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Funkkreis. Podcast der Bundeswehr, Podcast #22: Corona-frei im Einsatz | Deutschlands größtes Kriegsschiff

Podcast #22: Corona-frei im Einsatz | Deutschlands größtes Kriegsschiff

Delta to all, radiocheck. Over.

Hier ist Bravo. Kommen.

This is Tango. Over.

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

A: Herzlich willkommen zum Funkreis. Heute gehen wir mal mit unserem Podcast auf Hohe See.

Ich spreche nämlich gleich mit dem Schiffsarzt des Einsatzgruppenversorgers Berlin. Der ist

gerade in der Ägäis unterwegs und verstärkt die Standing Nato Maritime Group 2. Die wiederum

sorgt vor den Küsten der Krisengebiete in Nordafrika und Nahost für Sicherheit. Und

zwar immer gemeinsam mit den Schiffen anderer NATO-Partner. Ihre Hauptaufgaben dort sind

die Kontrolle und der Schutz strategisch wichtiger Seewege. Schutz aber braucht natürlich auch

die Besatzung, und zwar gerade jetzt vor dem Coronavirus. Verantwortlich für die Gesundheit

der insgesamt 191 Männer und Frauen an Bord ist der Flottillenarzt Stephan Laumann.

So, und jetzt probieren wir das mal, wie das klappt mit dem Satellitentelefon rauf auf See.

(Telefon klingelt)

C: Einsatzgruppenversorger Berlin … Schönen guten Tag.

A: Ja schönen guten Tag, Barbara Gantenbein aus der Redaktion der Bundeswehr. Ich würde

gerne den Schiffsarzt sprechen.

C: Aber natürlich, ich stelle sofort durch.

A: Danke sehr.

C: Bitte

(Rufweiterleitungston)

B: Laumann

A: Ja, Hallo hier ist Barbara Gantenbein. Guten Tag Herr Laumann.

B: Guten Tag Frau Gantenbein.

A: Wo sind sie denn gerade unterwegs? Im Moment.

B: Also ich persönlich bin in meiner Kammer an Bord, und wir sind gerade in der Ägäis.

So etwa zwischen Chios und Cesme.

A: Und was haben sie für ein Wetter? Ist es gut?

B: Wir haben hochsommerliches Wetter.

A: Okay. Sitzen sie denn im Moment auf glühenden Kohlen und beäugen jedes Husten mit Argwohn,

wenn da was ist bei der Mannschaft? Oder fühlen sie sich ganz sicher durch die ganzen Tests

und Quarantäne vorher?

B: Also wir fühlen uns relativ sicher. Also kurioserweise muss ich sagen, wir haben gar

keine Fälle von Schnupfen, Husten, Heiserkeit. Das ist sehr überraschend. Also normal bei

Seefahrten stellen sich im Durchschnitt drei Kameraden, Kameradinnen pro Tag im Schiffslazarett

vor, die über Beschwerden eines grippalen Infektes klagen. Das haben wir jetzt hier

überhaupt nicht - sicherlich in Folge unserer Corona-Schutzmaßnahmen.

A: Es ist wirklich erstaunlich, toll. Sie waren ja vierzehn Tage in Quarantäne

bevor es losging, wo waren sie denn da untergebracht.

B: Wir hatten für die Marine, beziehungsweise die fahrende Flotte, eine Sonderform von Quarantäne,

angepasst an unsere Situation. Von anderen Einsatzkontingenten, die etwa nach Afghanistan

verlegen, kennt man das so, oder hat es sich so etabliert, dass die zusammen jeder in einem

Einzelzimmer in einer militärischen Liegenschaft oder notfalls auch in ein Hotel gehen. Und

dort für zwei Wochen komplett von der Außenwelt isoliert werden, um sicher zu stellen, dass

sie bei Eintreffen im Einsatzgebiet keine Coronaviren einschleppen. Wir haben das, so

gemacht, dass wir unseren Transit als Quarantäne-Maßnahme

organisiert haben. Also wir sind in Wilhelmshaven

los gefahren am 2. April. Waren am 4. April in Kiel und haben dann unsere Corona-Prophylaxe-Maßnahmen

drastisch verschärft bis hin zum ganztägigen Tragen von Gesichtsmasken. Und alles was man

aus der Presse kennt. Abstandsregelungen, etwa vor der Schlange bei der Essensausgabe

oder beim Essen. Jeden zweiten Sitzplatz unbesetzt lassen, gehäuftes Händewaschen und so weiter.

Zwischendurch Handdesinfektion und so weiter. Und nahe zu kompletter

Verzicht auf jegliche Außenkontakte.

A: Durften sie in Kiel noch mal von Bord?

