Fondue essen mit Tom und das Lebkuchenherz am Oktoberfest
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Herzlich willkommen zur Sendung "Zukker im Leben" vom 20. Oktober 2017. Es freut mich sehr, sind Sie wieder mit dabei. Tom und ich waren Fondue essen. Und weil ich sehr ungeschickt war, hat das Tischtuch angefangen zu brennen. Davon werde ich Ihnen erzählen! Müssen Sie auch oft durch die Halle im Hauptbahnhof Zürich? Dann haben Sie sicher auch das Oktoberfest gesehen. Ich werde Ihnen heute von einer seltsamen Begegnung erzählen, die ich dort hatte. Viel Vergnügen!
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Tom und ich gehen heute Abend zusammen essen. Ich habe Tom gefragt, ob er bereit sei für ein soziales Experiment. Er konnte sich nicht genau vorstellen, was ich damit meine und hat einfach "ja" gesagt. Er will bestimmt cool wirken und sich überraschen lassen. Ich habe einen Tisch im Restaurant "Swiss Chuchi [1]" reserviert. Das ist ein Restaurant im Zürcher Niederdorf. Es gehört zum Hotel Adler und ist direkt beim Hirschenplatz. Dort gibt es Schweizer Spezialitäten. Hier gehen Touristen gerne hin, aber auch viele Schweizer essen in der "Swiss Chuchi" Fondue oder Raclette [2]. Ich mag Restaurants, wo man Menschen beobachten kann und in der "Swiss Chuchi" trifft man eine bunte [3] Mischung verschiedenster Menschen an. Das meine ich mit dem sozialen Experiment. Ich stehe am Central und warte auf Tom. Ichbin fünf Minuten zu früh und rauche eine Zigarette. Dann kommt ein Polizist auf mich zu. Ich werfe die Zigarette auf den Boden, obwohl ich nichts Verbotenes mache. Aber Uniformen schüchtern [4] mich ein. "Hallo Nora, ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen!" Tom grinst mich an. Ich frage ihn: "Hast Du noch andere Kleider dabei?" Tom zeigt auf seine grosse Sporttasche und nickt. Ich bin erleichtert. Es wäre mir sehrunangenehm[5], wenn Tom in seiner Uniform am Tisch sitzt, weil alle Menschen uns im Restaurant anschauen würden. Wir spazieren vom Central bis zum Hirschenplatz. Kurz bevor wir dort sind frage ich Tom: "Du hast hoffentlich keine Laktoseintoleranz [6]? " er lacht und sagt dann: "Nein nein, ausser dass ich keine Farben erkennen kann, bin ich ganz gesund." Wir sitzen an einem Tisch am Fenster. Das Restaurant ist voll. Wir bestellen eine Flasche Weisswein. Der Kellner bringt das Rechaud [7] und darauf stellt er einen Topf mit geschmolzenem Käse. Dazu gibt es ein Körbchen mit Brot. Das Brot ist in kleine Würfel geschnitten. Wirstecken die Brotwürfel auf die langen Gabeln und tauchen sie in den Topf. Tom erzählt von seiner Reise durch Kanada, die er letztes Jahr gemacht hat. Er hatdort echte Bären gesehen. Ich erzähle ihm, dass ich im Schultheater in der zweiten Klasse auch einmal ein Bär war. Der Käse im Topf blubbert [8]. Ich mache die Flamme unter dem Rechaud kleiner und dabei rutscht mir das Gefäss [9] aus der Hand und die Brennpaste fliest auf das Tischtuch. Diekarierte[10] Tischdecke brennt sofort. Ich springe von meinem Stuhl auf. Tom bleibt ganz ruhig, nimmt sein Weissweinglas und erstickt [11] damit die Flammen. Die Menschen an den anderen Tischen drehen sich um und schauen uns an. Dann kommt der Kellner aus der Küche und ist etwas wütend, auch wenn er mir sagt, dass es nicht so schlimm sei. Ichschäme mich und sage zu Tom, dass wir zahlen und gehen sollten. Alswir zu Hause sind, lade ich Tom zu einem Schnaps in meine Küche ein. Tom sagt, was ich auch denke: "Wir stinken sehr fest nach Käse!" Alssich Tom verabschiedet, ziehe ich meine Kleider aus und hänge sie auf den Balkon. Sogar meine Haare stinken nach Käse. Fondue ist auf jeden Fall keine gute Idee für ein Date. Dieser Käsegeruch ist ziemlich unromantisch. Aber das war natürlich meine Strategie, damit Tom nicht merkt, wie gut ich ihn finde.
