Podcast #31: Was die EU-Ratspräsidentschaft für die Bundeswehr bedeute... (2)
Kompass. Das bedeutet, wir wollen uns gemeinsam mit unseren europäischen Partner überlegen,
wie wir uns strategisch ausrichten, also was wollen wir als Europäer können, was wollen
wir vielleicht auch nicht können. Wie wollen wir mit unseren Partnern zusammenarbeiten?
Da ist natürlich die NATO ganz, ganz wichtig. Und wir wollen diesen Prozess starten mit
einer Bedrohungsanalyse. Das ist etwas, das es im EU-Kontext in der Form noch nie gab.
Also einen 360-Grad-Blick in die Welt werfen und schauen, was sind die Herausforderungen
und Bedrohungen vor der wir in der EU stehen und wie können wir denen begegnen.
F1: Das stelle ich mir jetzt ziemlich kompliziert vor. Wir haben ja nur ein halbes Jahr Zeit,
also für so eine komplexe Geschichte. Kriegen wir das in der Kürze der Zeit hin?
C: Ja das ist absolut berechtigt und ich glaube so muss man auch die Ratspräsidentschaft
als etwas verstehen wo man in den sechs Monaten dieser Ratspräsidentschaft im Grunde genommen
nur noch die Früchte erntet dessen was man in den Monaten, wenn nicht sogar Jahren davor
gesät hat. Und das was wir tatsächlich abschließen wollen
in den sechs Monaten unserer Ratspräsidentschaft
ist der erste Schritt nämlich die Bedrohungsanalyse, die ich gerade erwähnt habe, und anschliessend
steigen wir in einen Dialog mit allen Mitgliedstaaten ein und entwickeln diese strategische Grundlage,
die erst in der französischen Ratspräsidentschaft Anfang 2022 abgeschlossen wird.
F1: Also denkt man wirklich sehr, sehr langfristig. Sie hatten eben ja auch die Folgen der Pandemie,
wir müssen diese ja auch weiterhin bewältigen, erwähnt. Gibt es da auch ein konkretes Vorhaben?
C: Ja, wir schauen natürlich auch was können wir unmittelbar machen. Das was ich als
erstes erwähnt habe war ja sozusagen langfristig gedacht, aber wir wollen natürlich auch unmittelbar
bei der Bewältigung der Pandemie helfen und wenn ich sage wir wollen unsere resilienter
aufstellen, dann natürlich auch in diesem Bereich. Da haben wir uns ein Projekt überlegt
was, einem PESCO-Projekt entspringt und da geht es um einen Beitrag der Sanitätsdienste
zur Bewältigung von Pandemien. Wir wollen wichtiges Sanitätsmaterial bevorraten und
an unterschiedlichen Orten in Europa lagern, sodass es dann im Krisenfall schnell zu den
Partnern geschickt werden kann in Europa aber auch in den Einsätzen die es brauchen.
F1: Sie haben eben die Einsätze mit erwähnt. Das wäre meine nächste Frage gewesen.
Wo stehen wir denn mit unseren Missionen und Operationen im Moment?
C: Ja also das ist natürlich ein Bereich, auf den wir ganz genau schauen, weil wir auch
sehen, dass COVID noch mehr, klar Pandemie kennt keine Grenzen und besonders fragile
Regionen geraten noch mehr unter Druck, bestehende Krisen und Konflikte drohen sich zu verschärfen.
Und deswegen ist es uns natürlich ganz wichtig, dass wir weiterhin unserer Verantwortung vor
Ort gerecht werden. Wir haben ja unsere Ausbildung pausieren müssen in den EU-Trainingsmissionen.
