Podcast #1: Das Kommando Spezialkräfte der Marine - Bundeswehr (2)
A: Zum Thema Einsätze: Wie oft geht man denn als aktiver Kampfschwimmer so im Schnitt in
den Einsatz?
B: Ja, das kommt immer ganz darauf an, was die Politik gerade entscheidet.
Momentan ist es wieder sehr sehr viel.
Also jeder Kampfschwimmer geht mindestens einmal im Jahr in den Einsatz und dann eher
öfter und die Länge ist halt auch immer unglaublich variabel.
Das kann von, wir sind nur drei Wochen vor Ort, weil eine Sache erledigt werden muss
bis hin zu sechs Monate am Stück irgendwo eingeschifft oder wie jetzt in Niger, dort
wird militärische Ausbildung der Spezialkräfte von Niger durchgeführt und dann ist man sechs
Monate da.
Lebt in dem Camp und bildet militärische Kräfte aus.
A: Ohne einmal nach Hause zu kommen.
B: Ohne einmal nach Hause zu kommen.
A: Das ist hart.
B: Das ist der Job.
Das gehört dazu.
Dafür hat man die Ausbildung gemacht und dafür hat man sich am Anfang mal entschieden.
Also das gehört dazu, das will auch jeder Kampfschwimmer.
Das muss man sich so ein bisschen vorstellen wie ein Fußballer der immer trainiert und
nicht eingesetzt wird.
Die werden ja auch sehr schnell sehr sehr unzufrieden und so geht es uns auch natürlich.
Ist eine hohe Einsatzbelastung, eine Belastung zu Hause, für einen selbst, aber dafür haben
wir uns entschieden und dafür machen wir den Job.
A: Ich glaube das geht aber jedem Soldaten so.
Ich unterstelle das jetzt einfach mal.
Könnte ich mir vorstellen, dass wenn man so lange ausgebildet wird für einen speziellen
Einsatz für eine Verwendung, dann will ich das natürlich auch machen.
Das ist ja vom kleinsten bis zum größten Dienstgrad so, kann ich mir vorstellen.
Wenn man Hauptmann ist der noch nie irgendwas geführt hat fragt er sich auch wozu bin ich
denn Hauptmann geworden?
B: Genau.
Um den Gedanken noch mal aufzugreifen: alle Kampfschwimmer sind groß stark böse und
wollen nur töten.
Genau das ist es nämlich nicht.
Jeder hat sich natürlich aus unterschiedlichen Gründen für den Job mal entschieden.
Bei mir war es tatsächlich so, dass ich ja helfen wollte.
Ich habe mir dann vorgestellt: in 2009 gab es diesen Einsatz mit der „Hansa Stavanger“.
Ein Hamburger Schiff, von einer Hamburger Reederei mit einem Captain, mit einem Deutschen,
der gekidnappt worden ist und ich habe mir dann vorgestellt: Wie wäre das, wenn das
mein Vater wäre?
Dann würde ich ja auch wollen, dass jemand eben hinfliegt und den da wieder rausholt.
Ich habe mich halt körperlich und geistig dazu in der Lage gefühlt und wollte dann
unbedingt diese Ausbildung machen und meinen Teil dazu beitragen, eben sowas machen zu
können.
A: Was war denn dann deine Verwendung innerhalb des Teams der Kampfschwimmer?
B: Ich habe drei Jahre insgesamt für die Ausbildung gebraucht, um nur den Fisch zu
bekommen und dann kommt man ins Team in der Kampfschwimmerkompanie und dann fängt es
eigentlich erst an mit Spezialisierung.
Ich war Medic im Einsatzteam und das ist eine sehr langwierige Ausbildung, weil man erst
mal den Einsatzsanitäter macht.
Dann die ganzen Ausbildungen innerhalb der Bundeswehr, was so Combat Medizin angeht.
Wie lege ich einen Tourniquet an?
Wie kann ich Entlastungspunktion durchführen, also wenn jemand angeschossen ist, wie behandel
ich den Verwundeten?
Und das kann man tatsächlich bis ins Endlose weitertreiben.
Ich habe dann in Amerika, die sind sehr sehr weit, weil sie natürlich viel in kriegerischen
Einsätzen unterwegs sind, die ganze Ausbildung gemacht.
Alles was man weltweit in Medic-Ausbildung machen konnte habe ich dann versucht zu bekommen.
Hab das gemacht bis hin zu man trainiert an Leichen in der Hamburger Pathologie.
Sowas haben wir dann alle gemacht, um uns möglichst gut für den Ernstfall vorzubereiten,
weil und dann haben wir den Brückenschlag wieder zu den Kameraden, der auch inzwischen
Familie geworden ist, Freund geworden und wenn der neben einem getroffen wird, dann
ist das schon eine sehr sehr besondere Situation, die man sonst in einem Beruf nicht so hat.
Dem Arbeitskollegen im Büro, den verlass ich um 16:00 Uhr und bei uns ist es eben nicht
so.
A: Das Leben von deinem Rottenbuddy hängt auch an deinem Können, das verstehe ich.
