heute journal vom 23.08.2021 - Chaos in Kabul - Ringen um weitere Evakuierungen; Flucht aus Afghanistan - Fragen an Migr
Diese Untertitel sind live produziert.
Und jetzt das "heute journal" mit Kay-Sölve Richter und Claus Kleber.
Guten Abend.
Der Hindukusch, Afghanistan erscheinen plötzlich wieder nah.
Fast so wie vor 20 Jahren, nach dem 11. September,
als aus jenen Bergen gesteuerter Terror die Welt,
die westliche Welt v.a., ins Herz traf wie keiner zuvor.
Nun also Rückzug, für Strategen seit Jahrtausenden
die schwierigste aller militärischen Unternehmungen.
Der Abzug aus Kabul gerät quasi live zur täglichen Demütigung
der größten Militärallianz der Geschichte.
Die Bilder sagen:
Nichts wird bleiben, was die "Weltgemeinschaft" hier versucht hat.
Mit Unsummen von Geld, unter Einsatz und Verlust unzähliger Menschenleben.
Die neuen Herren des Landes befehlen "raus mit Euch"
und setzen ihre Fristen.
Was nicht heißt, dass sie das Land und seine Wirtschaft im Griff haben.
Luc Walpot über das Geschehen heute.
Im Viertelstundentakt heben die Militärmaschinen in Kabul ab.
3.000 Menschen hat allein die Bundeswehr bislang ausgeflogen,
darunter 340 Deutsche.
Aber mehr als 100 deutsche Staatsbürger sind noch
im Land, und rund 10.000 Ortskräfte,
die vermutlich in Lebensgefahr schweben.
Durch das gefährliche Chaos an der Flughafenmauer zu gelangen,
wo weiter Tausende ausharren, ist nahezu unmöglich.
Am Morgen kam bei einem Schusswechsel
ein afghanischer Bewacher des Geländes ums Leben.
Alle sind unter Druck.
Und die Zeit läuft aus.
Überlegungen von US-Präsident Biden, das Abzugsdatum 31. August
zu verschieben, wiesen die Taliban heute kalt zurück.
Das ist eine Rote Linie.
Bleiben sie länger, wäre das eine Verlängerung der Besatzung.
Dafür aber gibt es keine Notwendigkeit.
Wenn sie länger bleiben, wird das eine Reaktion provozieren.
Die Taliban geben sich vor den Kameras gelassen.
Beteuern, alles sei in bester Ordnung.
Tatsächlich wachsen die Probleme.
Militärisch regt sich Widerstand gegen die Islamisten
im nordöstlichen Pandschir-Tal.
Die Taliban
mussten starke Kräfte dort für eine Offensive zusammenziehen.
Und der Unmut der Bevölkerung wächst.
Im Netz kursieren Videos, in denen Frauen auf dem Land
von Hinrichtungen und Entführungen junger Mädchen berichten.
Ob das stimmt, ist schwer zu überprüfen.
Aber Berichte häufen sich.
Die Schulen, wie hier in Herat, sind zwar auch für Mädchen geöffnet.
Aber es gibt nur noch getrennten Unterricht,
auch an der Universität werden Frauen und Männer getrennt.
Und Frauen dürfen nur von weiblichen Lehrenden unterrichtet werden.
An der Grenze zu Pakistan ist unterdessen der Warenverkehr
praktisch zum Erliegen gekommen.
Auch hier versuchen tausende Afghanen,
vor den Taliban ins Ausland zu fliehen.
Es ist kein Leben, mal Krieg, dann Waffenruhe, dann wieder Krieg.
Und es gibt keine Arbeit oder Zukunft.
Noch sind die Straßenmärkte in Kabul voll.
Doch die Versorgungskrise, vor allem auf dem Land,
werde sich rasch zuspitzen, befürchten Experten.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen
hat bislang 14 Mio. Afghanen versorgt.
Derzeit kommt nichts mehr an.
Ungefähr so wenig wie Bargeld in den Banken.
Die Zentralbank arbeitet nicht, das Geld wird knapp.
Das Geld wird knapp.
Behörden und Ministerien werden derweil bewacht,
aber die Arbeit bleibt liegen.
