Podcast #54: Hubschraubertausch am Hindukusch | Bundeswehr (1)
Delta to all radio check. Over.
Hier ist Bravo. Kommen.
This is Tango. Over.
Funkkreis, Podcast der Bundeswehr.
A: In Afghanistan sind gerade nach 18 Jahren Dauereinsatz die CH-53 Hubschrauber von NH-90
Helikoptern abgelöst worden.
Hier ist Barbara Gantenbein und ich war in Mazar-i-Sharif im Camp Marmal und habe dort
eine NH-90 Crew zum Gespräch getroffen und zwar vier Crewmitglieder.
Den Piloten, der Bordtechniker, den Doorgunner und den Arzt auf dem MedEvac.
Wie immer im Einsatz nennen wir natürlich nur die Vornamen und den Anfang, den Macht
Oberstleutnant Frank, der Staffelkapitän der NH-90.
Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen heute Morgen für mich, wir stehen hier in
der Halle und ich freue mich riesig, dass ich bei Ihnen sein darf.
Erklären Sie mir doch bitte als erstes Mal, wie komme ich denn jetzt zu Ihnen in den Hubschrauber?
B: Ja schönen guten Morgen!
Sie sehen ja hier die Trittstufen, wir haben hier überall Handgriffe die Sie nutzen können.
Sie müssen hier also festhalten, das kann man natürlich im Audio-Podcast nicht so gut
sehen und da müssen Sie sich jetzt hier hochschwingen.
Das ist eine akrobatische Leistung, die man hier vollziehen muss.
A: Dann werde ich das jetzt hier gleich mal probieren.
B: So, ja jetzt, linke Hand.
Jetzt erstmal hier am Rand ruhig festhalten.
Rechter Fuß dort, jetzt da oben rein.
Genau, einmal so rüber.
Sieht gut aus!
A: So das hat schon mal geklappt.
Das ist ein sehr beeindruckendes Cockpit.
Ja also, wenn man so wie Sie schon so lange fliegt, was bedeutet einem dann
ein so hochtechnisiertes Fluggerät?
B: Ja, es ist ja so, wir kommen ja quasi fast aus der analogen Welt und sind dann mit diesem
Hubschrauber eigentlich in die digitale Welt eingestiegen.
Und es ist nicht nur so, dass das alles voll digitalisiert und technisiert ist, sondern
auch das reine Fliegen extrem viel Freude bereitet, weil das durch die Steuerung,
diese direkte Steuerung, die wir hier verbaut haben, natürlich eine ganz andere
Klasse ist wie das noch bei den alten Fluggeräten war, die also über Steuerstangen im Endeffekt verzögert
die Flugeingaben übersetzt haben.
Hier ist es so, wir fliegen ja hier mit einem fly-by-Wire System, das heißt,
also die Eingaben werden quasi in Millisekunden umgesetzt
und somit ist die Steuerfolge des Hubschraubers extrem schnell
und das macht natürlich jedem Piloten dann Spaß,
wenn er da merkt das der Hubschrauber das macht, was man eigentlich einsteuert.
A: Ja das kann ich mir gut vorstellen. Jetzt haben Sie ja gestern, ich sage mal einen historischen Einsatz geflogen.
War das der erste richtige Einsatz hier in Afghanistan?
Erzählen Sie mir doch bitte was gestern Ziel der Mission war.
B: Ja im Endeffekt war das der erste Transporteinsatz
für die NH-90 zusammen mit CH-53, ist ja das Modell, was wir hier ablösen
sollen und werden. Deswegen war es auch aus meiner Sicht besonders
schön, dass wir das nochmal gemeinsam fliegen konnten
und die Aufgabe oder die Mission war die, dass wir
die Kameraden aus dem Camp Pamir, unsere deutschen Kameraden und zwar die letzten,
die dort verblieben waren und hier im Speziellen die Sicherungskräfte, dort halt abgeholt haben.
A: Wie war das emotional? Also waren Sie vorher schon in Afghanistan im Einsatz?
Also ich weiß, Sie waren in Mali zuvor.
Ist das jetzt der erste Afghanistaneinsatz für Sie?
B: Nein, also wir damals mit NH-90 schon 2012 und 2013 im ISAF Einsatz.
Das war damals unsere Feuerprobe hier in Afghanistan
mit unserem neuen Hubscharuber und von den damaligen Erfahrungen, die wir dort gesammelt haben,
können wir natürlich heute immer noch zehren.
Da sind natürlich Stichworte wie Staublandung bei Tag und Nacht,
was eine besondere Herausforderung für dieses Fluggerät darstellt
und auch natürlich für die ganze Besatzung einer der Schwerpunkte und auch die Feuertaufe,
die man hier in diesem Land eigentlich bestehen muss.
A: Wenn Sie jetzt im Einsatz fliegen, so wie gestern, was macht das mit Ihnen?
Das ist ja wahrscheinlich schon eine viel höhere Anspannung
als jede Art von Training, das man je simulieren kann.
Wie ist das emotional?