B: Nein. Die vier Tage waren wir in Kiel die ganze Zeit an Bord.

Es ist niemand von Bord gegangen.

A: Mhm

B: Und wir haben dann in Kiel bei der Gesamtbesatzung, also grob 190 Leuten, Abstriche auf Coronavirus

gemacht. Und unmittelbar also kurz nach dem Auslaufen aus Kiel haben wir dann die Ergebnisse

bekommen. Es waren alle Besatzungsmitglieder Corona negativ.

A: Mhm

B: Wir haben dann diese, diese Sicherheitsmaßnahmen an Bord fortgesetzt. 14 Tage lang und unmittelbar

vor Einlaufen in den ersten Hafen im Mittelmeer Souda auf Kreta, haben wir noch einmal eine

zweite Abstrichserie bei der gesamten Besatzung gemacht. Es waren dann auch alle negativ.

So dass wir jetzt ziemlich sicher sagen können, dass niemand an Bord eine Corona-Infektion

hat. Oder beziehungsweise, dass das Schiff frei von Corona-Viren ist.

A: Also der sicherste Ort auf dem deutschen Boden. Weil komplett isoliert

und alle sind gesund.

B: Ja kann man so sagen, ja.

A: Es kam ja noch zwischendurch ein Helikopter, der ihnen noch Material gebracht hat.

Und sie hatten ja auch noch einen medizinischen-technischen Assistenten an Bord.

Was dessen Aufgabe war? Und was das besondere an der ganzen Sache war?

B: Ja gerne. Wie sie schon sagten, in Kiel kam ein medizinisch-technischer-Laborassistent

an Bord vom Schiffahrtsmedizinischen Institut der Marine. Ein lebenserfahrener und berufserfahrener,

bewährter Mann. Der, der die Corona-Virusdiagnostik bei uns an Bord gemacht hat. Mit ihm zusammen

kam auch ein entsprechendes Gerät. Dieses Gerät hatten wir dann bei Auslaufen bei Kiel

an Bord. Aber noch nicht, die zugehörige Spezialchemie.

Wir brauchten da etliche Reagenzien und Materialien und auch noch weitere Abstrichröhrchen.

Die sind aus München zugeführt worden. Und im letzten Stückchen über einen Hubschraubers

des Marinegeschwaders 5 aus Nordholz in die Nordsee hinterher geflogen wurden.

A: Das ist ja auch eine ganz besondere Situation. Es wird sehr selten vorkommen so was ja.

B: An ähnliches kann ich mich auch nicht erinnern.

A: Mhm

B: Und der Kamerad, der medizinische Laborassistent, der hat dann fast rund um die Uhr gearbeitet.

Und dann waren wir nach einigen Tagen in der Lage auch selbst bei uns an Bord,

die Coronadiagnostik vorzunehmen.

A: War das eine interessante Erfahrung für sie? Ich habe gelesen es wurde auch die Kiel

telemedizinisch betreut.

B: Ja.

A: Also jetzt im Moment eine seltsame Situation, dass man ganz viel mit Video und Telefonie

und so weiter macht. Wie haben sie das denn erlebt? Also war das bereichernd? Denken sie,

dass würde sich auch für andere Situationen eignen?

B: Das war schon spannend, ein echtes Pilotprojekt. Ich wüsste auch nicht, das irgendwelchen

anderen militärischen oder anderen militärischen Schiffe über diese Technik und über diese

Möglichkeiten verfügten. Das war wirklich sehr spannend. Und tele-medizinisch, weil es

ein neues und modifiziertes Testverfahren war, muss es qualifiziert auch von einem Mikrobiologen

betreut werden. Der uns dann auch über Stunden auch bis tief in die Nacht aus München zu

uns hinzugeschaltet war.

A: Ja das ist schon sehr spannend. Da haben sie absolut recht. Ich komme mal wieder zurück

so ein bisschen zum Alltag an Bord. Sie haben eben schon gesagt, die notwendigen Einschränkungen

an Bord im Transit. Also ich erinnere mich selbst, ich bin im mit schon mit zur See gefahren

bei Operation-Sophia. Und ich weiß, da ist nicht ganz so wahnsinnig viel

Platz, wenn man zum Beispiel ansteht zum Essen. Wie haben sie denn das hingekriegt, dass die

Leute da wirklich den Abstand halten konnten? Also haben sie dann in Schichten gegessen

mit viel Zeit-Versatz dazwischen? Und auch auf Kammer ist man ja doch relativ dicht beisammen.

B: Also wir haben versucht zwei Meter oder absolutes Minimum ein Meter fünfzig einzuhalten.

