heute journal vom 09.11.2021 - Flüchtlinge als Druckmittel - Die Lage zwischen Polen und Belarus; Tag des Gedenkens
Diese Untertitel sind live produziert.
Und jetzt: das "heute journal" mit Heinz Wolf und Marietta Slomka.
Guten Abend, der Konflikt zwischen Europa und Belarus
beginnt gefährlich zu eskalieren.
Polen spricht nunmehr offen davon, dass seine Grenze angegriffen wird
und damit eine der Außengrenzen der EU.
Man muss es wohl in aller Schärfe so sagen,
Belarus missbraucht die Not von Menschen
und setzt Migranten als Waffen ein, gerichtet gegen Europa.
Mit welchem Ziel?
Rache für die von der EU verhängten Sanktionen gegen Belarus
sind wohl nur eine Seite der Medaille.
Es geht um mehr: Europa unter Druck zu setzen, zu destabilisieren.
Wie kann und sollte sich die EU dagegen wehren?
Dazu gleich ein Gespräch.
Doch zunächst berichtet Christian Semm,
wie sich die Lage im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus zuspitzt.
Gestrandet im Nirgendwo.
Für diese kurdische Familie endet die Flucht erstmal hier.
Irgendwo im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen.
Wir kommen aus dem Irak, wir sind auf dem Weg nach Polen
und haben eine harte Zeit hinter uns, aber sie lassen uns nicht rein.
Anderen Migranten geht es ähnlich,
sie sitzen fest an der Grenze zu Europa.
Dort haben tausende die Nacht bei Minusgraden verbracht.
Am Morgen kam Polens Ministerpräsident Morawiecki
und machte den polnischen Soldaten klar, dass es hier um mehr gehe,
als um den Schutz der Landesgrenze.
Die Grenze im Osten, die polnische Grenze, ist auch die EU-Grenze.
Gestern habe ich mit der Präsidentin der EU-Kommission,
mit Ministerpräsidenten verschiedener Staaten gesprochen.
Jeder schickt euch Hochachtung.
Und so funktioniert der Flüchtlings-Transfer
von Machthaber Lukaschenko durch Belarus.
Per Direktflug kommen die Menschen aus Damaskus, Istanbul oder Dubai
nach Minsk.
Ein Einkaufszentrum als Schleuser-Drehkreuz.
Immer wieder sieht man hier Flüchtlinge mit ihrem Gepäck.
Weiße Transporter bringen sie weg von hier, offenbar Richtung Grenze.
Lukaschenko will damit v.a. erreichen,
dass die Wirtschaftssanktionen gegen Belarus gelockert werden.
Die EU hatte sie nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen
im letzten Jahr und dem brutalen Vorgehen gegen Opposition
und Medien in Belarus verhängt.
Warum wir davon ausgehen, dass die Sanktionen greifen?
Weil das Lukaschenko-Regime sich wie ein Gangster-Regime benimmt.
Weil es ihnen weh tut und sie nicht wissen, was sie machen sollen.
Also versuchen sie, die EU mit Angriffen zu untergraben.
Lukaschenko geht noch weiter.
In einem Interview mit einem russischen Militär-Journalisten
droht er mit einer atomaren Eskalation
des Konflikts durch Russland.
Wenn wir, Gott bewahre, einen Fehler machen, einen falschen Schritt tun,
dann wird das sofort Russland auf den Plan rufen.
Und Russland ist eine nukleare Supermacht.
Ich bin nicht verrückt, ich kann mir nur zu gut vorstellen,
was sich daraus entwickeln kann.
Im russischen Staatsfernsehen laufen die Bilder
von der belarussisch-polnischen Grenze rauf und runter.
Der Kreml schaut genüsslich zu, Europa im Chaos zu zeigen
und gibt den westlichen Ländern die Schuld für die Eskalation.
Sie bemühen sich seit vielen Jahren, dem Nahen Osten und Nordafrika
ein besseres Leben nach westlichem Vorbild aufzuzwingen.
Eine Demokratie in der Form, wie sie der Westen interpretiert
und aggressiv versucht, sie auf der ganzen Welt durchzusetzen.