B: Im Endeffekt ist es aus meiner Sicht die Erfüllung oder das wofür man ausgebildet
worden ist und das erfüllt einen natürlich schon auch ein wenig mit Stolz,
dass man jetzt das Gelernte, über die Jahre in Ausbildung vermittelte,
anwenden kann und man kommt tatsächlich auch im Flug immer mal wieder in den Gedanken,
Mensch, genau das wolltest du immer machen
und das fühlt sich gut an.
A: Das ist super!
Das ist sehr, sehr, sehr schön!
Ich denke ich würde jetzt gerne mit Ihnen noch mal aussteigen
und noch mal um den Hubschrauber rumgehen.
Das Sie mir noch ein bisschen erklären, was der alles
für Gadgets hat, die, ja, ungewöhnlich sind.
Die etwas Besonderes sind.
B: Das machen wir so.
A: Super.
Wir sind jetzt ausgestiegen und stehen jetzt außerhalb des Hubschraubers
und die Nebengeräusche sind hier aus der Halle, hier wird natürlich noch ein bisschen arbeitet um uns herum.
Ja, was ja ganz besonders auffällt, das ist dieses Hörnchen vorne, was verbirgt sich
denn hinter diesem Hörnchen?
B: Ja, viele vermuten, dass das ein Einfüllstutzen oder für eine
Luft-Luft Betankung dasteht, aber weit gefehlt.
Eigentlich hat fast jedes Luftfahrzeug diese Tubes, so wie das so schön heißt.
Das ist also die Pitottube und diese Pitottube hat
folgende Funktion beim Hubschrauber: Wir können ja nicht wie beim Fahrzeug
eine Geschwindigkeit über die Räder abnehmen, sondern wir müssen das ja alles über
Luftdruck darstellen, gerade für die Notinstrumentierung.
Wir haben natürlich noch GPS an Bord,
aber natürlich auch eine GPS Geschwindigkeit, Höhenanzeige,
aber über diese Pitottube da nehmen wir einmal den dynamischen Druck
und auch dem statischen Druck ab. Mit dem dynamischen Druck können wir ja natürlich,
zum Beispiel, Geschwindigkeiten errechnen. Das macht natürlich dann auch alles Anzeigeinstrumente und Rechner
und über den statischen Druck, also unter die Druckunterschiede können wir dann
auch Höhendaten uns anzeigen lassen und dafür sind diese beiden da, aber wie gesagt,
es ist kein Sprit Einfüllstutzen, sondern es ist um hier die Luftdrücke abzumessen.
A: Ein komplizierter Sensor. B: Ja.
A: Genau.
Da drunter haben wir so einen Kasten, fast quadratischen Kasten.
Was verbirgt sich denn da drin?
B: Das ist unser obstacle-warning System,
dahinter verbirgt sich ein Lasersystem, dass das Vorfeld
des Hubschraubers abtastet. Das ist ja auch einer der Unterschiede zwischen
Heeres Maschinen, die sich ja hauptsächlich im Tiefflug befinden um natürlich
ihre Klientel dort auch zu bedienen und mit dem obstacle-warning System werden uns z.b.
Stromleitungen angezeigt, Masten, Bäume, also alles an Hindernissen, was vielleicht
auch teilweise gerade in der Nacht oder bei Schlechtwetter verborgen bleibt.
A: Wie tief können Sie denn fliegen?
Was ist Ihre tiefst mögliche Flughöhe?
B: Ja, wir nennen das immer nap on earth, das heißt also an der
Bodenoberfläche aber tatsächlich, klar, da gibt es eigentlich keine Limitierung.
Wir fliegen irgendwas zwischen 20 und 100 Fuß und
20 Fuß übersetzt wären irgendwo 7-8 m.
Na ja.
A: Das ist tief.
B: Das ist sehr tief natürlich und immer geschwindigkeitsabhängig und natürlich,
wie sieht das Terrain aus?
Hier in Afghanistan ist es ja eher zum Teil flach, natürlich haben wir auch die Berge,
aber letztendlich kann man hier schon sehr tief fliegen
und das machen natürlich zum einen gerne, aber zum anderen
hilft es uns auch dabei uns vor unserem, ja vielleicht Gegner verdeckt zu bewegen.
A: Das heißt, Tiefflug ist tatsächlich ein Sicherheitsfaktor?
B: Ja.
Es gibt immer in den verschiedenen Einsatzländern
den Unterschied, welche Bewaffnung hat eventuell die Opponent Force
und wenn es hier, wenn wir hier von Afghanistan sprechen ist
natürlich die Hauptbedrohung nennen wir es small arms fire,
das heißt also mit leichteren Waffen und wenn wir jetzt tief fliegen ist es natürlich so,
dass wir eigentlich relativ spät aufgeklärt werden und dadurch eigentlich unseren Gegnern
gar nicht groß ermöglichen uns rechtzeitig aufzuklären, sondern im Endeffekt,
wenn er uns sieht, sind wir schon vorbei und das hilft uns natürlich enorm.