Das ist dann aber auch eine hohe Belastung, würde ich mir vorstellen, für dich.
War das so, dass du dann denkst oh gott, hoffentlich mache ich nichts verkehrt
B: Für mich war es keine Belastung.
Für mich war es eine Motivation oder ist es eine.
Motivation tatsächlich heute noch.
Ich bilde mich natürlich immer noch weiter, obwohl ich jetzt eben als Offizier oder zukünftiger
Offizier dann den Personalwerbetrupp für die Kampfschwimmer leite und dort eben für
Nachwuchsgewinnung zuständig bin.
Ich bin trotzdem immer noch angehalten, all meine Scheine am Leben zu erhalten und mach
die Weiterbildungen immer noch weiter um eben, falls mal solche Situationen kommen, ich habe
ja immer noch diesen „combat-ready“-Status.
Das heißt, ich kann jederzeit zu Einsätzen hinzugerufen werden und dann will ich natürlich
bestmöglichst immer noch vorbereitet sein.
A: Jetzt haben wir noch nicht über dein Alter gesprochen.
Du hast jetzt schon so viel gelernt, du hast so eine lange Ausbildung aber du bist ja nicht
alt.
Wie alt bist du?
B: Ich bin 38.
A: 38?
Also wenn man jetzt so hört was du schon gelernt hast und wieviel Ausbildung so in
so einem Mann steckt; 38 ist kein Alter.
Was wäre denn für einen Kampfschwimmer so Ende?
Wann kann man nicht mehr?
Wenn man selber entscheidet, oh Gott ich bin zu klapprig?
Wenn das böse Ende kommt oder wenn der Dienstherr sagt, so jetzt geht‘s nicht mehr?
B: Das ist ganz individuell.
Der Dienstherr wird nicht sagen, so für dich ist jetzt hier vorbei.
Das böse Ende will ich natürlich für niemanden hoffen und das andere entscheidet jeder für
sich selbst.
Wir müssen einmal im Jahr zur Tauglichkeitsuntersuchung zum Arzt und da wird einmal komplett durchgecheckt.
Von Gelenken über innere Funktion wird alles einmal überprüft und so lange der Arzt sagt
da ist alles okay da kann man natürlich weitermachen.
Wenn ich meine Scheine erhalte, meine Fallschirmsprünge, meine Tauchgänge, meinen Schießtest bestehe,
dann kann ich immer noch „combat-ready“ bleiben und als Kampfschwimmer arbeiten.
Wenn aber irgendwann mein Knie sagt bis hier hin und nicht weiter muss ich natürlich selbst
entscheiden.
Okay, hier kann ich nicht mehr im Einsatzteam arbeiten, ich muss mir einen Bürojob suchen
und weiter für die Kampfschwimmer tätig sein.
Das funktioniert bei uns nämlich ganz gut.
Wir haben ja im KSM, also dem Kommando Spezialkräfte der Marine, haben wir nicht nur Kampfschwimmer,
sondern auch ganz ganz viel Unterstützungspersonal.
Also auf einen Kampfschwimmer kommen ungefähr sieben Unterstützer.
Wir brauchen natürlich unglaublich viel Material was in der Weiterentwicklung ständig weiterentwickelt
wird.
A: Muss auch gewartet werden, stell ich mir vor.
B: Genau.
Das muss gewartet werden, das muss organisiert werden.
Wir haben einen riesen Stab, der die Einsätze und Übungen koordiniert.
Also da gibt's ganz ganz viel zu tun.
A: Ihr seid ja eine Kompanie.
Da wird's ja auch das übliche Kompaniepersonal geben?
B: Genau, das ist ganz normal.
In der Kampfschwimmerkompanie gibt es einen Kompaniechef, einen Spieß, das Geschäftszimmer,
was natürlich alles sehr sehr freundschaftlich gehandhabt wird.
Bei uns geht es nicht so extrem militärisch zu.
Das heißt, ich kann ganz einfach zu meinem Spieß gehen und sagen „Hey wie geht's
dir heute?
Ich habe das und das Problem.“
Also das ist wenig, ich sag jetzt mal, militärisch.
Bei uns zählt dann eher die Leistung und wenn es militärisch wird dann im Einsatz.
A: Wie viel braucht es für dich um combat-ready zu bleiben?
Wieviel, ich sag mal Sporteinheiten machst du am Tag.
Wieviel muss ich mir da so vorstellen braucht es um fit zu bleiben?
B: Jeder Kampfschwimmer ist in erster Linie erst mal für sich selbst verantwortlich.
Wir haben zwar einen Diplomsportlehrer der uns dabei hilft und Trainingspläne erstellen
kann.
Aber ich muss das für mich selbst entscheiden und versuche dann alles abzudecken.
Also ich muss laufen, schwimmen, Krafttraining machen und jeder Kampfschwimmer macht tatsächlich.
Jeden Tag Sport, jeden Tag mehrere Stunden.
Sport und Ernährung ist natürlich auch ganz wichtig.