Das ist aber an Bord, wie Sie schon sagen, kaum realisierbar. Unsere Gänge, die haben

zum Teil eine Breite von nur einem Meter. Aber wir haben versucht was möglich ist.

Vor der Essensausgabe haben wir zum Beispiel immer Abstand von einem Meter fünfzig Klebestreifen

auf den Boden geklebt. Als Positionsmarkierung damit die Kameraden,

Kameradinnen ein Meter fünfzig Abstand halten. Dann haben wir alle Besprechungen, die nicht

unbedingt nötig sind vorübergehend ausgesetzt. Und den teilnehmenden Personenkreis reduziert.

Wir haben leider auch auf viele Ausbildungen verzichten müssen. Zum Beispiel erste Hilfe-Ausbildung.

Das versteht sich von selbst, man kann keine erste Hilfe leisten im Abstand von zwei Metern.

A: Ja, klar man muss ja dicht aneinander

B: Das holen wir jetzt alle nach. Schwierig zu praktizieren, aber es ist uns schon unter

unseren Bedingungen, glaube ich ziemlich gut gelungen.

A: Ja das klingt nicht ganz so. Und jetzt wo sie jetzt wissen, dass keiner infiziert

ist, da können sie wahrscheinlich ganz normal arbeiten wie immer oder?

B: Ja wobei wir in paar Dinge durchaus beibehalten haben.

A: Zum Beispiel?

B: Eine Maßnahme war zum Beispiel, dass nahezu rund um die Uhr Trupps zu zwei Personen ständig

durch das Schiff gelaufen sind. Und alle Türklinken, Handläufe in den Niedergängen, beziehungsweise

Treppenhäusern, Griffe an den Schotten desinfiziert haben.

Und ich sagte ja schon, wir sind da jetzt seit fast vier Wochen unterwegs. Ich behandele

hier überhaupt keine an Husten-, Schnupfen-, Heiserkeit-Erkrankten. Es ist auch noch niemand

mit Durchfall bei mir. Das kenne ich von Seefahrten ganz anders.

Das mag multifaktoriell sein, aber ich meine dass die Desinfektionsmaßnahmen da

auch einen erheblichen Teil zu bei getragen haben. Also es hat sich irgendwie bewährt,

auch Corona unabhängig.

So dass wir das jetzt zwar in gelockerter Form und nicht mehr rund um die Uhr, Aber

doch noch regelmäßig beibehalten werden.

A: Ja, das ist vernünftig. Das klingt wirklich sehr gut. Aber ich meine, es ist trotzdem

allem bei diesem Einsatz ist ja auch ganz vieles auch anders als sonst. Das Thema Landgang.

Wie ist denn die Situation da? Also normalerweise sie laufen ja nur noch den Hafen Souda-Bay

auf Kreta an, um versorgt zu werden. Und normalerweise durften ja die Frauen und Männer dann auch

Landgang machen. Durften von Bord. Wie ist denn die Situation jetzt?

B: Üblicherweise war es so, dass wir in der gesamten Einsatzzeit etwa siebzig Prozent

Seetage, und dreißig Prozent Hafentage hatten. Bei den Hafentagen waren dann der Einlauftag

mitgezählt. Letztlich war es ein bisschen weniger. Wenn ich nicht gerade Hafenwache

hatte, konnte ich von Bord gehen. Das ist ja auch ein Teil dessen, was den Reiz der Seefahrt

hat, ausmacht. Das fällt jetzt weg.

A: Ja absolut

B: In die türkischen Häfen laufen wir gar nicht mehr ein. In griechischen Häfen außer

Souda-Bay auch nicht mehr. Souda-Bay ist der einige Hafen, der von uns noch angelaufen

wird. Aber auch dort gibt es keinen Landgang Also ein kleines Stückchen auf der Pier,

auf der die Beine vertreten werden.

A: Ja. Wie gehen die Leute damit um?

B: Das also zurzeit noch sehr gut, aber ich fürchte, das das im Laufe der Zeit schon

noch zu Problemen führen wird. Geplant sind fünfeinhalb Monate. Und fünf einhalb Monate

gar nicht aus dem Schiff zu kommen, das hat schon was von Haft.

A: Ja das ist Hammer hart. Das stimmt.

B: Aber in Afghanistan, in Kunduz, kennt man es auch nicht anders. Aber da hatte man wenigstens

festen Grund unter den Füssen.

A: Ja, und man kann auch anders Sport machen. Und all diese Dinge. Man hat ja doch echte

Einschränkungen. Können sie denn, wenn das Wetter gut ist, an Deck so ein bisschen Sport

machen? Einfach, dass man sich ein bisschen auspowern kann?