Und als das auf einen gewissen Widerstand stieß,
gab es militärische Abenteuer.
Russland könnten im Grenzkonflikt Einfluss nehmen
auf Diktator Lukaschenko.
Doch Wladimir Putin hat daran kein Interesse, im Gegenteil.
Wenn wir über die Krise an der Grenze sprechen, können wir sagen,
dass sie unter dem Deckmantel Russlands stattfindet.
Russland deckt es diplomatisch, politisch, informativ
und möglicherweise militärisch.
Und das passt zu Lukaschenko und Russland.
Denn je schlechter die Beziehungen von Lukaschenko zum Westen,
desto besser für Moskau.
Für die Geflüchteten aus Syrien, dem Irak oder Jemen
endet die organisierte Flucht erstmal im eiskalten Niemandsland
unter teils unmenschlichen Bedingungen.
Gelockt hat sie Alexander Lukaschenko,
in die Sackgasse Belarus.
Tja, was geschieht da, was steckt strategisch dahinter?
Darüber wollen wir mit einem Sicherheitsexperten sprechen.
Carlo Masala, Professor für Internationale Politik
an der Universität der Bundeswehr in München.
Guten Abend, Herr Professor Masala. Schönen guten Abend, Frau Slomka.
Was für Absichten, was für eine Strategie, verfolgt Belarus da
ihrer Einschätzung nach?
Also Belarus verfolgt eine Strategie, die ich hybride
oder nichtlineare Kriegsführung nennen würde.
Sie zielt auf die Destabilisierung europäischer Gesellschaften
durch Migration.
Zielt auf die Entlarvung
einer möglichen moralischen Doppelbödigkeit
der Europäischen Union.
Und letzten Endes will Lukaschenko die Sanktionen, die die EU
gegen ihn verhangen hat, lockern und benutzt damit Menschen
als ein nichtmilitärisches Erpressungspotenzial
in einem kriegsähnlichen Szenario.
Was meinen Sie mit Entlarvung europäischer Behauptungen
oder Heucheleien?
Es ist so natürlich, dass die Europäische Union von sich behauptet
wertebasierte Gemeinschaft, in denen Menschenrechte ein hohes Gut sind,
jetzt im Prinzip mit der Situation konfrontiert ist,
dass die Polen Pushbacks betreiben, dass die Polen in dieser Grenzregion
eigentlich alle Konventionen, also die Kinderrechtskonvention,
die Europäische Menschenrechts- konvention verletzen.
Und das kann man propagandistisch wunderbar ausschlachten,
wenn man in Minsk oder in Moskau sitzt.
Wie sollte die EU ihrer Ansicht nach darauf reagieren?
Ich glaube, dass braucht eine gemischte Strategie.
Zum einen, das würde ich mit Resilienz bezeichnen,
wir dürfen uns nicht erpressen lassen von Weißrussland, das heißt,
Lukaschenko nachzugeben, Sanktionen zu lockern
oder wie es sich heute andeutet, ihm Geld zu geben,
damit er die Flüchtlinge nicht mehr zur Grenze schickt.
Das wäre ein kolossaler Fehler, das wäre ein Sieg von Belarus.
Das wäre ein Sieg Moskaus.
Meines Erachtens müssen wir Lukaschenko zeigen,
dass wir uns von ihm nicht erpressen lassen.
Und das ist eine Strategie, die mehrere Aspekte umfasst.
Also zum einen, wir müssen die Menschen,
die dort in diesem Grenzgebiet sind, in einem europäischen Verfahren
auf europäische Länder, die bereit sind, dies zu tun, verteilen.
Wir reden hier von 3000 bis 5000 Menschen, das ist keine große Masse.
Wir müssen sofort Sanktionen gegen Belarus verschärfen.
Und meines Erachtens wäre die größte Sanktionen, die wir machen könnten,
Belarus vom internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden.
Das würde diese Wirtschaft kollabieren lassen.
Drittens, wir müssen den Druck auf die Airlines, die die Flüchtlinge
über Moskau nach Minsk bringen, erhöhen.
Und gegebenenfalls, wenn man nachweisen kann,
dass diese Airlines bewusst ist, woran sie beteiligt sind,
sanktionieren für den europäischen Flugverkehr.