Wir hatten vor 10 Tagen ein Treffen der EU- Verteidigungsminister, da wurde entschieden,
dass wir das jetzt sobald wie möglich wieder hochfahren. Natürlich immer in Absprache
mit unseren EU-Partnern und mit den Gastländern. Aber insgesamt wissen wir, wenn ich jetzt
mal die Sahel-Region als Beispiel nehme, dass es ganz wichtig ist, dass wir sichtbar und
vor Ort bleiben. Und deswegen werden wir auch den EU-Ausbildungseinsatz erweitern auf die
G5-Sahel und schauen, dass wir die lokalen Streitkräfte noch effektiver unterstützen können.
F1: Auch das ist ja eigentlich so ein bisschen
noch aktuelles Krisenmanagement, also was sie eben erwähnten, auf die G5 das auszuweiten.
Gibt es denn irgendwas in Bezug auf das aktuelle Krisenmanagement, das wir in den letzten Monaten
gelernt haben und das wir jetzt mitnehmen als Zielsetzung auch für die Ratspräsidentschaft?
C: Ja genau, Solidarität ist ein ganz, ganz wichtiges Stichwort. Das haben wir gelernt.
Das geht natürlich weit über den Bereich Sicherheit und Verteidigung hinaus. Das ist
ja die große Diskussion gewesen, die wir am Anfang hatten und Deutschland hat sowieso
einen sehr inklusiven Ansatz in seiner Politik, das heißt uns ist es wichtig, dass wir alle
mitnehmen. Dass wir Ziele definieren und einen Weg definieren, den alle EU-Mitgliedstaaten
mitgehen wollen und gerade bei der Solidarität ist es wichtig, die Partner die einen bestimmten
Bedarf haben, sei es jetzt unmittelbar im Bereich der Pandemie zum Beispiel wichtiges
medizinisches Material, aber es geht auch um Transportleistung, es geht auch um Unterstützung
der nationalen Strukturen, wenn man da einen Bedarf hat,
dass man direkt unterstützen kann in der Krise.
F1: Klingt wunderbar und das klingt auch so,
als würden ganz viele Dinge, die wir in den letzten Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten
schon angestoßen und voran getrieben haben jetzt zusammen geführt und im nächsten halben
Jahr dann auch nochmal extra Früchte tragen. Herzlichen Dank Frau Dr. von Seherr-Thoß.
B: Ganz herzlichen Dank.
F1: Nachdem wir jetzt einen Überblick über
die politische Bedeutung der EU- Ratspräsidentschaft haben gehen wir auf die deutsch-französische
Arbeitsebene und damit zu unserem nächsten Gesprächspartner.
Den hat Stabsunteroffizier Brünnecke.
F3: Hi, ja genau ich spreche mit Oberstabsfeldwebel Wittich
aus Donaueschingen. Herr Oberstabsfeldwebel was ist das Besondere an ihrer Position?
A: Ich bin der Kompaniefeldwebel der 3. Kompanie des deutsch-französischen Versorgungsbataillons.
Eine rein deutsche Kompanie, eingebettet in einen bi-nationalen Verband.
F3: Welche Berührungspunkte haben sie denn da im Alltag mit nicht-deutschen Kollegen?
A: Also mit nicht-deutschen Kameraden im Alltag, wir sind leicht disloziert, der Haupttruppenteil
also mit den französischen Kameraden befindet sich in Müllheim und wir sind ungefähr 110
Kilometer entfernt in Donaueschingen, im Dienstbetrieb in Donaueschingen eher seltener, das kommt
dann immer bei Besprechungen, Übungen …da kommt das wesentlich stärker zum Tragen.
F3: Was wird denn gesprochen? Französisch, Deutsch oder Englisch?
A: Die offizielle Amtssprache, Befehls-Kommandosprache ist Englisch.
Gesprochen wird aber Deutsch wie auch Französisch.
Man muss sich vorstellen, wir sind an der französischen Grenze stationiert,
wir haben deutsche Kameraden, die in allen Dienstgradgruppen sehr gut Französisch können.
Sie werden dann herangezogen und auf der anderen Seite sind französische Kameraden, die an
in der Nähe zur deutschen Grenze wohnen und die dann auch einigermaßen deutsch sprechen.