Die alte, korrupte Regierung ist Geschichte.
Eine überzeugende Alternative
haben die neuen Machthaber noch nicht zu bieten.
Katrin Eigendorf, über viele Jahre unsere Reporterin in Afghanistan,
sammelt ihre Informationen jetzt
notgedrungen am Drehkreuz Taschkent in Usbekistan.
Katrin, was sagen Ihre Quellen?
Haben die Taliban jetzt wirklich die Kontrolle über das Land?
Nein, das sieht nicht so aus.
Sie haben zwar die Macht übernommen, aber das Land zu führen, bedeutet
mehr, als nur Terror auszuüben. Es müssen Institutionen am Laufen
gehalten werden.
Sie müssen mit vielen Kräften kooperieren, um die Institutionen
am Laufen zu halten.
Wir hören, dass das momentan das große Problem ist.
Man kooperiert auch mit Hamid Karzai,
dem ehemaligen Präsidenten.
Auch die USA und auch Deutschland müssen mit den Taliban kooperieren.
Sonst kämen die Menschen gar nicht auf dem Flughafen von Kabul.
In Dörfern die Scharia durchsetzen und Andersdenkende verfolgen,
in Doha und anderswo mit US- und EU-Diplomaten verhandeln.
Kann man Linie erkennen, wie Afghanistan in der Welt auftritt?
Diese Linie zeichnet sich noch nicht ab.
Es gibt Grabenkämpfe unter den Taliban.
In Afghanistan sprechen die Taliban von den wilden Taliban,
die teilweise in den Dörfern Terror ausüben.
Diejenigen, die in Doha auftreten,
sind die Diplomaten der Taliban.
Es ist noch nicht klar, wer sich letztendlich durchsetzen wird.
Ob die Hardliner ein mächtiges Wort mitreden.
Die Taliban in Doha wollen nicht, dass Afghanistan wieder zu einem
internationalen Pariastaat wird.
Man ist auch abhängig von internationalen Hilfsmitteln.
Aber es ist noch nicht entschieden, welche Fraktion in Afghanistan
die Macht übernehmen wird.
Allen Verantwortlichen ist klar, dass die bisher 3.000,
irgendwann vielleicht einmal 10.000 Menschen,
die aus Afganistan herausgeholt werden,
wahrscheinlich nicht das Ende einer Fluchtbewegung aus Afghanistan
sein werden.
Die Frage ist, was das für Deutschland bedeutet.
V.a. aus den Reihen der Union kam sofort, wie ein Reflex,
aus vielen Mündern der Satz: "2015 darf sich nicht wiederholen."
Das ist bestenfalls eine Forderung.
Eine Antwort auf die Lage ist es noch nicht.
Frank Buchwald über eine Debatte, die eine Rolle spielen wird.
In der Endphase des "Wahlkampfs".
Sie haben es geschafft:
Menschen aus Afghanistan, der Hölle von Kabul entkommen.
Es sind Hunderte, die an diesem Wochenende
auf dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein
gelandet sind.
Es geht ihnen ganz gut, aber sie sehen erschöpft aus, sehr müde.
Wenn man dann aber sieht, wie die Kinder, wie die Familien
hier ankommen, mit breitem Lächeln – das wärmt das Herz.
Eine Luftbrücke, sie soll Leben retten, solange es eben geht.
Dienstag nächster Woche könnte Schluss sein, drohen die Taliban.
Außenminister Maas aber will auch nach dem 31. August
Menschen aus Kabul evakuieren.
Daher arbeiten wir bereits seit Tagen an konkreten Schritten,
um danach noch schutzbedürftige Afghaninnen und Afghanen zu helfen,
das Land zu verlassen und in Sicherheit zu leben.
Deutschland bereitet sich auf afghanische Flüchtlinge vor.
Manche Bundesländer, etwa Thüringen, planen eigene Aufnahmeprogramme.
Ministerpräsident Ramelow will auf Berlin nicht warten.
Wir erfüllen die Pflichten, die alle Bundesländer erfüllen müssen.
Ob dazu ein zusätzliches Hilfsprogramm notwendig ist,
hängt davon ab, was die Bundesregierung selbst macht.