Und dann letzten Endes müssen die Sanktionen
gegen diejenigen verschärft werden, die im Prinzip
hinter dieser Strategie stehen oder sie gar decken.
Das ist Moskau.
Der Schlüssel für die Belarus-Situation liegt in Moskau.
Teil der Strategie wäre, zu sagen, anstatt dass man an der Grenze
auf diese hybride Kriegsführung,
mit nicht-traditionellen militärischen Mitteln,
sondern in dem Fall Flüchtlinge als Waffen,
nicht ebenfalls militärisch zu reagieren, sondern zu sagen,
wir nehmen die ganz ruhig auf.
Das funktioniert aber ja in Europa bisher überhaupt nicht.
Also die Polen werden das vermutlich nicht mitmachen.
Die wollen sich nicht mal von EU- Grenzschützern Frontex helfen lassen.
Ja, das ist in der Tat eine große Aufgabe,
die Polen davon zu überzeugen, von der harten Lösung Abstand zu nehmen,
weil die wird schmutzige, dreckige Bilder produzieren.
Und es ist ja nicht so, dass das eine Flüchtlingsbewegung ist,
die sozusagen als normale Flüchtlinge kommt.
Das ist eine orchestrierte.
Lukaschenko wird es nicht davon abhalten, noch weiter Flüchtlinge
an die Grenze zu schicken.
Und letzten Endes werden Polen nicht in der Lage sein,
gegen diese Massen von Menschen, die durch dieses Grenzgebiet wollen,
diese zurückzuhalten, ohne auf sie zu schießen.
Das wäre der schlimmste Fall, der in Europa passieren kann.
Das muss den Polen auch klar sein, dass die gesamte europäische Idee
da desavouiert wird.
Wir werden nicht alle Staaten haben, die die in Europa aufnehmen,
aber es wird eine Reihe von Staaten geben.
Und da es sich um eine begrenzte Anzahl von Flüchtlingen handelt,
die dazu bereit sein werden und die müssen wir in Europa aufnehmen.
Noch eine kurze Frage an den Sicherheitsexperten.
Polen ist auch Nato-Mitglied.
Wenn Polen davon spricht, dass seine Grenze angegriffen wird,
kann man da auch Richtung Bündnisfall Nato denken?
Es gibt da eine relativ unglückliche Äußerung
des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg, der sagt,
wir werden mit allen Mitteln den Polen helfen.
Das könnte man militärisch interpretieren.
Das ist kein klassischer Bündnisfall,
auf den man militärisch reagieren kann.
Die Nato hat sogenannte Teams, die Staaten dabei helfen,
Desinformationskampagnen oder hybride Kampagnen,
denen besser zu begegnen.
Und das ist eine Maßnahme, die die Nato ergreifen könnte,
diese Teams mit der Zustimmung Polens nach Polen zu schicken,
um den Polen dabei zu helfen, mit einigen Sachen
in dieser hybriden Kriegsführung zurechtzukommen.
Militärische Einsätze halte ich für ausgeschlossen
und auch nicht wünschenswert, das wird die Nato nicht machen.
Herr Masala, danke Ihnen für die Analysen und Einschätzungen.
Ich danke Ihnen.
Das Interview haben wir aufgezeichnet.
Nachher im "heute journal update" gibt es dazu noch ein Gespräch
mit dem Migrationsforscher
Als "den deutschen Tag schlechthin"
bezeichnete Bundespräsident Steinmeier heute den 9. November.
Ein geschichtsträchtiger, zwiespältiger Tag.
Die Ausrufung der Republik 1918 fiel auf einen 9. November.
Die Nationalsozialisten wählten das Datum dann für ihre Pogromnacht 1938.
Und dann wieder ein 9. November: der Mauerfall 1989.
Aller drei historischer Einschnitte gleichzeitig zu gedenken,
ist nicht ganz leicht.
Das war auch bei der Veranstaltung heute in Schloss Bellevue zu spüren.
Winnie Heescher berichtet.
Hier nimmt eine Frau Platz, die den 9. November
heute zum hundertsten Mal erlebt.
Margot Friedländer.