F3: Mussten Sie dann extra auch für Ihren Job französisch lernen?
A: In der Ausbildung ist das vorgesehen, dass man die Sprache dementsprechend erlernt, aber
bis jetzt kam es noch nicht dazu. Aber wie gesagt, die Amtssprache offiziell ist Englisch.
F3: Wie ist Ihr Weg persönlich? Wie kamen sie zu einer deutsch-französischen Einheit?
A: 1992 bin ich ja ganz normal als Wehrpflichtiger zur Bundeswehr gegangen. Hab dann vier Jahre
abgeleistet in Thüringen, Bad Salzungen, als Unteroffizier und mit dem Laufbahnwechsel
in die Reihen der Portepee Unteroffiziere und mit Bestehen der Lehrgänge erfolgte dann
1996 die Versetzung in die IDF Brigade.
F3: Dann sind Sie ja schon richtig lange da.
A: Ja ist eine Weile. F3: Wow!
A: Seit 96, genau. Ein Jahr Unterbrechung, da war ich in der SKB beheimatet und danach
ging es auf meinen jetzigen Dienstposten.
F3: Dann kann ich mir vorstellen, haben sie
einiges an Erfahrung in der Zusammenarbeit auch. Was ist denn da Ihr Gefühl, was ist
positiv bei der Zusammenarbeit multinational beziehungsweise binational?
A: Das gegenseitige Lernen. Muss man einfach so sagen. Jede Armee hat in einigen Bereichen
eigene Verfahrensabläufe und die kann man dann im binationalen Verband als Gewinn für
beide Seiten auch zusammenführen.
F3: Haben sie da ein Beispiel?
A: Ein Beispiel wäre jetzt die Gefechtsausbildung. Eine gemeinsame Gefechtsausbildung, dann gemeinsam
schießen. Unser Standardgewehr ist das G36. Der französische Soldat schießt mit dem
Famas und um in der Übung eine Ausbildung zu haben werden dann einfach, sag ich jetzt
so, die Waffen getauscht. Wir schießen mit den französischen Waffen, die französischen
Kameraden mit den Deutschen, so lernen wir voneinander.
F3: Herr Oberstabsfeldwebel, was macht das Leben bei Ihnen einfacher? Haben sie da ein
Beispiel für? Gibt es irgendwas, was in der binationalen Einheit dann vereinheitlicht wurde?
A: Vereinheitlicht, ja, es gibt Schnittpunkte.
Jetzt mal ein Beispiel: die 2. Kompanie, das ist unsere Transportkompanie, ebenfalls
binational aufgestellt bis auf Zugebene und haben natürlich Fahrzeuge, Lastkraftwagen,
und dazu gehören Container, wo das Material, welches zu transportieren war, verpackt wird.
Und diesen Container, ich möchte es mal einfach beschreiben, ist es egal ob er auf einen französischen
LKW verlastet oder auf einen deutschen verlastet ist. Er passt auf beiden.
Und das macht es relativ einfach.
F3: Was sind denn dann so die negativen Aspekte? Gibt es Barrieren?
A: Wir haben es eben kurz angesprochen, Barrieren,
die Sprache in den vielerlei Hinsicht. Englisch ist eigentlich das Offizielle. Es gibt Kameraden
die Reden deutsch. Es gibt Kameraden, deutsche Kameraden, die reden französischer aber mit
Händen und Füßen klappt es in allen Dienstgradebene. Also die Verständigung, das funktioniert.
Es dauert halt manchmal etwas länger und wenn es halt wie gesagt zu sehr ins Detail
geht, dann brauchen die eine Befehlsausgabe oder organisatorischen Gründen, dann zieht
man sich einen dazu der dann in der jeweilige Sprache der anderen Nationen spricht.
F3: Ja, kommt man da so manchmal an seine Grenzen, könnte ich mir vorstellen. Die Deutschen,
die gelten ja als besonders geradlinig, als pünktlich, als: "wir haben ganz viele Regeln".