So lange sie es nicht erfüllt,
so lange bereiten wir eigene Programme vor.
Leben retten, Flüchtlingen helfen:
Darin sind Bund und Länder einig.
Hessens grüner Vize- Ministerpräsident Al-Wazir
aber setzt vor allem auch auf Solidarität mit den Nachbarstaaten.
Wir müssen alles dafür tun, dass die Länder,
die v.a. die Afghanen aufnehmen, in den letzten Jahrzehnten immer schon
aufgenommen haben, wie Pakistan und Iran,
mit dieser Situation nicht alleingelassen werden.
Um Ortskräfte und ihre Familien allein könne es jedoch nicht gehen.
Auch andere, von den Taliban besonders bedrohte Menschen
bräuchten Schutz, Frauen vor allem.
Jetzt geht es darum, die Leben von Ortskräften und bedrohten Frauen
zu retten.
Da haben wir aus Nordrhein-Westfalen ein Angebot gemacht.
Ich werbe dafür, ansonsten die UN-Organisationen in der Region
zu unterstützen und eine internationale Konferenz zu machen
mit den USA und Kanada für ein weltweites Resettlement-Programm.
In Afghanistan gehe es auch um deutsches Selbstverständnis,
um ein Land, das für das Richtige stehen und das Richtige tun wolle,
sagt am Abend die Verteidigungsministerin
und wagt ein Versprechen.
Unabhängig davon, wann die internationale
militärische Evakuierungsoperation endet, werden wir danach
weiter alles tun, um die schutzbedürftigen Menschen vor Ort
zu unterstützen
und ihnen zur Ausreise aus Afghanistan zu verhelfen.
Der Westen steht im Wort, auch Deutschland.
Noch starten in Ramstein und anderswo Militärtransporter
an den Hindukusch, retten Leben.
Wie lange noch, weiß niemand.
Im Rückblick auf 2015 wird gerne vergessen, wie schnell auch
die Regierung Merkel dann mit dem Rest Europas auf eine
"jetzt ist aber gut"-Politik mit geschlossenen Grenzen umschaltete.
Der unabhängige Experte Gerald Knaus hatte damals einen Plan,
der Rechte von Flüchtlingen geschützt
und die Grenzen trotzdem geordnet hätte.
Die Politik hat in der Umsetzung daraus einen Deal
mit der Türkei gemacht, bei dem Flüchtlinge auf der Strecke blieben.
So war das nicht gedacht.
Guten Abend, Herr Knaus, wird sich sowas wiederholen?
Es steht tatsächlich unglaublich viel auf dem Spiel.
Die Flüchtlingskonvention, die 70 Jahre vor wenigen Wochen gefeiert
hat.
Schaffen es die mit berechtigter Angst vor Verfolgung aus dem Land
heraus? Die Taliban bewachen die Grenzen.
Die echte Gefahr, die echte Herausforderung ist, dass die
Menschen nicht herauskommen.
Viele müssen die Taliban fürchten.
Diese Menschen wollen irgendwohin.
Wo könnten diese Menschen am Ende hingehen?
Ich fand es ermutigend in ihrem Beitrag die Wortmeldung der
Verteidigungsministerin.
Man muss auch nach dem Ende der Evakuierung darauf drängen,
dass die Menschen, die den Alliierten geholfen haben,
dass wir versuchen sollten, sie weiter herauszuholen.
Das wird nur gehen, wenn wir die Taliban daran erinnern,
die Menschen ausreisen zu lassen.
Oder den Nachbarländern signalisieren, lasst die Menschen
hinein!
Ist Europas Verantwortung für die Menschen in Afghanistan noch ein
Stück größer als die Verantwortung für Menschen in Syrien?
Nach 20 Jahren Präsenz, aber auch den menschlichen Kontakten dort,
dem Versprechen an Afghanen, sich heraus zu wagen, sich auszusprechen,
für ein anderes Modell der Gesellschaft, sie sind Risiken
eingegangen, haben wir eine Verantwortung für die Menschen.
In Deutschland empfinden das auch viele so.
Aber Afghanistan ist weit weg.
Aber durch die Afghanen, die schon hier sind,
gibt es eine breite Unterstützung für das,
was in den letzten Tagen viele Politiker vorgeschlagen haben,
Flüchtlinge herauszuholen.