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Heute war ich in Bern, weil ich eine Freundin besucht habe. Meine S-Bahn nach Zürich-Altstetten hat Verspätung. Ich muss am Hauptbahnhof warten. In der Bahnhofshalle steht ein grosses Zelt. Unddavor stehen Frauen und Männer, die Bier trinken und Würste essen. Dasist das Oktoberfest. Das Oktoberfest ist ein Volksfest, das ursprünglich aus der deutschen Stadt München kommt. Es ist das grösste Volksfest[12] der Welt. Die "Wiesn" in München sind sehr berühmt. "Wiesn" ist ein bayrischer Ausdruck für Wiesen [13]. Sie haben gehört, die beiden Wörter klingen gleich, werden aber anders geschrieben. Jedes Jahr wird extra Bier gebraut [14] für das Oktoberfest. Zum Oktoberfest nach München kommen Menschen aus der ganzen Welt. In Zürich gibt es seit zwanzig Jahren auch ein Oktoberfest. Auf dem Bauschänzli in der Nähevom Bürkliplatz. Und in der Halle vom Hauptbahnhof gibt es jetzt auch noch ein grosses Zelt. Ich stehe vor dem Zelt und werde von zwei Frauen komisch angeschaut. Die eine ist betrunken und sagt zu mir: "Du bist falsch angezogen!" dann lachen die beiden Frauen ganz laut. Sie tragen beide ein Dirndl [15]. Das ist die Tracht [16], die Frauen beim Oktoberfest tragen. Sie verschwinden wieder im Zelt. In einem kleinen Holzhaus kann man Herzen aus Lebkuchen [17] kaufen. Darauf stehen Sätze wie: "Ich liebe Dich" oder "Du bist die Schönste!" oder"Willst Du mich heiraten?" Ich schaue auf die Uhr. Meine S-Bahn ist gerade ohne mich abgefahren. Ich ärgere mich nicht, sondern kaufe mir das "Willst Du mich heiraten?"-Lebkuchenherz. Das war ein Fehler, wie ich gerade merke. Ich drehe mich um und hinter mir stehen drei betrunkene Männer in Lederhosen. Die Lederhose ist die Tracht für die Männer am Oktoberfest. Alle drei halten Biergläser in der Hand, wo mindestens ein Liter Bier drin ist. "Wir wollen Dich alle heiraten!" lachen die drei. Sie sind so betrunken, dass sie sich aneinander festhalten müssen. Ich kann gar nicht mitlachen. Betrunkene Männer finde ich sehr unattraktiv. Der eine zieht eine Flasche "Kleiner Feigling" aus der Hosentasche und hält mir die Flasche hin. Das ist ein Schnaps, den ich nie im Leben trinken würde. Ich schaue die drei an und sage: "Kleiner Feigling! Das passt zu euch. Ihr könnt sicher nur Frauen ansprechen, wenn ihr betrunken seid." Die drei werden ganz still. Dann kommen die zwei Frauen von vorher aus dem Zelt und torkeln [18] zu uns. Sie umarmen die drei Männer und küssen sie. Ich stehe vor den fünf betrunkenen Menschen. Die eine Frau reisstmir das Lebkuchenherz aus der Hand und geht vor den Männern auf die Knie. So, wie wenn man jemandem einen Heiratsantrag machen will. Dereine Mann sagt: "Maus, hör jetzt auf, wir sind doch schon verheiratet!" Inder S-Bahn denke ich, dass dieses Oktoberfest in Zürich nur zum Biertrinken gedacht ist. Biertrinken im Hauptbahnhof finde ich etwas stillos [19]. Vielleicht sollte ich einmal mit Freunden nach München fahren und schauen, wie es dort ist. Bestimmt auch sehr viel Bier und Würste, aber immerhin auf einer Wiese und nicht in einer Bahnhofshalle. Und eigentlich ist es doch spannend zu sehen, woher ein Volksfest ursprünglich kommt. Ich werde nächsten Oktober einen Ausflug nach München planen.
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Ich freue mich sehr, wenn ich Ihnen am 3. November auf podclub.ch und in der App wieder von meinen Nachbarn erzählen darf. Brigit kann erst aus dem Krankenhaus zurück kommen, wenn ihre Wohnung etwas aufgeräumt ist, damit sie nicht wieder stürzt. Ich habe ihr meine Hilfe angeboten, auch wenn ich eigentlich keine Zeit habe, weil ich gerade einen neuen Job gefunden habe und viel zu tun habe. Davon werde ich Ihnen erzählen! Schauen Sie doch in der Zwischenzeit bei Instagram unter #PodClubNora und #zukkerimleben vorbei und üben Sie mit dem Vokabeltrainer in unserer App. Auf Wiederhören! Glossar: Zukker im Leben (D) [1] Chuchi: schweizerdeutscher Ausdruck für Küche
[2] Raclette: schweizerisches Gericht, verschiedene Käsesorten werden in einem Tischofen geschmolzen und zusammen mit Kartoffeln, Essiggurken und Silberzwiebeln gegessen
[3] bunt: gemischte, verschiedene Farben
[4] einschüchtern: jemandem Angst machen, damit man unsicher ist und den Mut verliert
[5] unangenehm: unwohl, sich nicht so ganz gut fühlen
[6] die Laktoseintoleranz: eine Milchzuckerunverträglichkeit
[7] das Rechaud: darauf stellt man den Topf beim Fondue, darunter hat es eine Kerze oder ein Gefäss mit Brennpaste, um den Topf warm zu halten
[8] blubbern: Das Geräusch, wenn eine Flüssigkeit kocht und sich Blasen bilden
[9] das Gefäss: Behälter
[10] kariert: mit Karos gemustert
[11] ersticken: durch den Mangel an Luft wird etwas gelöscht
[12] das Volksfest: regional typische Veranstaltungen mit langer Tradition
[13] die Wiese: mit Gras bewachsene grüne grosse Fläche
[14] brauen: Bier herstellen
[15] das Dirndl: eine für Bayern, Österreich und die Schweiz typische Art von Trachtenkleid, zu dem insbesondere eine weisse Bluse und eine Schürze gehören.
[16] die Tracht: typische Kleidung für einen kulturellen Brauch
[17] der Lebkuchen: mit Honig und Gewürzen gebackener Kuchen
[18] torkeln: hin und her schwanken, nicht mehr richtig gehen können
[19] stillos: geschmacklos, unschön, ohne Stil