Am Morgen des 10. November '38
will sie, wie immer, zur kleinen Schneiderei gehen,
in der sie eine Lehre absolviert.
Niemand wird hier, im Schloss Bellevue,
Zeit so eindrücklich nah bezeugen wie Margot Friedländer
den Morgen nach der Reichs-Pogromnacht '38.
Ich fühlte, dass die Luft anders war als sonst.
Düfte anders war als sonst.
Meistens ist die Luft im November frisch und rein.
Ein komischer, stickiger und schwerer Geruch war in der Luft.
Ich hörte knirschen unter meinen Schuhen.
Ich war auf Glas getreten, das Glas der jüdischen Geschäfte,
die es nicht mehr gab.
Wir wussten, dass ist der Anfang vom viel Schlimmeren,
was noch kommen wird.
Diese neunten Novembertage, sie haben viele Gesichter,
sie erzählen viele Geschichten.
Diese Novembertage, sie hängen kaum zusammen,
aber der Dunkle von 1938 und der Helle von 1918 schon.
Die Ausrufung der Republik.
Daran erinnert die jüngste Bundestagsabgeordnete,
23 Jahre alt und überzeugt,
dass die Jungen im Parlament Antworten finden werden.
Mit Blumen wird unweit von Schloss Bellevue derer gedacht,
jetzt müssen wir gemeinsam neues Vertrauen wecken.
Mit Blumen wird unweit von Schloss Bellevue derer gedacht,
die am Todesstreifen zu Tode kamen.
Über das Glück und die Strahlkraft vom 9. November 1989
spricht einer im Schloss.
Diktatur ist überwindbar,
dies ist das Hoffnungszeichen aus Deutschland nach Belarus,
China oder Kuba.
Der 9. November, dieser deutsche Tag,
ist ein widersprüchlicher, aber eben ein besonders wertvoller Tag.
Ich wünsche mir, dass wir ihn als solchen begehen,
dass wir die Nähe an uns heranlassen
als Tag zum Nachdenken über unser Land.
Zum Nachdenken, das hat der Tag heute gezeigt,
aber braucht es Menschen, die die Kraft haben,
Zeugnis abzulegen über die hellen und die dunklen Tage,
die sie erlebt, die sie überlebt haben.
Und jetzt Themenwechsel und die Nachrichten.
Seit heute gilt der neue Bußgeldkatalog.
Wer gegen die Verkehrsregeln verstößt muss mit höheren Strafen rechnen.
Ziel sei es u.a., die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern zu erhöhen.
Wer Innerorts bis zu 20 km/h zu schnell fährt,
zahlt statt bislang 35 jetzt 70 Euro Bußgeld.
Außerdem kostet unerlaubtes Parken auf Geh-und Radwegen
oder in zweiter Reihe statt bisher 25 bis zu 110 Euro.
Unberechtigtes Parken auf Plätzen für Elektro- oder Carsharing-Autos
55 Euro.
Wenn Autofahrer keine Rettungsgasse bilden oder diese blockieren:
200 bis 320 Euro und ein Monat Fahrverbot.
In Tschechien ist Oppositionsführer Petr Fiala von Präsident Zeman
mit der Regierungsbildung beauftragt worden.
Bereits gestern hatte Fiala mit vier weiteren Parteien
einen Koalitionsvertrag unterschrieben.
Die künftige liberal-konservative Koalition
verfügt über eine deutliche Mehrheit im Abgeordnetenhaus
und könnte die bisherige Regierung von Amtsinhaber Babis ablösen.
Angesichts der sich ausbreitenden Corona-Infektionen in Frankreich
hat Präsident Emmanuel Macron die Situation am Abend
als "beunruhigend" bezeichnet.
Die Situation auf den Intensivstationen sei alarmierend,
sagte Macron am Abend in einer Fernsehansprache.
Er warb für Auffrischungsimpfungen
auch für Menschen ab dem 50. Lebensjahr.
Personen über 65 gelten ab Mitte Dezember nur noch dann als geimpft,
wenn Sie eine sogenannte Booster-Impfung nachweisen können.
Vor dem Fußball-Länderspiel am Donnerstag gegen Liechtenstein
ist Abwehrspieler Niklas Süle, obwohl doppelt geimpft,
positiv auf das Corona-Virus getestet worden.