B: Ja das ist möglich. Machen auch viele Kameraden. Wir haben ja hinten ein Deck zur

Landung von Hubschraubern. Da kann man schon Laufen. Es ist natürlich nicht mit einem

Sportplatz zu vergleichen, aber es sorgt zumindest für frische Luft und etwas Bewegung.

A: Ja. Und wenn sie jetzt Lebensmittel an Bord nehmen, also wenn sie versorgt werden.

Wie läuft denn das denn jetzt ab? Normalerweise ich kenn das als Alle-Mann-Manöver. Gibt

es das jetzt noch? Kann das noch stattfinden und wenn ja, in welcher Form?

B: Also als Einsatztruppenversorger haben wir da eine etwas komfortablere Situation,

durch unsere Bord-Kräne und eine Ladeluke. Wir können praktisch kontaktlos Pakete und

Gitterbox-Paletten, oder auch Container, an Bord nehmen. Das reicht, wenn jemand aus der

Schiffsversorgung auf Abstand von zwei Meter ganz kurz Verhandlungen mit dem Schiffagenten

führt. Und ansonsten müssen keine persönlichen Kontakte zu Externen stattfinden.

A: Dürfen denn überhaupt noch irgendwelche Fremden an Bord?

B: Ja, wir werden es wohl nicht vermeiden können, auch mal einen Lotsen mit an Bord

mitzunehmen. Aber dann werden die Kontakte auf das absolute Minimum begrenzt. Und solange

wie der Lotse auf der Brücke ist, werden auch alle wieder Masken tragen. Und das übliche,

was sie aus der Presse kennen. Begrüßung ohne Handschlag, Abstand halten und so weiter.

A: Und falls jetzt trotz aller Sicherheitsmaßnahmen doch eine Infektion auftauchen würde, haben

sie die Möglichkeit an Bord Personal zu isolieren?

B: Ja das ist schwierig. Also wir haben eine relativ große Bettenstation. Wir können

35 Betten bieten. Das ist auch eine Luxus-Situation, verglichen mit Fregatten oder Korvetten.

Aber eine gute Isolierung zum Beispiel mit entsprechend angepasster Luftführung und

Schleusen Systemen, ist nur improvisierend möglich.

A: Aber leicht erkrankte könnten sie eine Menge behandeln. Wie wäre es denn, wenn ein

Beatmungsgerät gebraucht würde. Haben sie so etwas an Bord?

B: Ja also wir sind hier mit einer Role 1 unterwegs. Das heißt also, wenn man so will,

so eine Mischung aus Notarztwagen

und allgemeinärztlicher Praxis. Wir sind jetzt nicht im Krankenhausmodus.

Notfälle kann man jederzeit erstversorgen. Und auch noch etliche Stunden bis einige Tage

weiter versorgen. Aber das ist nicht beliebig durchhaltefähig. Also wir haben zum Beispiel

kein examiniertes Krankenpflegepersonal an Bord. Und ich bin auch der einzige Arzt. Also

das Ziel wäre dann, falls ein Patient intensivpflichtig werden sollte, und auch voraussichtlich mehrere

Tage intensivpflichtig bleiben sollte, den dann doch an ein Krankenhaus abzugeben.

A: Verstehe. Der würde dann quasi mit dem Helikopter abgeholt.

B: Ja.

A: Und sie selbst, wie fühlen sie sich in der Situation jetzt. Geht es Ihnen gut? Also

fühlen sie sich zufrieden oder leiden sie ein bisschen unter der Isolation?

B: Naja, Am Anfang steht ja immer die Berufswahl. Ich bin ja nicht zufällig hier. Und gegen

meinen eigenen Willen. Ich wollte ja zur See fahren. Ich fühl mich wohl. Ob es am Ende

der fünfeinhalb Monate genauso ist, ist eine andere Frage. Aber zurzeit fühle ich mich

wohl. Ich habe auch den Eindruck, dass die Stimmung in der Gesamtbesatzung, ich möchte

sagen überraschend gut ist.

A: Dann hoffen wir mal, dass das so bleibt, und dass sie alle gesund bleiben, das die

Stimmung gut bleibt. Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen

haben für den Podcast. Toi toi toi in die Ägäis, und alles Gute für sie

und herzlichen Dank.

B: Ja Frau Gantenbein. Ganz herzlichen Dank.

A: Den nächsten Podcast liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, den hören sie am kommenden

Donnerstag zum Beispiel auf Castbox oder bei Apple-Podcast. Und wenn sie Fragen haben,

an uns oder Anregungen zum Podcast, können sie uns gerne ne Email schicken. Die Adresse

ist: Podcast@bundeswehr.org. Bleiben sie gesund und ich melde mich ab aus dem Funkkreis. Tschüss.