Sebastian Kurz hat deutliche Worte gefunden.
Er möchte keine Afghanen ins Land lassen, damit die Taliban-Ideologie
nicht hereintransportiert wird. Das ist so,
wie wenn man diejenigen, die über die Mauern fliehen konnten,
nicht aufnehmen würde, weil sie den Kommunismus importieren würden.
Die Menschen, die jetzt kommen,
sind diejenigen, die die Taliban hassen.
Es ist wichtig, dass wir an dem Tag, an dem die Lichter am Flughafen in
Kabul ausgehen, dass wir dann die Menschen nicht vergessen.
Mitten in der Urlaubszeit müssen viele Bahnreisende umdisponieren,
denn seit dem frühen Morgen bestreiken die Lokführer wieder
den Personenverkehr.
Laut Bahn fielen rund 70 % der normalen Zugfahrten aus,
den Rest hielt der Konzern mit einem Notfallplan aufrecht.
Zwischen großen Städten setzte er Busse ein.
Die angebotene Corona-Prämie wies GDL-Chef Weselsky zurück:
Im ZDF kritisierte er, dass die Bahn keine Summe nannte.
Im Migrationsstreit mit Belarus will Polen nun
einen zweieinhalb Meter hohen Grenzzaun bauen.
Außerdem sollen mehr Soldaten die Grenze sichern.
Zuvor hatte bereits Litauen einen Zaun angekündigt.
Bei dem Streit geht es um tausende Migranten, die seit Wochen
illegal ins Land kommen.
Es gibt den Verdacht, dass Belarus die Menschen gezielt
aus dem Nahen Osten einfliegt und in seine Nachbarländer schickt,
als Vergeltung für EU-Sanktionen.
Gleich zwei heftige Unwetter haben die USA getroffen
mit gewaltigen Regenmengen.
Besonders heftig war es im Bundesstaat Tennessee,
wo teilweise mehr als 400 Liter pro Quadratmeter runterkamen
und ganze Häuser wegrissen.
Mindestens 21 Bewohner starben in den Fluten,
etliche weitere werden vermisst.
Glimpflicher, als erwartet, kamen die Menschen an der Ostküste davon:
Bevor Hurrikan Henri an Land traf,
hatte er sich zum Tropensturm abgeschwächt.
Trotzdem verursachte er Sturzfluten und Stromausfälle.
Im Kampf gegen Kinderarmut fordern mehr als 20 Sozialverbände
und Gewerkschaften radikale Reformen.
Sie plädieren für eine Kinder-Grundsicherung,
die die bestehenden Leistungen bündelt und ersetzt
und möglichst automatisch ausgezahlt wird.
Als Basis müsse das Existenzminimum neu und realistisch berechnet werden.
Ursprünglich wollte die Große Koalition das Pflegegeld erhöhen
für Betroffene, die zuhause versorgt werden.
Doch das wurde dann doch nicht umgesetzt.
Nun will der Sozial-Verband VdK die Erhöhung einklagen.
Hintergrund ist eine Studie, die zeigt,
wie verheerend sich die Corona-Pandemie ausgewirkt hat.
Demnach fühlten sich 70 % der Pflegebedürftigen
und ihrer Angehörigen psychisch schwer belastet.
Die allermeisten mieden den Kontakt zu Dritten,
und fast jeder dritte Pflegebedürftige
verließ die eigene Wohnung gar nicht mehr.
Es ist völlig normal, die Nase voll zu haben von Inzidenzen,
der Zahl positiv auf Corona getesteter, auf 100.000 Menschen.
Nüchtern betrachtet Statistik.
Gefühlt seit anderthalb Jahren Taktgeber des Lebens.
Öffentlich, privat - die Macht, die Türen öffnet oder schließt.
Zu Freunden, zu Kultur und Feiern, Schulen, Kaufhäusern, Reisen.
Kurz: Freiheit.
Noch liegt die Zahl insgesamt bei Werten,
die man sich in den schlimmsten Zeiten gewünscht hätte,
aber doch schon wieder deutlich mehr als 50 neue Fälle auf 100.000.
