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GERMANIA, Aline Abboud über Krieg im Libanon und Ostberliner Identität

Aline Abboud über Krieg im Libanon und Ostberliner Identität

Das lief an uns wie in einem Film vorbei.

Man hatte das Gefühl, es ist ein Film.

Man hat gedacht, das kann nicht euer Ernst sein.

Es ist 2006 und es gibt hier Krieg.

Ich heiße Aline Abboud.

Ich bin in Berlin Pankow aufgewachsen.

Das ist ehemalige DDR.

Ich bin Journalistin, Reporterin und Moderatorin.

Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sage ich gerne,

ich bin Halb-Libanesin mit Ostberliner Migrationshintergrund.

Ich bin kurz vor der Wende geboren, 1988,

meine Mutter kommt aus aus Berlin, mein Vater stammt aus dem Libanon.

Ich muss mich bis heute tatsächlich immer rechtfertigen,

dass ich natürlichem gewisser Weise Ost-sozialisiert bin,

durch die Erziehung meiner Eltern.

Das kann z.B. bedeuten, dass meine Mutter sehr darauf achtete,

dass sich bestimmte Terminologie benutze.

Z.B. hat sie immer gesagt, sag nicht Supermarkt sondern Kaufhalle.

Sag nicht Brathähnchen sondern Broiler, dass ich Schrippe sage

und nicht Brötchen.

Klar, das sind vielleicht auch spezifisch berlinerische Wörter,

aber das sind so Sachen, die ich bis heute so weiter trage,

klar könnte man meinen, mein Gott, du bist doch keine Ostdeutsche mehr,

aber ich denke, ne, das bisschen Vergangenheit,

das bisschen Identität möchte ich mir behalten.

Ich bin natürlich auch nicht nur mit dem Ostdeutschen aufgewachsen,

sondern auch mit der anderen Hälfte, das sind meine libanesischen Wurzeln.

Das war quasi genauso prägend, weil ich, seitdem ich zwei Jahre alt bin,

jedes Jahr in den Sommerferien in den Libanon fahre.

Ich habe eine große Familie dort, natürlich auch meine 15 Cousinen

und Cousins, die ich auch irgendwie meine Ersatzgeschwister waren.

Diese 6 Wochen Sommerferien rochen für mich immer

nach Meerwasser, Hummus und labbrige Pommes.

Pommes sind, das würde ich mittlerweile sagen,

ein libanesisches Gericht ist,

weil jede libanesische Mutter hat immer Pommes selbst gemacht.

Ich kenne auch keinen Libanesen oder Libanesin, die das nicht kennt.

Ich merke auch, wenn ich dort bin, bin ich ein bisschen anders,

es reicht schon, wenn ich einfach nur Arabisch oder Libanesisch rede.

Dadurch verändert sich auch lustigerweise mein Temperament.

Man ist oft sehr laut, es ist eine sehr temperamentvolle Sprache,

ich mag das aber auch, im Libanon bin ich die Libanesin.

Ich verbinde mit dem Libanon v.a. viel positive Erinnerungen.

Es ist meine zweite Heimat,

aber ich verbinde mit dem Land auch eine erschütternde Erinnerung.

Das war im Jahr 2006, wir sind damals, wie immer in den Sommerferien

nach Libanon geflogen, und ich kann mich daran erinnern,

als meine deutsche Oma anrief, und gesagt hat, bei euch ist Krieg.

In Deutschland haben die Leute das natürlich mitbekommen.

Dann sind plötzlich zwei Bomben hintereinander

unmittelbar in der Nähe eingeschlagen.

In dem Moment war das wirklich pure Todesangst.

Wir sind dann tatsächlich aufs Dach gerannt, haben 1 km entfernt von uns

die Rauchwolke gesehen, auch diesen Helikopter.

Die dort irgendetwas beschossen hatten.

Dieses Gefühl war nicht schön,

weil man auch nicht wusste, was weiter passiert.

Wir haben damals, als der Konflikt ernster wurde,

die deutsche Botschaft kontaktiert,

und ich kann mich noch sehr daran erinnern,

weil das für mich auch sehr dramatisieren war, dieser Tag,

an dem uns gesagt wurde,

heute geht der deutsche Konvoi, heute könnt ihr raus aus diesem Land,

als ich meine Familie im Stich lassen musste.

Weil sie eben nicht Deutsche sind. Das war schlimm.

Genauso war es aber auch so, dass sich nach dieser Erfahrung

mich glaube ich noch nie so libanesisch gefühlt habe,

wie nach dieser Zeit.

Und mich auch irgendwie zugehöriger zu meinen Wurzeln gefühlt habe.

Ich denke schon, dass es auch daran lag, dass ich das Gefühl hatte,

dass meine zweite Heimat bedroht wurde.

Und gleichzeitig so viel Leid ertragen musste,

und mich dann so zugehörig fühlte.

Gott sei Dank ist meiner Familie nichts passiert,

ich kann sie bis heute besuchen. Kann heute wieder in den Libanon fliegen.

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)


Aline Abboud über Krieg im Libanon und Ostberliner Identität Aline Abboud on war in Lebanon and East Berlin identity Aline Abboud sobre la guerra del Líbano y la identidad de Berlín Este Aline Abboud sulla guerra in Libano e sull'identità di Berlino Est アリーヌ・アブード、レバノン戦争と東ベルリンのアイデンティティを語る Алин Аббуд о войне в Ливане и идентичности Восточного Берлина Aline Abboud Lübnan'daki savaş ve Doğu Berlin kimliği üzerine

Das lief an uns wie in einem Film vorbei. Bir film gibi yanımızdan geçip gitti.