Podcast #22: Corona-frei im Einsatz | Deutschlands größtes Kriegsschiff Podcast #22: Corona-free in action | Germany's largest warship

Delta to all, radiocheck. Over.

Hier ist Bravo. Kommen.

This is Tango. Over.

Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.

A: Herzlich willkommen zum Funkreis. Heute gehen wir mal mit unserem Podcast auf Hohe See.

Ich spreche nämlich gleich mit dem Schiffsarzt des Einsatzgruppenversorgers Berlin. Der ist

gerade in der Ägäis unterwegs und verstärkt die Standing Nato Maritime Group 2. Die wiederum

sorgt vor den Küsten der Krisengebiete in Nordafrika und Nahost für Sicherheit. Und

zwar immer gemeinsam mit den Schiffen anderer NATO-Partner. Ihre Hauptaufgaben dort sind

die Kontrolle und der Schutz strategisch wichtiger Seewege. Schutz aber braucht natürlich auch

die Besatzung, und zwar gerade jetzt vor dem Coronavirus. Verantwortlich für die Gesundheit

der insgesamt 191 Männer und Frauen an Bord ist der Flottillenarzt Stephan Laumann.

So, und jetzt probieren wir das mal, wie das klappt mit dem Satellitentelefon rauf auf See.

(Telefon klingelt)

C: Einsatzgruppenversorger Berlin … Schönen guten Tag.

A: Ja schönen guten Tag, Barbara Gantenbein aus der Redaktion der Bundeswehr. Ich würde

gerne den Schiffsarzt sprechen.

C: Aber natürlich, ich stelle sofort durch.

A: Danke sehr.

C: Bitte

(Rufweiterleitungston)

B: Laumann

A: Ja, Hallo hier ist Barbara Gantenbein. Guten Tag Herr Laumann.

B: Guten Tag Frau Gantenbein.

A: Wo sind sie denn gerade unterwegs? Im Moment.

B: Also ich persönlich bin in meiner Kammer an Bord, und wir sind gerade in der Ägäis.

So etwa zwischen Chios und Cesme.

A: Und was haben sie für ein Wetter? Ist es gut?

B: Wir haben hochsommerliches Wetter.

A: Okay. Sitzen sie denn im Moment auf glühenden Kohlen und beäugen jedes Husten mit Argwohn,

wenn da was ist bei der Mannschaft? Oder fühlen sie sich ganz sicher durch die ganzen Tests

und Quarantäne vorher?

B: Also wir fühlen uns relativ sicher. Also kurioserweise muss ich sagen, wir haben gar

keine Fälle von Schnupfen, Husten, Heiserkeit. Das ist sehr überraschend. Also normal bei

Seefahrten stellen sich im Durchschnitt drei Kameraden, Kameradinnen pro Tag im Schiffslazarett

vor, die über Beschwerden eines grippalen Infektes klagen. Das haben wir jetzt hier

überhaupt nicht - sicherlich in Folge unserer Corona-Schutzmaßnahmen.

A: Es ist wirklich erstaunlich, toll. Sie waren ja vierzehn Tage in Quarantäne

bevor es losging, wo waren sie denn da untergebracht.

B: Wir hatten für die Marine, beziehungsweise die fahrende Flotte, eine Sonderform von Quarantäne,

angepasst an unsere Situation. Von anderen Einsatzkontingenten, die etwa nach Afghanistan

verlegen, kennt man das so, oder hat es sich so etabliert, dass die zusammen jeder in einem

Einzelzimmer in einer militärischen Liegenschaft oder notfalls auch in ein Hotel gehen. Und

dort für zwei Wochen komplett von der Außenwelt isoliert werden, um sicher zu stellen, dass

sie bei Eintreffen im Einsatzgebiet keine Coronaviren einschleppen. Wir haben das, so

gemacht, dass wir unseren Transit als Quarantäne-Maßnahme

organisiert haben. Also wir sind in Wilhelmshaven

los gefahren am 2. April. Waren am 4. April in Kiel und haben dann unsere Corona-Prophylaxe-Maßnahmen

drastisch verschärft bis hin zum ganztägigen Tragen von Gesichtsmasken. Und alles was man

aus der Presse kennt. Abstandsregelungen, etwa vor der Schlange bei der Essensausgabe

oder beim Essen. Jeden zweiten Sitzplatz unbesetzt lassen, gehäuftes Händewaschen und so weiter.

Zwischendurch Handdesinfektion und so weiter. Und nahe zu kompletter

Verzicht auf jegliche Außenkontakte.

A: Durften sie in Kiel noch mal von Bord?