Süle und vier weitere National- spieler, mit denen er Kontakt hatte,
haben das DFB-Quartier in Wolfsburg verlassen.
Nachdem das Vormittagstraining abgesagt wurde,
setzte Flick am Abend doch noch eine Einheit an.
Volland sowie die Wolfsburger Baku und Arnold
ersetzen die abgereisten Spieler.
Durch den Wirbel um den positiv getesteten Süle
wird das Team erneut von der Pandemie eingeholt.
Das muss man jetzt so akzeptieren und auch damit umgehen.
Das machen wir auch und gehen dann weiterhin verantwortungsvoll mit um.
Auf Anweisung des Gesundheitsamtes mussten auch Gnabry, Musiala,
Ademi und Kimmich vom Team isoliert werden,
weil sie als Kontaktperson 1 eingestuft wurden
und sich nun alle in Quarantäne befinden.
Die Länge der Quarantäne,
das kann ich Ihnen letztlich nicht beantworten.
Das ist in der Hand des lokalen Gesundheitsamtes.
Das hängt auch davon ab, ob Beschwerden auftreten.
Das hängt davon ab, wie eventuelle Folgetests ausfallen.
Die Vorbereitung auf das Spiel erheblich gestört.
Doch die Begegnung am Donnerstag soll laut DFB nicht in Gefahr sein.
Dass es auch die Nationalmannschaft trifft, ist nicht verwunderlich.
Delta rauscht quer durchs Land.
Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen
hat sich im Vergleich zur Vorwoche praktisch verdoppelt auf 21.832.
Aktuell liegt die 7-Tage Inzidenz bei 213,7.
Das ist aber ja nur der bundesweite Durchschnittswert
für die gesamte Bevölkerung.
Unter den Ungeimpften ist die Inzidenz sehr viel höher.
Denn auch wenn es inzwischen viele Impfdurchbrüche gibt,
so ist nach wie vor die Ansteckungswahrscheinlichkeit
für Geimpfte geringer.
Abgesehen vom Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs,
vor dem die Impfung ja in erster Linie schützen soll.
Außerdem gibt es große regionale Unterschiede.
In Sachsen, Thüringen und Bayern sind die Inzidenzen am höchsten.
In Bayern liegen einige Landkreise schon bei Werten von über 800.
Die Kliniken laufen voll.
Ministerpräsident Söder prüft, ob er den Katastrophenfall ausrufen muss.
Aus München: Stefan Leifert.
Es ist eine neue Erfahrung für Markus Söder.
Ein Land zu führen, das so schlecht dasteht,
wie kaum ein anderes.
Beim Impfen, den Inzidenzen in den Krankenhäusern.
Bayer muss zurückkehren zu strengen Verschärfungen.
Söders Entschlossenheit im Ton verdeckt Ratlosigkeit in der Sache.
Gesundheitsministerium und Polizei
werden zusammen mit den Kreisverwaltungsbehörden
werden eine massive Erhöhung der Kontrolldichte machen.
Die Polizei wird ab jetzt Geldstrafen aussprechen,
bei Verstößen.
Und bei wiederholten Fragen, ob in der Gastronomie,
bei Einrichtungen oder ähnlichen Räumen,
vorübergehende Schließungen anordnen.
Es sind Landkreise wir Traunstein, die Bayerns Politik so ratlos machen
Die Inzidenz steuert auf 1000 zu, die Krankenhäuser voll,
die Impfquote weit unter dem Bundesschnitt.
Wir haben uns über den ganzen Sommer den Mund fusselig geredet.
Haben jedem erklärt, was passieren wird.
Haben jedem erklärt, was passieren wird.
Es ist genauso gekommen,
was die Politik und die Experten gesagt haben.
Und jetzt möchte plötzlich jeder sofort seine Impfung.
Aber ich bin schon mal froh, wenn es in die richtige Richtung geht.
Noch ist der Impfschub mehr Hoffnung als Realität,
die mobilen Impfteams, wie hier in der Oberpfalz,
verabreichen vor allem Booster und wenig Erstimpfungen.
Bayern will nun alle Impfzentren wieder hochfahren.