Man hatte das Gefühl, es ist ein Film.

Man hat gedacht, das kann nicht euer Ernst sein.

Es ist 2006 und es gibt hier Krieg.

Ich heiße Aline Abboud.

Ich bin in Berlin Pankow aufgewachsen.

Das ist ehemalige DDR.

Ich bin Journalistin, Reporterin und Moderatorin.

Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sage ich gerne, When someone asks me where I come from, I like to say

ich bin Halb-Libanesin mit Ostberliner Migrationshintergrund. Doğu Berlin göçmeni bir geçmişe sahip yarı Lübnanlıyım.

Ich bin kurz vor der Wende geboren, 1988, I was born shortly before the fall of the Wall in 1988

meine Mutter kommt aus aus Berlin, mein Vater stammt aus dem Libanon. my mother is from Berlin, my father is from Lebanon.

Ich muss mich bis heute tatsächlich immer rechtfertigen, I actually always have to justify myself to this day,

dass ich natürlichem gewisser Weise Ost-sozialisiert bin,

durch die Erziehung meiner Eltern.

Das kann z.B. bedeuten, dass meine Mutter sehr darauf achtete, Bu, örneğin annemin buna çok dikkat ettiği anlamına gelebilir,

dass sich bestimmte Terminologie benutze. belirli bir terminolojinin kullanıldığını belirtmiştir.

Z.B. hat sie immer gesagt, sag nicht Supermarkt sondern Kaufhalle.

Sag nicht Brathähnchen sondern Broiler, dass ich Schrippe sage Kızarmış tavuk demeyin, piliç deyin, krep diyorum.

und nicht Brötchen.

Klar, das sind vielleicht auch spezifisch berlinerische Wörter,

aber das sind so Sachen, die ich bis heute so weiter trage,

klar könnte man meinen, mein Gott, du bist doch keine Ostdeutsche mehr,

aber ich denke, ne, das bisschen Vergangenheit,

das bisschen Identität möchte ich mir behalten.

Ich bin natürlich auch nicht nur mit dem Ostdeutschen aufgewachsen,

sondern auch mit der anderen Hälfte, das sind meine libanesischen Wurzeln.

Das war quasi genauso prägend, weil ich, seitdem ich zwei Jahre alt bin,

jedes Jahr in den Sommerferien in den Libanon fahre.

Ich habe eine große Familie dort, natürlich auch meine 15 Cousinen

und Cousins, die ich auch irgendwie meine Ersatzgeschwister waren.

Diese 6 Wochen Sommerferien rochen für mich immer

nach Meerwasser, Hummus und labbrige Pommes.

Pommes sind, das würde ich mittlerweile sagen,

ein libanesisches Gericht ist,

weil jede libanesische Mutter hat immer Pommes selbst gemacht.

Ich kenne auch keinen Libanesen oder Libanesin, die das nicht kennt.

Ich merke auch, wenn ich dort bin, bin ich ein bisschen anders,

es reicht schon, wenn ich einfach nur Arabisch oder Libanesisch rede.

Dadurch verändert sich auch lustigerweise mein Temperament.

Man ist oft sehr laut, es ist eine sehr temperamentvolle Sprache,

ich mag das aber auch, im Libanon bin ich die Libanesin.

Ich verbinde mit dem Libanon v.a. viel positive Erinnerungen. Lübnan'la ilgili pek çok olumlu anım var.

Es ist meine zweite Heimat,

aber ich verbinde mit dem Land auch eine erschütternde Erinnerung.

Das war im Jahr 2006, wir sind damals, wie immer in den Sommerferien

nach Libanon geflogen, und ich kann mich daran erinnern,

als meine deutsche Oma anrief, und gesagt hat, bei euch ist Krieg.

In Deutschland haben die Leute das natürlich mitbekommen.

Dann sind plötzlich zwei Bomben hintereinander

unmittelbar in der Nähe eingeschlagen.

In dem Moment war das wirklich pure Todesangst.

Wir sind dann tatsächlich aufs Dach gerannt, haben 1 km entfernt von uns

die Rauchwolke gesehen, auch diesen Helikopter.

Die dort irgendetwas beschossen hatten.

Dieses Gefühl war nicht schön,

weil man auch nicht wusste, was weiter passiert.

Wir haben damals, als der Konflikt ernster wurde,

die deutsche Botschaft kontaktiert,

und ich kann mich noch sehr daran erinnern,

weil das für mich auch sehr dramatisieren war, dieser Tag,

an dem uns gesagt wurde,

heute geht der deutsche Konvoi, heute könnt ihr raus aus diesem Land,

als ich meine Familie im Stich lassen musste.

Weil sie eben nicht Deutsche sind. Das war schlimm.

Genauso war es aber auch so, dass sich nach dieser Erfahrung

mich glaube ich noch nie so libanesisch gefühlt habe,

wie nach dieser Zeit.

Und mich auch irgendwie zugehöriger zu meinen Wurzeln gefühlt habe.

Ich denke schon, dass es auch daran lag, dass ich das Gefühl hatte,

dass meine zweite Heimat bedroht wurde.

Und gleichzeitig so viel Leid ertragen musste,

und mich dann so zugehörig fühlte.

Gott sei Dank ist meiner Familie nichts passiert,

ich kann sie bis heute besuchen. Kann heute wieder in den Libanon fliegen.

Untertitel: ARD Text im Auftrag von Funk (2019)