B: Nein. Die vier Tage waren wir in Kiel die ganze Zeit an Bord.

Es ist niemand von Bord gegangen.

A: Mhm

B: Und wir haben dann in Kiel bei der Gesamtbesatzung, also grob 190 Leuten, Abstriche auf Coronavirus

gemacht. Und unmittelbar also kurz nach dem Auslaufen aus Kiel haben wir dann die Ergebnisse

bekommen. Es waren alle Besatzungsmitglieder Corona negativ.

A: Mhm

B: Wir haben dann diese, diese Sicherheitsmaßnahmen an Bord fortgesetzt. 14 Tage lang und unmittelbar

vor Einlaufen in den ersten Hafen im Mittelmeer Souda auf Kreta, haben wir noch einmal eine

zweite Abstrichserie bei der gesamten Besatzung gemacht. Es waren dann auch alle negativ.

So dass wir jetzt ziemlich sicher sagen können, dass niemand an Bord eine Corona-Infektion

hat. Oder beziehungsweise, dass das Schiff frei von Corona-Viren ist.

A: Also der sicherste Ort auf dem deutschen Boden. Weil komplett isoliert

und alle sind gesund.

B: Ja kann man so sagen, ja.

A: Es kam ja noch zwischendurch ein Helikopter, der ihnen noch Material gebracht hat.

Und sie hatten ja auch noch einen medizinischen-technischen Assistenten an Bord.

Was dessen Aufgabe war? Und was das besondere an der ganzen Sache war?

B: Ja gerne. Wie sie schon sagten, in Kiel kam ein medizinisch-technischer-Laborassistent

an Bord vom Schiffahrtsmedizinischen Institut der Marine. Ein lebenserfahrener und berufserfahrener,

bewährter Mann. Der, der die Corona-Virusdiagnostik bei uns an Bord gemacht hat. Mit ihm zusammen

kam auch ein entsprechendes Gerät. Dieses Gerät hatten wir dann bei Auslaufen bei Kiel

an Bord. Aber noch nicht, die zugehörige Spezialchemie.

Wir brauchten da etliche Reagenzien und Materialien und auch noch weitere Abstrichröhrchen.

Die sind aus München zugeführt worden. Und im letzten Stückchen über einen Hubschraubers

des Marinegeschwaders 5 aus Nordholz in die Nordsee hinterher geflogen wurden.

A: Das ist ja auch eine ganz besondere Situation. Es wird sehr selten vorkommen so was ja.

B: An ähnliches kann ich mich auch nicht erinnern.

A: Mhm

B: Und der Kamerad, der medizinische Laborassistent, der hat dann fast rund um die Uhr gearbeitet.

Und dann waren wir nach einigen Tagen in der Lage auch selbst bei uns an Bord,

die Coronadiagnostik vorzunehmen.

A: War das eine interessante Erfahrung für sie? Ich habe gelesen es wurde auch die Kiel

telemedizinisch betreut.

B: Ja.

A: Also jetzt im Moment eine seltsame Situation, dass man ganz viel mit Video und Telefonie

und so weiter macht. Wie haben sie das denn erlebt? Also war das bereichernd? Denken sie,

dass würde sich auch für andere Situationen eignen?

B: Das war schon spannend, ein echtes Pilotprojekt. Ich wüsste auch nicht, das irgendwelchen

anderen militärischen oder anderen militärischen Schiffe über diese Technik und über diese

Möglichkeiten verfügten. Das war wirklich sehr spannend. Und tele-medizinisch, weil es

ein neues und modifiziertes Testverfahren war, muss es qualifiziert auch von einem Mikrobiologen

betreut werden. Der uns dann auch über Stunden auch bis tief in die Nacht aus München zu

uns hinzugeschaltet war.

A: Ja das ist schon sehr spannend. Da haben sie absolut recht. Ich komme mal wieder zurück

so ein bisschen zum Alltag an Bord. Sie haben eben schon gesagt, die notwendigen Einschränkungen

an Bord im Transit. Also ich erinnere mich selbst, ich bin im mit schon mit zur See gefahren

bei Operation-Sophia. Und ich weiß, da ist nicht ganz so wahnsinnig viel

Platz, wenn man zum Beispiel ansteht zum Essen. Wie haben sie denn das hingekriegt, dass die

Leute da wirklich den Abstand halten konnten? Also haben sie dann in Schichten gegessen

mit viel Zeit-Versatz dazwischen? Und auch auf Kammer ist man ja doch relativ dicht beisammen.

B: Also wir haben versucht zwei Meter oder absolutes Minimum ein Meter fünfzig einzuhalten.