Haben sie so das Gefühl die Deutschen und die Franzosen haben andere Lebensweisen?
A: Lebensweisen, also die französische Lebensweisen, ich sage mal ist etwas lockerer als die deutsche
aber man passt sich an. Also man kennt die Gepflogenheiten der jeweilig anderen Nationen
und dann passt man sich an und das funktioniert wirklich.
F3: Ja? Können Sie da mal aus dem Nähkästchen erzählen, so als Beispiel, wo vielleicht die
Franzosen sich mal über die deutschen aufregen und die Deutschen vielleicht mal über den
Franzosen, weil sie immer zu spät kommen oder irgendwie sowas?
A: Also wie gesagt, sie haben es ja grade schon angesprochen. Der eine Punkt ist halt
die Pünktlichkeit. Ja, wenn ein deutscher Soldat sagt, wir fahren um 13 Uhr dann sitzt
er eine viertel Stunde vorher auf seinem Fahrzeug, als ein Beispiel, aber wie ich sag, man passt
sich dann an. Das hat dann auch der französische Kamerad verstanden es
und dann funktioniert ganz gut.
F3: Gibt es bei ihnen in dieser binationalen
Zusammenarbeit Dinge, die sie verbessern würden, gerne würden oder die man sogar kannt?
A: Was man verbessert hat, in der Corona Zeit, dass eine Besprechung, aufgrund der Corona
Lage, dass man da nicht körperlich beisammen, sondern nur über Telefonkonferenzen oder
Videokonferenzen Besprechungen stattfinden lässt. Das beste Beispiel funktioniert, das
beide das gleiche Equipment zur Hand haben.
F3: Jetzt waren sie ja sicherlich in den Jahrzehnten
bei der Bundeswehr ein paar mal im Einsatz. Gehen sie dann auch mit dem französischen
Kollegen zusammen in den Einsatz oder bleibt das dann rein ihre deutschen Kollegen und
dann in Kosovo, in Afghanistan, wo waren sie denn schon?
A: Im Einsatz war ich jetzt sechs mal ungefähr. Ich war in Bosnien, zwei mal in Afghanistan, drei mal im Kosovo und zuletzt jetzt 2018 im Rahmen der Mission EFP in Litauen. Die Einsatz-Gestellung
selber, also das Paket was entsendet wird ist immer rein national. Ja also genau, dass
ist dann rein national und die binationale oder dann in den Einsätzen die multinationale
Zusammenarbeit kommen dann erst in jeweiligen Einsatzgebiet zum tragen. In der Mission in
Litauen, da ist eine Rotation, die alle sechs Monate gewechselt wird und da ist dann 2018
auch ein französischer Kampfverband implementiert worden und dadurch dass wir aus dem Dienstalltag
alle diesen Umgang kennen und wie man sich auf binationaler Ebene bewegt, haben wir
es da natürlich wesentlich einfacher die Kommunikation aufzubauen, wie funktioniert
das jetzt genau.
F3: Ist das definitiv einer der Vorteile in
einer binationalen, einem binationalen Umfeld zu arbeiten?
A: Ja! In den Auslandseinsätzen, wie gesagt, wenn man es gewohnt ist, mit anderen Nation
zusammenzuarbeiten, mit den Franzosen, man tut sich wesentlich einfacher und das ist
für uns nichts Neues.
F3: Wie war für sie persönlich der Einsatz
in Litauen, mit soviel anderen Nationen?
A: Ich fand es hochinteressant. Wir waren
in Rukla stationiert, eine relativ kleine Liegenschaft und man hatte ständig Berührungspunkte
untereinander, ob das in der Truppenküche war, ob das auf den gemeinsamen Übungen war,
ob das im Dienstbetrieb war, also die logistische Basis dieser Battlegroup war leicht ausgebettet,
1,5 km von der Unterkunft entfernt und dort war dann alles. Ich bin Logistiker, alles