Ach du dickes Ei!
Wir mögen es gekocht und gebraten, im saftigen Kuchen, in der Mayonnaise, im Pudding – und in der Umgangssprache. Das Ei ist in der Küche ebenso unersetzlich wie in zahlreichen Redewendungen – und das seit Jahrhunderten.
Also ganz ehrlich gesagt, wir wollen unserer an der deutschen Sprache interessierten Klientel hier und heute, im Grunde genommen aber immer, das Beste vom Guten, also kurz gesagt, „das Gelbe vom Ei“ bieten. Ist schließlich der leckerste Teil von diesem wohlschmeckenden wie nahrhaften Geschenk der Natur und deshalb kein Wunder, dass das „Gelbe vom Ei“ zum Sinnbild für etwas Perfektes, exakt Ausgeführtes oder erfolgreich Umgesetztes wurde. Dabei ist es egal, ob es sich nun um ein Kuchenrezept oder eine Bürgermeisterrede handelt.
Das Gelbe vom Ei und das dicke Ei
Mit anderen Worten: Das „Gelbe vom Ei“ ist immer erste Sahne. Und wenn etwas nicht das „Gelbe vom Ei ist“ – was häufig vorkommt –, dann beklagt man sich mit diesen Worten darüber, dass da noch einiges besser zu machen wäre. Übrigens: Ob das Ei nun groß oder klein, dick oder winzig ist, spielt für das sprachlich Gelbe vom Ei keine große Rolle.
Ganz anders ist das beim Ausruf „Ach du dickes Ei“. Hier muss man schon reichlich verwundert, überrascht und beeindruckt sein von etwas, eben genau so, wie man sich über ein gewaltig dickes Ei von einem Huhn wundern würde, das sonst nur ganz normal große Eier legt. Ein im übertragenen Sinne „dickes Ei“ ist häufig ein unerwarteter Schicksalsschlag. Zum Beispiel, wenn man erfährt, dass die ärztliche Untersuchung ein schlechtes Ergebnis ergab, die Zinsen für den aufgenommenen Kredit sich als drei Mal so hoch wie vermutet erweisen oder gar, dass die Partnerin einen mit dem besten Freund betrügt.
Sehr seltsames Geschöpf: die Eier legende Wollmilchsau
Ein höchst besonderes Tier ist die „Eier legende Wollmilchsau“. Das außergewöhnliche Wesen ist nicht etwa eine Neuzüchtung experimentierfreudiger Biologen oder die Erfindung eines Dichters. Kein Märchen hat ein solches Geschöpf zu bieten, nur die Umgangssprache. Und zwar für die utopische Vorstellung von einer Sache oder Person, die ausschließlich Vorteile bringt, ein richtiger Alleskönner, der einem alles bietet, was man braucht.
So wie das Tier, das Milch geben würde wie eine Kuh, Fleisch wie ein Schwein, Wolle liefern wie ein Schaf und eben Eier legen würde wie ein Huhn. Aber nochmal: Gibt's nur in der Fantasie, diese tollen Tiere.
Kleine Sensibelchen
Besonders sensible Menschen muss man „behandeln wie rohe Eier“, also mit Vorsicht und Bedacht, denn sonst sind sie beleidigt und die Freundschaft zu ihnen könnte zerbrechen wie das rohe Ei, wenn man es zu schnell aus der Packung holt. Eier sind fragil und vertragen keinen Druck. Auf Eiern zu laufen ist deshalb eigentlich unmöglich. Die Redensart „wie auf Eiern laufen“ tut es trotzdem und will damit zum Ausdruck bringen, dass jemand sich unsicher oder behutsam und vorsichtig bewegt, so wie Menschen im Winter auf glattem Eis.
Einen „Eiertanz“ gab es in früheren Jahrhunderten. Eier wurden auf den Boden gelegt, dazwischen mussten sich die Tänzer mit größter Sorgfalt und möglichst auch noch kunstvoll bewegen. Heute existiert der „Eiertanz“ nur noch sprachlich und drückt eher Umständlichkeit und unnötig komplizierten Stil aus, den Menschen benutzen, vor allem dann, wenn sie etwas verbergen wollen. Die Umgangssprache ist hier variantenreich. Statt „Mach nicht so einen Eiertanz!“ oder „Lass das Rumeiern!“ könnte man ebenso sagen: „Hör endlich auf, um den heißen Brei herumzureden!“.
Unbeliebte und ungelegte Eier
Kuckuckseier sind unbeliebt. In der Natur ist der Vogel dafür bekannt, dass er seine Eier anderen Vögeln ins Nest legt, auf dass die seine Arbeit erledigen, zu brüten und die Jungen aufzuziehen. Der ausgebrütete Kuckuck ist sogar so unverschämt und wirft die anderen Eier und Jungvögel aus dem Nest. Wenn einem jemand „ein Kuckucksei ins Nest legt“, verhält es sich ähnlich unangenehm. Aufgaben, für die man eigentlich nicht verantwortlich ist, bekommt man von anderen Menschen untergeschoben, kann ihnen aber kaum ausweichen.
Ein „ungelegtes Ei“ dagegen ist etwas, das zunächst nur als Idee existiert. Sich „um ungelegte Eier zu kümmern“ bedeutet, unnötige Energie für Dinge zu verschwenden, von denen man nicht weiß, ob sie jemals verwirklicht werden.
Das Ei des Kolumbus
Es ist zwar etwas aus der Mode geraten, aber kein Vortrag über die sprachliche Bedeutung des Hühnereis darf enden, ohne „das Ei des Kolumbus“ zu erwähnen. Wer es findet, hat die einfache Lösung für etwas scheinbar Unmögliches – was entsprechend selten vorkommt. Um die Entstehung dieser Redewendung ranken sich allerlei Anekdoten. Die am weitesten verbreitete ist die, dass der berühmte Seefahrer Christopher Kolumbus in einer großen Tafelrunde den Vorwurf hörte, die Entdeckung Amerikas hätte auch jeder andere zustande bringen können. Kolumbus soll daraufhin die Gäste aufgefordert haben, ein Ei auf seine Spitze zu stellen.
Alle Gäste scheiterten an der Aufgabe. Kolumbus drückte die Spitze des Eis ein, so dass es stand. Den Vorwurf, das sei ein fauler Trick und hätte jeder machen können, wies er zurück. Es habe zwar jeder gekonnt, aber er habe es getan. Nun mögen nicht nur zu Ostern alle an der deutschen Sprache Interessierten ganz viele Eier des Kolumbus finden, sondern jederzeit und an jedem Ort – sprachliche und auch welche im echten Leben.