A: Was ist denn eigentlich Ihr Hauptauftrag? Jetzt hier in Afghanistan.
B: Ja unser Hauptauftrag ist eigentlich die Taskline MedEvac
so nennt sich das. Also der Auftrag ist hier, Verwundete, gerade unsere eigenen Kräfte
oder auch natürlich der NATO Verbündeten, abzuholen am Ort des Geschehens,
also Beispiel: Eine Patrouille fährt raus und wird angeschossen,
dann setzen die einen sogenannten Ninelinerreport ab, sodass wir die Verwundeten dann dort abholen,
wo sie halt leider die Verwundung erfahren haben.
Und ja, das ist natürlich auch ein sehr zeitlich straffes Geschäft.
Man kann sich natürlich vorstellen, dass derjenige, der verwundet ist, da nicht lange
irgendwo sich aufhalten möchte, sondern schnellstmöglich abgeholt werden möchte
und dafür sind wir natürlich prädestiniert und sehr geeignet.
Weil, es natürlich ein schnelles Rettungsmittel
und man darf ja nie vergessen im Einsatzland, wir haben ja nicht so Straßen wie in Deutschland,
wo man mal ganz schnell von A nach B fährt, sondern bis hier eventuell Rettung über Wege
und über Straßen dann den Verwundeten erreichen würde,
würde viel zu viel Zeit ins Land verstreichen und wir sind natürlich hier mit einer, sage ich mal,
Abflugzeit vom Eintreffen des Nineliners bis zum Abflug, da vergeht bei uns 15 Minuten.
Wir können das Tag und Nacht und das ist auch das was wir trainieren.
A: Ja das klingt beruhigend.
Dann wünsche ich Ihnen hier weiter für den Afghanistan Einsatz alles Gute,
bedanke mich noch mal ganz herzlich für Ihre Zeit.
Fand ich sehr sehr spannend.
Und ja, wir sehen uns ja dann in der Luft nochmal.
B: Ja vielen Dank.
A: Danke Ihnen!
So, ich habe jetzt das nächste Crewmitglied,
das ist der mitfliegende Bordtechniker Martin.
Martin, herzlich Willkommen in diesem Podcast und Danke, dass Sie Zeit für uns haben.
C: Ja hallo! Herzlich willkommen!
A: Können Sie mir mal ganz kurz erzählen, was Sie alles so machen und zu Ihren Aufgaben
gehört, hier im Afghanistan Einsatz.
C: Ja also die Aufgaben grundsätzlich unterscheiden sich viel zu denen in Deutschland.
Ich bin halt verantwortlich für die Vorflugkontrollen und
Zwischenflugkontrollen des Hubschraubers und auch die Nachflugkontrollen
und bin während des Fluges quasi, ja ich sage mal das dritte Augenpaar
für den Piloten, nach hinten und zur Seite,
da doch die Sicht der Piloten stark eingeschränkt ist.
Und natürlich auch um eine rundum Beobachtung mit den Doorgunnern sicher zu stellen.
A: Und auf was achten Sie besonders?
Sie sagten ja eben, Sie sind quasi weitere Augen für den Piloten.
Auf was achten Sie da besonders?
C: Naja, also grundsätzlich, wenn wir ja in der Luft sind dann halt dementsprechend
was unten an der Erde so vor sich geht, ob da halt irgendwer ist, der uns vielleicht
nicht ganz wohl gesonnen ist, dass man das beobachten und melden kann um gegebenenfalls
drauf zu reagieren.
Entscheidend ist es dann nachher im Bereich, wenn wir dann tatsächlich zu den Landungen
übergehen, dann halt auf Hindernisfreiheit zu achten,
dass der Heckrotor nirgendwo gefährdet ist, der Hauptrotor nicht gefährdet ist.
Das sind ja die Bereiche, die die Luftfahrzeugführer oder die Piloten nicht mehr einsehen können
und in dem Bereich fängt dann halt auch dieses sogenannte
Crewressourcemanagement, also das Vertrauensverhältnis zwischen Crew und Bordtechniker an,
weil er sich ja natürlich dann auf mich verlässt.
Wenn ich sage, da ist jetzt nichts, da steht kein Baum, da ist kein Stein oder wie auch
immer. dass ich ihm dann halt melde: Dort ist frei.
Da können wir durchaus landen.
A: Ich habe auch ein paar Mal gesehen, bei Übungen ist ja da auch immer einer der
auf dem Bauch liegt, grade bei Staublandungen oder so und nach unten guckt.
Sind das dann in dem Fall auch Sie?
C: Ja genau.
Wobei beim NH-90, wir liegen halt nicht auf dem Bauch.
Wir stehen meistens in der Tür oder knien in der Tür.
Ich weiß, dass bei unserem größeren Modell, was wir jetzt hier ablösen,
die CH-53, dort wird es halt von hinten eingesprochen,
quasi liegend auf der Rampe...
A: Genau!
C: ... das ist bei uns aber nicht notwendig, da wir durch die Tür stehend