Doch die Impfbereitschaft scheint erschöpft.
Und so stoßen die Intensivstationen wieder an ihre Belastungsgrenze.
Es ist Bayerns großes Corona-Dejavu.
Mit einem Unterschied,
es sind vor allem Ungeimpfte, die hier liegen.
in der München Klinik sind 21 von 26 Intensivpatienten ungeimpft,
das Personal am Ende seiner Kräfte.
Die Ausgangssituation ist jetzt eine ganz andere.
Wir haben Personal das erschöpft ist,
das mutlos ist zum Teil, müde ist, frustriert ist.
Dann haben wir Inzidenzen, die höher sind
und wir haben ein ganz normales Notfallgeschäft.
Wir haben keinen Lockdown, was auch gut ist.
Ich möchte keinen Lockdown mehr.
Aber das muss man sehen und ich weiß,
dass die Situation für uns, in diesem Winter,
wahrscheinlich schwieriger wird.
Für Erklärungsversuche,
wie es gerade in Bayern so weit kommen konnte,
haben sie hier keine Zeit.
Andreas Bensegger bereitet seine Firma
auf die nächste Runde der Verschärfungen vor.
3G am Arbeitsplatz, das heißt Impfnachweise
oder Testergebnisse kontrollieren, was er eigentlich gar nicht darf.
Wir müssen sagen, geimpft, ja, nein, müssen es im Prinzip speichern
und dürfen es nicht, das ist wieder eine Lücke,
die an der Wirtschaft rausgelassen wird.
In Bayern gilt seit heute 2G für Großveranstaltungen.
Das Fußballstadion wird zum Ort für Geimpfte,
ebenso Konzerthäuser und Theater.
In Restaurants gilt noch 3G.
Die Politik ist am Ende ihrer Ideen, beschwört weiter das Impfen.
Es geht um diejenigen, die noch schwanken.
Ich möchte so viele wie möglich noch dazu bewegen,
sich impfen zu lassen.
Wir hoffen sehr, dass 2G ein Schub ist.
Aber wir glauben einfach, das Volllaufen der Intensivstationen
muss augenscheinlich jedem bewusst machen,
dass man sich und andere gefährdet.
Die langsame Rückkehr zur Leichtigkeit ist ausgebremst.
Ob und für wen hier bald Weihnachtskonzerte stattfinden,
ist wieder offener denn je.
In dem Maße, in dem auch jüngere Menschen an Corona sterben,
hinterlassen sie oft auch minderjährige Kinder.
Nach einer internationalen Studie
haben durch Corona weltweit mehr als eine Million Minderjährige
ein Elternteil oder ein für sie sorgendes Großelternteil verloren.
Allein in Deutschland wurden so schon mindestens 1800 Kinder
zu Waisen oder Halbwaisen.
Rechnet man Kinder hinzu, die teils von Großeltern aufgezogen wurden,
sind es noch mehr.
Über die Seelenqualen und Traumata, die damit einhergehen,
wird in der öffentlichen Debatte allerdings selten gesprochen.
Der Fokus liegt meist auf der anderen Seite der Medaille:
den psychischen Problemen, die die Corona-Maßnahmen verursachen.
Damit befasste sich heute auch eine Fachtagung in Berlin.
Auf der Therapeuten beichten, wie Ängste und Vereinsamung
Kindern in der Pandemie zugesetzt haben, Stefanie Gargosch berichtet.
Nico ist elf.
Die Pandemie und der Lockdown brachen in seine Kindheit ein.
Ohne Freunde, mit Online-Schulunterricht,
war das Leben plötzlich konturlos verwaschen.
Ich konnte einfach nicht richtig leben,
ziemlich scheiße.
Also, anders geht es einfach nicht.
Es gibt kein anderes Wort dafür, um zu beschreiben,
wie ich mich da fühle.
Nico hatte schon vor der Pandemie emotionale Probleme,
ist hochsensibel.
Die Situation verstärkte alles.
Vielen Kindern geht es so wie ihm.
Jedes dritte Kind zeigt inzwischen psychische Auffälligkeiten.
Vor der Pandemie war es jedes Fünfte.
