not, as people think, feelings (you have those early enough) - they are experiences. Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muß die Tiere kennen, man muß fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen. For||||||||||||||||||||||||||gesture||||||||open|| For the sake of one verse, one must see many cities, people and things, one must know the animals, one must feel how the birds fly, and know the gesture with which the little flowers open in the morning. Man muß zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah, – an Kindheitstage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken mußte, wenn sie einem eine Freude brachten und man begriff sie nicht (es war eine Freude für einen anderen –), an Kinderkrankheiten, die so seltsam anheben mit so vielen tiefen und schweren Verwandlungen, an Tage in stillen, verhaltenen Stuben und an Morgen am Meer, an das Meer überhaupt, an Meere, an Reisenächte, die hoch dahinrauschten und mit allen Sternen flogen, – und es ist noch nicht genug, wenn man an alles das denken darf. man||think back||||||||unexpected||||goodbye|||||||childhood days|||unexplained|||||||hurt|||||||||||||||||||||||||begin|||||||transformations|||||restrained||||||||||||||nights of travel|||rushed by|||||||||||||||||| One must be able to remember paths in unknown regions, unexpected encounters, and farewells that one saw coming a long way off - childhood days that are still unexplained, parents whom one had to hurt when they brought joy to you and you did not understand (it was joy for someone else) - childhood illnesses that start so strangely with so many deep and heavy transformations, days in quiet, restrained rooms and mornings by the sea, the sea in general, seas, travel nights that rushed high above and flew with all the stars - and it is not enough yet if one is allowed to think of all this. Man muß Erinnerungen haben an viele Liebesnächte, von denen keine der andern glich, an Schreie von Kreißenden und an leichte, weiße, schlafende Wöchnerinnen, die sich schließen. ||||||nights of love|of|||||||cries||women in labor||||||new mothers||themselves| One must have memories of many nights of love, none of which was like the other, of the cries of women in labor, and of the light, white, sleeping young mothers who close themselves off. Aber auch bei Sterbenden muß man gewesen sein, muß bei Toten gesessen haben in der Stube mit dem offenen Fenster und den stoßweisen Geräuschen. But||||||||||||||||||||||intermittent| But one must also have been with the dying, must have sat with the dead in the room with the open window and the intermittent sounds. Und es genügt auch noch nicht, daß man Erinnerungen hat. ||is enough||||||| And it is not enough to just have memories. Man muß sie vergessen können, wenn es viele sind, und man muß die große Geduld haben, zu warten, daß sie wiederkommen. One|||||||||||||||||||| One must be able to forget them when there are many, and one must have great patience to wait for them to return. Denn die Erinnerungen selbst  sind  es noch nicht. Because the memories themselves are not it yet. [724] [724] Erst wenn sie Blut werden in uns, Blick und Gebärde, namenlos und nicht mehr zu unterscheiden von uns selbst, erst dann kann es geschehen, daß in einer sehr seltenen Stunde das erste Wort eines Verses aufsteht in ihrer Mitte und aus ihnen ausgeht. Only||||||||||||not|||||||||||||||||||||||rises|||middle||||emerges It is only when they become blood in us, look and gesture, nameless and no longer distinguishable from ourselves, only then can it happen that in a very rare moment, the first word of a verse arises in their midst and comes forth from them.

Alle meine Verse aber sind anders entstanden, also sind es keine. ||||||originated|so|are|| But all my verses have arisen differently, so they are not real.