A: Was machst du da so?
Also Dauerdiät oder besondere Ernährung in irgendeine Richtung?
B: Nein tatsächlich nicht.
Ich versuche bisschen weniger Kohlenhydrate zu mir zu nehmen was mal gut funktioniert
mal nicht gut funktioniert, weil Nudeln dann doch sehr lecker sind.
Aber ja, das ist wo man drauf achtet.
Aber wenn man viel Sport macht, dann kann man natürlich so ziemlich alles essen, muss
halt nur drauf achten, dass es eine gute Qualität hat.
Also ich würde jetzt nicht so Currywurst Pommes essen, sondern bevorzuge dann eher
den Salat mit Hähnchenbrust.
Aber ansonsten ist Sport das Allerwichtigste, was ich auch sehr sehr gerne mache da ich
aus dem Sport komme.
Ich habe früher Wasserball gespielt und bin schon immer mit Sport groß geworden und das
ist halt ein Teil meines Lebens.
A: Ist das von Nöten, dass man sportaffin ist?
Irgendwo glaub ich schon, oder?
B: Unbedingt, ja.
Wenn man eher so der Couchpotatoe ist und sagt „Sport ist nicht meins“, dann wird
es in der Ausbildung auch sehr sehr schwer.
Also das waren Belastungen, die man sich so nicht vorstellen kann.
Gerade in der Freiwasserphase, das heißt dort wo man das Tauchen im freien Wasser in
der Eckernförder Bucht kennenlernt, hat man zum Beispiel mittwochs immer das Seeschwimmen,
was von drei Kilometern relativ schnell wöchentlich auf zehn Kilometer erhöht wird und dann mit
dem 30 Kilometer Abschlussschwimmen endet.
Schon allein das sind Belastungen und weil das noch nicht genug ist macht man halt vorher,
den Tag vorher, den 30 Kilometer Lauf und in diesen drei Monaten gehört halt auch immer
dieser Freitagslauf dazu.
Der ist auch relativ berühmt wo man dann vier, fünf Stunden durch das Eckernförder
Umland läuft und dort eben ganz ganz viele militärische Übungen durchführt, die einfach
notwendig sind um die körperliche Fitness mal tatsächlich zu steigern.
A: Jetzt stell ich mir vor bist du leiderprobt.
Kampfschwimmer werden irgendwie ins kalte Wasser geschubst, müssen dann zurück an
Land schwimmen, um über weiß ich nicht wie viele Kilometer, wie du eben schon gesagt
hast, an mehreren Tagen hier mal 30 Kilometer schwimmen, da mal 30 Kilometer laufen.
Wann kommt der punkt wo Tilo Beyer sagt: „so, jetzt reicht‘s“?
B: Ja, das dauert relativ lange tatsächlich.
Also es kommt immer auf die äußeren Umstände an, wenn es in meinem persönlichen Umfeld
alles gut ist, wenn es mir gut geht, dann ist dieser Punkt so gut wie nie erreicht.
Tatsächlich, ich glaube dass ich ein sehr sehr belastbarer Mensch bin, der einfach auch
äußere Umstände akzeptieren kann.
Das ist ganz ganz wichtig.
A: Weil du dich motivieren kannst oder weil du das abstellst?
Weil du sagst „das ist mein Job, das ist meine Pflicht.
Ich ziehe das jetzt durch das hat irgendwann ein Ende“?
B: Genau, genau.
Und ein gutes Motto ist, glaube ich, Dinge die ich nicht beeinflussen kann, die kann
ich halt nicht beeinflussen und versuche das auch gar nicht erst.
Also wenn ich einen Auftrag habe im Wald irgendeinen Beobachtungspunkt einzurichten, dort ne Woche
zu liegen, wo ich eventuell beobachtet werden kann, selbst aufgeklärt werden kann und ich
kein Feuer machen kann, dann ist das halt so.
Dann kann ich halt ne Woche nur Müsliriegel essen, kaltes Wasser trinken, schlottern,
in meinem eigenen Saft liegen, nass auf dem Waldboden und dann regnet's vielleicht noch
und das sind alles Dinge, die ich nicht beeinflussen kann.
Die ich einfach aber akzeptieren kann und mir dann ne schöne Woche im Wald machen.
A: Ach ja und was stellt man sich dann so vor?
Also ich könnte mir vorstellen, wenn ich daliegen würde, dann würde ich die ganze
Zeit darüber nachdenken was ich danach mache.
Sauna, Schnitzel essen …
B: Ja, solche Gedanken kommen natürlich,
klar.
Aber währenddessen ist das halt schwierig, weil wenn man dann denkt „jetzt könnte
ich aber viel bessere Sachen machen“, dann sinkt die Motivation natürlich.
A: Also nicht darüber nachdenken?
B: Genau.
Also während der 30 Kilometer schwimmen zum Beispiel, natürlich kommt einem der Gedanke
„ich könnte jetzt mit ner Tüte Chips auf dem Sofa sitzen und Netflix gucken“, aber
das bringt einen ja nicht weiter.