Das ist aber an Bord, wie Sie schon sagen, kaum realisierbar. Unsere Gänge, die haben

zum Teil eine Breite von nur einem Meter. Aber wir haben versucht was möglich ist.

Vor der Essensausgabe haben wir zum Beispiel immer Abstand von einem Meter fünfzig Klebestreifen

auf den Boden geklebt. Als Positionsmarkierung damit die Kameraden,

Kameradinnen ein Meter fünfzig Abstand halten. Dann haben wir alle Besprechungen, die nicht

unbedingt nötig sind vorübergehend ausgesetzt. Und den teilnehmenden Personenkreis reduziert.

Wir haben leider auch auf viele Ausbildungen verzichten müssen. Zum Beispiel erste Hilfe-Ausbildung.

Das versteht sich von selbst, man kann keine erste Hilfe leisten im Abstand von zwei Metern.

A: Ja, klar man muss ja dicht aneinander

B: Das holen wir jetzt alle nach. Schwierig zu praktizieren, aber es ist uns schon unter

unseren Bedingungen, glaube ich ziemlich gut gelungen.

A: Ja das klingt nicht ganz so. Und jetzt wo sie jetzt wissen, dass keiner infiziert

ist, da können sie wahrscheinlich ganz normal arbeiten wie immer oder?

B: Ja wobei wir in paar Dinge durchaus beibehalten haben.

A: Zum Beispiel?

B: Eine Maßnahme war zum Beispiel, dass nahezu rund um die Uhr Trupps zu zwei Personen ständig

durch das Schiff gelaufen sind. Und alle Türklinken, Handläufe in den Niedergängen, beziehungsweise

Treppenhäusern, Griffe an den Schotten desinfiziert haben.

Und ich sagte ja schon, wir sind da jetzt seit fast vier Wochen unterwegs. Ich behandele

hier überhaupt keine an Husten-, Schnupfen-, Heiserkeit-Erkrankten. Es ist auch noch niemand

mit Durchfall bei mir. Das kenne ich von Seefahrten ganz anders.

Das mag multifaktoriell sein, aber ich meine dass die Desinfektionsmaßnahmen da

auch einen erheblichen Teil zu bei getragen haben. Also es hat sich irgendwie bewährt,

auch Corona unabhängig.

So dass wir das jetzt zwar in gelockerter Form und nicht mehr rund um die Uhr, Aber

doch noch regelmäßig beibehalten werden.

A: Ja, das ist vernünftig. Das klingt wirklich sehr gut. Aber ich meine, es ist trotzdem

allem bei diesem Einsatz ist ja auch ganz vieles auch anders als sonst. Das Thema Landgang.

Wie ist denn die Situation da? Also normalerweise sie laufen ja nur noch den Hafen Souda-Bay

auf Kreta an, um versorgt zu werden. Und normalerweise durften ja die Frauen und Männer dann auch

Landgang machen. Durften von Bord. Wie ist denn die Situation jetzt?

B: Üblicherweise war es so, dass wir in der gesamten Einsatzzeit etwa siebzig Prozent

Seetage, und dreißig Prozent Hafentage hatten. Bei den Hafentagen waren dann der Einlauftag

mitgezählt. Letztlich war es ein bisschen weniger. Wenn ich nicht gerade Hafenwache

hatte, konnte ich von Bord gehen. Das ist ja auch ein Teil dessen, was den Reiz der Seefahrt

hat, ausmacht. Das fällt jetzt weg.

A: Ja absolut

B: In die türkischen Häfen laufen wir gar nicht mehr ein. In griechischen Häfen außer

Souda-Bay auch nicht mehr. Souda-Bay ist der einige Hafen, der von uns noch angelaufen

wird. Aber auch dort gibt es keinen Landgang Also ein kleines Stückchen auf der Pier,

auf der die Beine vertreten werden.

A: Ja. Wie gehen die Leute damit um?

B: Das also zurzeit noch sehr gut, aber ich fürchte, das das im Laufe der Zeit schon

noch zu Problemen führen wird. Geplant sind fünfeinhalb Monate. Und fünf einhalb Monate

gar nicht aus dem Schiff zu kommen, das hat schon was von Haft.

A: Ja das ist Hammer hart. Das stimmt.

B: Aber in Afghanistan, in Kunduz, kennt man es auch nicht anders. Aber da hatte man wenigstens

festen Grund unter den Füssen.

A: Ja, und man kann auch anders Sport machen. Und all diese Dinge. Man hat ja doch echte

Einschränkungen. Können sie denn, wenn das Wetter gut ist, an Deck so ein bisschen Sport

machen? Einfach, dass man sich ein bisschen auspowern kann?