Nico besucht eine Verhaltenstherapie.
Normalerweise ist diese strikt privat.
Er aber lässt uns in einer nachgestellten Sitzung
in seine Seele blicken.
Das Krokodil symbolisiert Nico, weil es einen Panzer hat
und manchmal zubeißt, wie er sagt.
Kannst du dich noch erinnern, als die Schule wieder losging,
was da mit dem Krokodil passiert ist?
Es wurde aggressiver, wurde leicht handgreiflich.
Wieso macht dich das denn so aggressiv?
Jeder hat sich, zumindest teilweise, verändert,
über Corona, denke ich.
Man hat im Grunde vor allem vor Fremden
als aller erstes Mal Angst und Angst sorgt für Aggressivität.
Für Nico ist die Therapie ein Segen.
Aber immer mehr Kinder warten vergeblich auf einen Platz.
Wir haben erheblich mehr Anfragen, und wir versuchen,
in irgendeiner Form das aufzufangen,
wenngleich natürlich auch vorher schon unsere Praxen voll waren
und wir an den Grenzen unseres Machbaren gearbeitet haben.
Auf einer Fachveranstaltung heute in Berlin,
formulierten Psychotherapeuten daher erneut Forderungen an die Politik.
400 waren online dabei,
Kinder bräuchten dringend endlich mehr Hilfe.
Weil er jetzt in der Schule nicht mitkommt,
weil er vielleicht soziale Ängste hat,
sich deswegen nicht am Unterricht beteiligt.
Einen schlechteren Bildungsabschluss bekommt,
als den er erreichen könnte.
Sozial abgehängt wird.
Der hat schlechtere Chancen für die Zukunft.
Also, wenn man es mal ganz nüchtern, wirtschaftlich betrachtet,
diejenigen, die jetzt heute auf der Strecke bleiben,
die werden sich später
auch entsprechend nicht einbringen können,
wie wir uns das wünschen.
In der Kritik auch das zwei Milliarden Corona-Aufholpaket
der Bundesregierung, etwa für Nachhilfe.
Es sei zu bürokratisch und reiche nicht.
Die Bundesbildungsministerin lenkt ein.
Wir können immer nur sagen, dass ist jetzt der erste Schritt,
die Hilfe, die wir gemacht haben.
Aber wir müssen auf jeden Fall dranbleiben an dem Thema.
Wir müssen dem sowohl politisch,
aber eben auch gesamtgesellschaftlich
einen hohen Stellenwert einräumen.
Nico half seine Familie und die Therapie.
Doch jedes Kind sollte die Unterstützung bekommen,
die es braucht, um gesund aufzuwachsen.
Dass Corona endlich weggeht, dürfte für viele der größte Wunsch
zu Weihnachten sein.
Aber materielle Wünsche gibt's natürlich auch.
Den Einzelhandel stellt das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr
allerdings vor besondere Herausforderungen, Heinz.
Der Einzelhandel erwartet laut dem Münchner ifo-Institut
weiter Lieferprobleme.
Das ist das Ergebnis einer ifo-Umfrage.
Worauf müssen sich die Verbaucher da einstellen,
Valerie Haller, und was sind die Erwartungen,
wie lange es noch Lieferprobleme gibt?
Einzelhändler erwarten, dass sich die Verzögerungen
bis weit in den Sommer nächstes Jahr hinziehen.
Das hat Folgen: Wartezeiten sind lang.
Manche Produkte erst mal gar nicht verfügbar.
Das Ifo Institut warnt vor eingeschränkter Auswahl
zu Weihnachten und sogar noch lange danach.
Besonders betroffen von den Liefer- engpässen ist die Fahrrad-Branche.
Da fehlt es offenbar an allen Ecken und Enden.
Von Schaltungen, Lenkern, Laufrädern bis zu speziellen Teilen für E-Bikes.
Und die Probleme dürften noch eine Weile andauern.
Mit 18 Monaten Lieferverzögerungen rechnen die Fahrradhändler
und sind somit so pessimistisch wie keine andere Branche.
Bei den Möbelhändlern sind es 13 Monate.
Die Spielzeug-Händler gehen von rund elf Monaten aus
und die Baumärkte von über zehn.