– Und als ich mein Drama schrieb, wie irrte ich da. And|||||||erred|| - And when I wrote my drama, how mistaken I was. War ich ein Nachahmer und Narr, daß ich eines Dritten bedurfte, um von dem Schicksal zweier Menschen zu erzählen, die es einander schwer machten? |||imitator||||||third|||||fate|two|||||||| Was I an imitator and a fool that I needed a third person to tell about the fate of two people who made it hard for each other? Wie leicht ich in die Falle fiel. How|||||trap| How easily I fell into the trap. Und ich hätte doch wissen müssen, daß dieser Dritte, der durch alle Leben und Literaturen geht, dieses Gespenst eines Dritten, der nie gewesen ist, keine Bedeutung hat, daß man ihn leugnen muß. |||||||||||||||||ghost|||||||||||||deny| And I should have known that this third party, which passes through all lives and literatures, this specter of a third party that never was, has no meaning, that one must deny it. Er gehört zu den Vorwänden der Natur, welche immer bemüht ist, von ihren tiefsten Geheimnissen die Aufmerksamkeit der Menschen abzulenken. He||||pretexts|||||trying|||||secrets||attention|||distract It is one of the pretexts of nature, which is always trying to divert people's attention from its deepest secrets. Er ist der Wandschirm, hinter dem ein Drama sich abspielt. |||wall screen||||||unfolding He is the screen behind which a drama unfolds. Er ist der Lärm am Eingang zu der stimmlosen Stille eines wirklichen Konfliktes. He|||||||||||| He is the noise at the entrance to the voiceless silence of a real conflict. Man möchte meinen, es wäre allen bisher zu schwer gewesen, von den Zweien zu reden, um die es sich handelt; der Dritte, gerade weil er so unwirklich ist, ist das Leichte der Aufgabe, ihn konnten sie alle. ||||||||||||two||||||||||because||||||||easy|||||| One might think that it had been too difficult for everyone so far to talk about the two involved; the third, precisely because he is so unreal, is the easy part of the task, they could all handle him. Gleich am Anfang ihrer Dramen merkt man die Ungeduld, zu dem Dritten zu kommen, sie können ihn kaum erwarten. Right||||plays|notices|||impatience|||||||||| Right at the beginning of her dramas you can sense the impatience to get to the third one, they can hardly wait for it. Sowie er da ist, ist alles gut. As soon as it is there, everything is fine. Aber wie langweilig, wenn er sich verspätet, es kann rein nichts geschehen ohne ihn, alles steht, stockt, wartet. But|||||||||nothing||||||stands|is stalled| But how boring when it is delayed, nothing can happen without it, everything stops, halts, waits. Ja und wie, wenn es bei diesem Stauen und Anstehn bliebe? |||||||backing up||waiting| Yes, and what if this congestion and waiting were to continue? Wie, Herr Dramatiker, und du, Publikum,[725] welches das Leben kennt, wie, wenn er verschollen wäre, dieser beliebte Lebemann oder dieser anmaßende junge Mensch, der in allen Ehen schließt wie ein Nachschlüssel? How|||||||||||if||lost||||man about town|||arrogant||||||marriages|unlocks|||master key What if, Mr. Playwright, and you, audience, who know life, what if this popular playboy or this arrogant young man, who enters every marriage like a duplicate key, were missing? Wie, wenn ihn, zum Beispiel, der Teufel geholt hätte? |||||||taken| What if, for example, the devil had taken him? Nehmen wirs an. let's|let's| Let's assume that. Man merkt auf einmal die künstliche Leere der Theater, sie werden vermauert wie gefährliche Löcher, nur die Motten aus den Logenrändern taumeln durch den haltlosen Hohlraum. ||through|||artificial||||||walled||dangerous|holes|||moths|||box seat edges|tumble|||unsteady|hollow space Suddenly one notices the artificial emptiness of the theaters, they are bricked up like dangerous holes, only the moths from the box edges stagger through the empty void. Die Dramatiker genießen nicht mehr ihre Villenviertel. The|playwright|||||mansion district The playwrights no longer enjoy their suburban villas. Alle öffentlichen Aufpassereien suchen für sie in entlegenen Weltteilen nach dem Unersetzlichen, der die Handlung selbst war. ||watchings|||||remote|world regions|||irreplaceable||||| All public watchdogs look for them in remote parts of the world for the irreplaceable, which was the act itself. Und dabei leben sie unter den Menschen, nicht diese »Dritten«, aber die Zwei, von denen so unglaublich viel zu sagen wäre, von denen noch nie etwas gesagt worden ist, obwohl sie leiden und handeln und sich nicht zu helfen wissen. And|there|||||||||||||||||||||||||||||||||||||| And at the same time they live among the people, not these "third parties", but the two of whom so incredibly much could be said, of whom nothing has ever been said, although they suffer and act and do not know how to help themselves.