B: Ja das ist möglich. Machen auch viele Kameraden. Wir haben ja hinten ein Deck zur

Landung von Hubschraubern. Da kann man schon Laufen. Es ist natürlich nicht mit einem

Sportplatz zu vergleichen, aber es sorgt zumindest für frische Luft und etwas Bewegung.

A: Ja. Und wenn sie jetzt Lebensmittel an Bord nehmen, also wenn sie versorgt werden.

Wie läuft denn das denn jetzt ab? Normalerweise ich kenn das als Alle-Mann-Manöver. Gibt

es das jetzt noch? Kann das noch stattfinden und wenn ja, in welcher Form?

B: Also als Einsatztruppenversorger haben wir da eine etwas komfortablere Situation,

durch unsere Bord-Kräne und eine Ladeluke. Wir können praktisch kontaktlos Pakete und

Gitterbox-Paletten, oder auch Container, an Bord nehmen. Das reicht, wenn jemand aus der

Schiffsversorgung auf Abstand von zwei Meter ganz kurz Verhandlungen mit dem Schiffagenten

führt. Und ansonsten müssen keine persönlichen Kontakte zu Externen stattfinden.

A: Dürfen denn überhaupt noch irgendwelche Fremden an Bord?

B: Ja, wir werden es wohl nicht vermeiden können, auch mal einen Lotsen mit an Bord

mitzunehmen. Aber dann werden die Kontakte auf das absolute Minimum begrenzt. Und solange

wie der Lotse auf der Brücke ist, werden auch alle wieder Masken tragen. Und das übliche,

was sie aus der Presse kennen. Begrüßung ohne Handschlag, Abstand halten und so weiter.

A: Und falls jetzt trotz aller Sicherheitsmaßnahmen doch eine Infektion auftauchen würde, haben

sie die Möglichkeit an Bord Personal zu isolieren?

B: Ja das ist schwierig. Also wir haben eine relativ große Bettenstation. Wir können

35 Betten bieten. Das ist auch eine Luxus-Situation, verglichen mit Fregatten oder Korvetten.

Aber eine gute Isolierung zum Beispiel mit entsprechend angepasster Luftführung und

Schleusen Systemen, ist nur improvisierend möglich.

A: Aber leicht erkrankte könnten sie eine Menge behandeln. Wie wäre es denn, wenn ein

Beatmungsgerät gebraucht würde. Haben sie so etwas an Bord?

B: Ja also wir sind hier mit einer Role 1 unterwegs. Das heißt also, wenn man so will,

so eine Mischung aus Notarztwagen

und allgemeinärztlicher Praxis. Wir sind jetzt nicht im Krankenhausmodus.

Notfälle kann man jederzeit erstversorgen. Und auch noch etliche Stunden bis einige Tage

weiter versorgen. Aber das ist nicht beliebig durchhaltefähig. Also wir haben zum Beispiel

kein examiniertes Krankenpflegepersonal an Bord. Und ich bin auch der einzige Arzt. Also

das Ziel wäre dann, falls ein Patient intensivpflichtig werden sollte, und auch voraussichtlich mehrere

Tage intensivpflichtig bleiben sollte, den dann doch an ein Krankenhaus abzugeben.

A: Verstehe. Der würde dann quasi mit dem Helikopter abgeholt.

B: Ja.

A: Und sie selbst, wie fühlen sie sich in der Situation jetzt. Geht es Ihnen gut? Also

fühlen sie sich zufrieden oder leiden sie ein bisschen unter der Isolation?

B: Naja, Am Anfang steht ja immer die Berufswahl. Ich bin ja nicht zufällig hier. Und gegen

meinen eigenen Willen. Ich wollte ja zur See fahren. Ich fühl mich wohl. Ob es am Ende

der fünfeinhalb Monate genauso ist, ist eine andere Frage. Aber zurzeit fühle ich mich

wohl. Ich habe auch den Eindruck, dass die Stimmung in der Gesamtbesatzung, ich möchte

sagen überraschend gut ist.

A: Dann hoffen wir mal, dass das so bleibt, und dass sie alle gesund bleiben, das die

Stimmung gut bleibt. Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen

haben für den Podcast. Toi toi toi in die Ägäis, und alles Gute für sie

und herzlichen Dank.

B: Ja Frau Gantenbein. Ganz herzlichen Dank.

A: Den nächsten Podcast liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, den hören sie am kommenden

Donnerstag zum Beispiel auf Castbox oder bei Apple-Podcast. Und wenn sie Fragen haben,

an uns oder Anregungen zum Podcast, können sie uns gerne ne Email schicken. Die Adresse

ist: Podcast@bundeswehr.org. Bleiben sie gesund und ich melde mich ab aus dem Funkkreis. Tschüss.