Die Gründe sind vielfältig.
Viele Firmen haben in der Corona-Krise
ihre Produktion heruntergefahren und wurden dann vom Boom überrascht.
Außerdem rächt sich, dass viele Unternehmen aus Kostengründen
kleine Lager haben und bei ihrer Produktion
auf passgenaue Teile-Lieferungen setzen.
Wenn es an einer Stelle hakt, kommt die ganze Produktion ins Stocken.
Kosten, die die Unternehmen zum Teil auf die Kunden abwälzen.
Ein Großteil der vom Ifo Institut befragten Unternehmen
kündigen höhere Preise an.
Spätestens im Weihnachtsgeschäft dürfte sich das bemerkbar machen.
Valerie Haller, vielen Dank.
Am Abend ist in Berlin der Preis "Gemeinsam gegen das Verbrechen"
der ZDF-Sendung "Aktenzeichzen XY- ungelöst" verliehen worden.
Bundesinnenminister Seehofer
überreichte die mit jeweils 10.000 Euro dotierte Auszeichnung
an insgesamt drei Preisträger.
Sie hätten Zivilcourage bewiesen und sich mutig für andere eingesetzt.
Die jüngste Preisträgerin war 16, als im hessischen Volkmarsen
ein Amok-Fahrer in den Karnevalsumzug raste.
Sie hinderte den Täter an der Weiterfahrt.
Nach fast 200 Tagen auf der Internationalen Raumstation
sind vier Astronauten wieder sicher zurück auf der Erde.
Sie landeten rund acht Stunden nach dem Abdocken mit ihrer Kapsel
in der Nacht im Meer vor der US-Küste.
Die Nachfolgebesatzung soll frühestens am Donnerstag unserer Zeit
zur ISS starten, mit an Bord dann der Deutsche Matthias Maurer.
Das wars im "heute journal".
Gleich geht's mit der Reportagereihe "37 Grad" weiter.
Heute mit dem Titel: "Täglich ein Tier - Leben für das Sonderangebot".
Wie in Deutschland Fleisch produziert wird.
HW: Um 0:00 Uhr gibt es dann unser "heute journal update"
mit Christina von Ungern-Sternberg.
MS: Bis morgen, auf Wiedersehen.
Guten Abend, über Nordeuropa ziehen kräftige Tiefs hinweg,
die vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer reicht,
die vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer reicht,
zieht etwas weiter nach Osten.
Aber am spannendsten auf der Wetterkarte
ist dieses Tief über dem westlichen Mittelmeer.
Das dreht sich dort schon seit Tagen und wird das
auch noch in den nächsten Tagen tun.
Es bringt viel Regen mit, viel Wind und auch hohe Wellen.
Wir können bis Sonntag in dieser Region
durchaus zum Teil mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter erwarten.
In der Nacht gibt es ein paar dichtere Wolkenfelder im Nordwesten,
sonst ist es häufig klar und es bildet sich wieder Nebel
unter den dichteren Wolken im Nordwesten.
An der Ostsee bleibt die Nacht mild, mit zehn bis sieben Grad.
Sonst aber gehen die Temperaturen auf plus zwei bis minus vier Grad runter.
Am Boden wird es also überall frostig.
Und dann kann es örtlich auch mal glatt sein.
Höchsttemperaturen liegen meist um die zehn Grad.
Hält sich der Nebel zäh, werden kaum fünf Grad erreicht,
am Alpenrand, mit leichter Föhnunterstützung
gibt es aber sogar 14 Grad.
Auch morgen gibt es wieder dichtere Wolkenfelder im Nordwesten.
Und dann kann es zum Beispiel hier an der Schlei
oder auch auf Sylt etwas regnen.
Zwischen den ostfriesischen Inseln der Lübecker Bucht
sind die Wolken eher dicht.
Über Norddeutschland ziehen dann einige Schleierwolken hinweg.
Da wird der Himmel nicht mehr so ganz klar blau sein.
In Süddeutschland muss sich erstmal Nebel auflösen.
Das wird wahrscheinlich nicht mehr ganz so gut klappen,
Und ganz ähnlich geht es in den nächsten Tagen weiter. Guten Abend.