V.a. ist der Trend der Neuinfektionen eindeutig.
Die Entwicklung ist unterschiedlich weit fortgeschritten,
NRW ein Schwerpunkt.
Leverkusen die erste Stadt, die wieder über 200 liegt.
Trotzdem ist das ein Bild, das man heute
mit praktisch 60 % vollständig Ge- impften sicher anders betrachten kann
als vor einem Jahr - ohne Impfung.
Die Frage ist, wie? Umstritten, politisch aufgeladen im Wahlkampf.
Christiane Hübscher berichtet.
Seit anderthalb Jahren starren wir auf diese Kurve.
Von ihr hängt ab, was geht und was nicht geht in diesem Land.
Bei einer stabilen 7-Tage-Inzidenz.
Bei einer Inzidenz von über 100.
Dass wir jetzt runterkommen mit unseren Inzidenzen.
Ohne Inzidenz geht es nicht.
Und plötzlich geht es doch.
Die 100, die 35, die 50 – das soll bald schon egal sein.
Der Bundesgesundheitsminister räumt die Zahlen heute persönlich ab.
Die 50er-Inzidenz im Gesetz, die hat ausgedient,
die galt für eine ungeimpfte Bevölkerung.
Wir haben mittlerweile auch viele Menschen,
die sich haben impfen lassen.
Und deswegen ist mein Vorschlag, jetzt auch diesen Maßstab,
diese 50er Inzidenz, aus dem Gesetz zügig zu streichen.
Das passt nicht mehr.
Im Corona-Kabinett sind sie sich einig:
die Lage hat sich verändert, eine 50er-Inzidenz heute
ist nicht mehr vergleichbar mit der von vor einem Jahr.
Wir haben eine völlig veränderte Situation, wir haben eine Impfquote,
wir haben ein Gesundheitssystem,
das den Herausforderungen standhält und deswegen wird es Zeit,
immer dann, wenn Einschränkungen erforderlich sind,
diese nicht nur am Infektions- geschehen, sondern auch
an der Hospitalisierung und an der Impfquote auszurichten.
Künftig also soll die Krankenhausauslastung
das Maß aller Dinge sein.
Aktuell liegt die Hospitalisierungsrate
bundesweit bei 1,3 auf 100.000 Einwohner.
Doch sie steigt.
Ob und ab welchem Wert neue Maßnahmen ergriffen werden müssen,
soll nicht mehr in Berlin entschieden werden,
sondern in den Ländern.
Die Inzidenz wird immer ein Parameter sein,
der irgendwo mitschwingen wird, den man auch weiter ansieht,
vielleicht auch die Inzidenz der Geimpften, der Ungeimpften,
die Inzidenz verschiedener Altersschichten.
Aber ich glaube, wir brauchen einen neuen Leitwert und dass wir jetzt
das Thema der Krankenhausbelegung einbeziehen als Leitwert,
halte ich schon für richtig.
Oberarzt Celik aber will nicht
auf den Frühwarnindikator Inzidenz verzichten.
Er nimmt auf seiner Isolierstation in Darmstadt
wieder vermehrt Schwerkranke auf,
im Schnitt jünger und zu 80 % ungeimpft.
Der Lungenarzt braucht die zwei Wochen Vorlauf,
die er durch den Blick auf die Inzidenz gewinnt.
Wenn wir einfach anfangen würden,
nur unsere Vorbereitung nach der Hospitalisierungsrate zu machen,
dann würden wir unsere Covid-Aufnahmen pro Tag zählen
und dann erst mit unserer Personal- und Raumplanung beginnen.
Das funktioniert nicht,
so kurzfristig können wir im Krankenhaus,
in der Pandemie zumindest, nicht arbeiten.
Kritiker halten die Abkehr von der Inzidenz
für ein reines Wahlkampfmanöver.
Die Inzidenzen einfach aus dem Gesetz zu streichen,
anstelle sie um weitere Faktoren zu ergänzen,
ist die völlig falsche Lösung und deutet eher darauf hin,
dass man unpopuläre Entscheidungen vor der Wahl vermeiden will,
anstelle wirkliches Krisenmanagement voranzubringen.
Ein echter Kurswechsel steht da bevor, weg von der Inzidenz.
Schon am Mittwoch soll sich der Bundestag damit befassen.
Die Olympischen Spiele in Tokyo wären letztes Jahr fällig gewesen.
Wegen Corona wurden sie schweren Herzens auf dieses Jahr verschoben.
Sie sind der Gefahr damit nicht entronnen.
Das Virus erwies sich als Langstreckenläufer.
War weiter dynamisch unterwegs, und wurde von Olympia angefeuert.
Auch ohne Zuschauer im Stadion.
Die Menschen Japans haben die Chance ergriffen,
sich an den Spielen zu freuen.
Spontan, privat oder auf der Straße - das hat gereicht.
Die Paralympics starten jetzt, einen Monat später,
in einer aufsteigenden Pandemie-Kurve.
Stefanie Schoeneborn berichtet.
Der Patient wurde bereits von drei Krankenhäusern abgelehnt,
und das Husten hat vor einer Woche begonnen.
Eine Corona-Klinik in Kawasaki.
Das Delta-Virus breitet sich in Japan immer mehr aus.
Der Patient hat Probleme beim Atmen, braucht Sauerstoff.
Der Arzt hat uns angewiesen, ihn aufzunehmen.
Die Intensivstation ist voll.
Sie wissen nicht mehr wohin mit den Covid-Patienten.
Wer nicht künstlich beatmet werden muss,
kann nicht mehr auf dieser Station bleiben.
Shigeki Fujitani leitet die Intensivstation
in der wichtigsten Klinik von Kawasaki, der Nachbarstadt Tokios.
Es ist die einzige Klinik der Stadt,
die Patienten mit Herz-Lungen-Versagen aufnehmen kann.
Jetzt aber reicht der Platz nicht mehr.
Zu Beginn der Olympischen Spiele
haben wir auch noch Patienten aus Tokio aufnehmen können.
Aber seit dem 10. August steigen die Zahlen einfach immer weiter.
Die Abschottung der Athleten, die leeren Zuschauerränge
während der Olympischen Spiele hat funktioniert für die Sportler
und Delegationen, nicht aber für die Bürger Tokios.
Viele wollten die Spiele gemeinsam sehen,
passten nicht mehr auf, steckten sich an.
Das Land befindet sich im Ausnahmezustand.
Mittlerweile gibt es mehr als 22.000 Neuinfektionen am Tag.
Das Gesundheitssystem ist bereits über dem Limit.
Die Regierung hat angeordnet,
dass Menschen mit leichten und mittleren Symptomen
nicht mehr ins Krankenhaus gehen sollen.
Yoichi Suzuki ist Arzt in Tokio und behandelt Corona-Patienten zuhause.
Wenn es jeden Tag mehr Patienten werden,
kann ich meinen Job als Arzt nicht mehr machen.
Die Ärzte versuchen alles,
doch reicht die Versorgung bei Corona-Patienten meist nicht aus.
Bei vielen verschlechtert sich der Zustand zuhause,
doch ins Krankenhaus kommen sie erst,
wenn sie fast im Sterben liegen.
Und dann gibt es meistens keine Betten mehr.
Das größte Problem ist die Welle der Ungeimpften,
das sind die schwersten Fälle.
Wenn wir noch einen Patienten an die Herz-Lungen-Maschine anschließen
müssen, haben wir keinen Platz mehr.
So katastrophal ist die Situation.
Die Worte des Arztes überschlagen sich fast.
Seine Verzweiflung ist beklemmend,
weil keine Besserung in Sicht scheint.
Die Paralympics beginnen morgen
und die Zahlen werden sicherlich weiter steigen.
In den USA hat die Arzneimittelbehörde
den Impfstoff von Biontech/Pfizer nun vollständig zugelassen.
Bislang gab es dort nur eine Notfallgenehmigung.
Laut US-Experten könnte die Impf- kampagne nun neuen Schwung erfahren.
Denn viele, die noch nicht geimpft sind,
nannten als Grund für ihr Zögern die noch fehlende Komplettzulassung.
Autoelektronik, Spielekonsolen, Smarthome-Produkte -
kaum ein technisches Gerät kommt heute noch ohne Halbleiter aus.
Entsprechend dramatisch wirken sich die aktuellen Lieferengpässe aus.
Bosch produziert die Chips seit kur- zem selbst, und das nicht irgendwo.
Sondern an einem Ort, der sich inzwischen den Namen Silicon-Saxony
verdient hat, Frank Bethmann:
Wir reden über Dresden.
Ein Ort der über Frauenkirche und Christstollen hinaus
längst auch für moderne Mikroelektronik, für Hightech
bekannt ist.
Dresden gilt inzwischen
als der fünftgrößte Halbleiter- oder Chip-Produktionsstandort der Welt.
Auch deswegen besuchte
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
heute das neue Werk von Bosch.
Ein weiterer Großakteur der Chipindustrie,
der seit Kurzem im Silicon Saxony ansässig ist.
In Dresden produzieren bereits jetzt vier der großen Chiphersteller
und sind Motor für eine ganze Region.
Silicon Saxony, das heißt in Zahlen mittlerweile:
über 70.000 Beschäftigte, 2.500 Firmen, darunter viele Start-ups,
die zusammen mehr als 16 Mrd. Euro Umsatz jährlich machen.
Und es geht weiter.
Mikro-Chips sind nachgefragt wie nie, auch weil internationale Lieferketten
durch Corona unterbrochen wurden.
Ein Wermutstropfen aber bleibt:
Wichtige Entscheidungen werden noch immer woanders getroffen:
im Ausland oder im Westen der Republik,
dort, wo die Großen ihre Konzernzentralen haben.
In Sachsen setzt man auf die vielen kleinen Start-ups.
Eines Tages, so hoffen sie, entsteht dort ein Goliath,
der dann auch in den DAX aufrücken könnte.
Tatsächlich hat es bis heute
noch kein einziges ostdeutsches Unternehmen
in die erste Börsenliga geschafft.
Der Immobilienriese Vonovia hat einen weiteren Versuch gestartet,
die "Deutsche-Wohnen" zu übernehmen.
Er bietet Aktionären nun 53 Euro pro Anteilsschein.
Einen Euro mehr, als beim letzten Mal.
Damals kam Vonovia nicht über die nötigen 50 %.
Zusammen gehören den beiden Immobilienriesen 550.000 Wohnungen
im Wert von mehr als 80 Mrd. Euro.
Vor genau 75 Jahren gründete die britische Besatzungsmacht
in Deutschland ein neues Bundesland:
Es wurde das bevölkerungsreichste und bekam den Namen Nordrhein-Westfalen.
Für NRW ein guter Grund zum Feiern mit prominenten Gästen,
darunter Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Laschet.
Der sprach von einem Land, das Zusammenhalt lebe,
was sich zuletzt bei der Flutkatastrophe gezeigt habe.
Höhepunkt ist diese Lichter-Show, die zur Stunde
den Düsseldorfer Landtag zur bunten Kulisse macht.
Bis morgen, wenn Sie mögen.
Auf Wiedersehen.
Nach dem Tief "Manfred" kommt das neue Hoch "Gaia".
Das Hoch bringt allerdings kühle Luft mit,
denn die Strömung kommt aus nördlichen, nordöstlichen Richtungen.
Aber so ein Hoch hat zwei Seiten:
die kalte Ostseite, aber auch eine warme Westseite.
Und das führt dazu, das in den nächsten Tagen
auf Island durchaus Wärmerekorde zu erwarten sind.
Das heißt: Temperaturen von 20 Grad - das ist da oben sehr ungewöhnlich.
An der orangenen Farbe auf der Karte ist zu sehen,
dass es dort wärmer ist als bei uns in Mitteleuropa.
Heute Nacht fällt noch etwas Regen, z.B. am Oberlausitz oder am Alpenrand
Im Westen wird es klar und richtig kalt.
Die Sonne tut sich morgen schwer in Bayern, da fällt noch etwas Regen.
Sonst wird es ein sehr freundlicher Dienstag
und in den nächsten Tagen geht es zum Teil mit Sonne weiter,
aber dann wird es von Tag zu Tag kälter.
Am Freitag liegen die Höchsttemperaturen
nur noch bei 14 bis 19 Grad.