ZDF spezial - Corona-Krise – Lockerungen oder Lockdown?
Ich hätte nichts dagegen, das zu lockern.
Normal hätten wir mit der Familie etwas gemacht.
Aber jetzt bleiben alle zu Hause.
Wir haben zum Glück einen Garten.
Was kommt jetzt über die Osterfeiertage?
Das waren gerade Stimmen aus Schwerin und Rostock.
Rostock, eine Stadt mit vielen Lockerungen.
Ein Modell für ganz Deutschland?
Oder hilft jetzt nur noch eins: ein harter Lockdown,
also auch mit Ausgangsbeschränkungen?
Herzlich willkommen zu einem ZDFspezial.
WISO verschiebt sich um ca. 10 Minuten.
Fakt ist: Die Zahl der Neuinfektionen steigt rasant.
Die Länder müssen konsequent die Notbremse ziehen,
so der eindringliche Appell der Kanzlerin.
Nicht Öffnungen oder Modellprojekte seien angesagt,
sondern härtere Maßnahmen.
Zum Beispiel nächtliche Ausgangsbeschränkungen.
Wie reagieren die Länder und was gilt eigentlich?
Unsere Reporter haben sich an der Nordsee und in Mainz umgesehen.
Der erste richtig warme Frühlingstag in Mainz.
22 Grad und Sonne locken ins Cafe.
Mit tagesaktuellem negativen Corona-Test
geht das seit vergangener Woche.
Viele lechzen nach einem Stückchen Normalität.
Es ging seit ein paar Monaten nicht mehr.
Und man kann endlich mal wieder mit den Freunden das genießen.
Dann ist man froh, mal rauszukönnen,
nachdem man jetzt das ganze Wintersemester
in seinem dunklen Zimmer gesessen hat.
Das Risiko einer Infektion draußen im Cafe -
für die Gäste eher kein Thema.
Die Zahlen steigen von den ganzen Privatpartys
und nicht von der Gastronomie.
Wenn man hier kontrolliert sitzt und getestet wird vorher,
hat man eigentlich nichts zu befürchtet.
Ich hoffe, dass z.B. so Sachen wie jetzt die Außengastronomie
offen bleibt.
Für viele Wirte ist das Geschäft kein besonders Gutes.
Hier machen sie bei schönem Wetter
gerade mal 30 % des normalen Umsatzes.
Unternehmerisch lohnt sich das leider gar nicht für uns.
Wir machen es, um den Mitarbeitern und unseren Gästen
eine Freude zu machen.
Es ist echt schwer, zu planen oder in die Zukunft zu schauen.
Die nächste Zukunft bringt erst mal neue Schließungen.
Die Inzidenz in Mainz ist den zweiten Tag über 100 gestiegen.
Die Stadt will die Notbremse ziehen.
Im Nordseebad Büsum ist die Promenade menschenleer,
dafür ist auf dem Wasser richtig was los.
Bei Windstärken fünf bis sechs sind viele Kitesurfer gekommen.
Sportliche Tagesgäste sind also da, andere Osterurlauber nicht.
Aber es ist wirklich beeindruckend.
Ich war gestern auf Fehmarn, da war es genauso leer.
Für Hoteliers und Gastronomen ist das alles sehr schwierig.
Das Weihnachtsgeschäft fiel schon aus,
jetzt fehlen die Einnahmen an Ostern, sagt David Schneider,
der wie viele hier
die das Hin und Her bei den Corona-Maßnahmen kritisiert.
Man fühlt sich an vielen Stellen alleingelassen,
während die Politik lethargisch vor sich hindümpelt
und planlos durch diese Pandemie taumelt.
Nordseeidylle im Hafen.
Büsum will jetzt Modellregion werden,
um Tourismus doch zu ermöglichen.
Konzepte sind in Arbeit.
Wir sind bei einer 40er-Inzidenz.
Und das ist natürlich für uns Motivation, zu sagen,
damit können wir auch trumpfen und können beweisen, dass wir
einen umsichtigen und sicheren Urlaub gewährleisten können.
Der Norden wartet auf Touristen.
Wann es wieder losgeht, weiß keiner.
Gestern gab es, wie gesagt, massive Kritik der Kanzlerin
an den Länderchefs.
Sie würden die Notbremse nicht konsequent ziehen,
zu viele Ausnahmen zulassen.
Sie drohte sogar damit,
mehr Machtbefugnisse dem Bund zu übertragen.
Hören wir kurz rein.
Wir müssen mit einer großen Ernsthaftigkeit
jetzt die geeigneten Maßnahmen einsetzen.
Einige Bundesländer tun das, andere noch nicht.
Wenn das nicht der Fall ist in sehr absehbarer Zeit,
dann muss ich überlegen, das ist mein Amtseid,
das ist meine Verpflichtung:
Wie kann man das vielleicht auch bundeseinheitlich -
ich denke noch nach, es ist noch nicht entschieden...
Eine Möglichkeit ist auch,
das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken.
Darüber wollen wir reden
mit dem Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, guten Abend.
Die Kanzlerin hat gesagt, sie wird nicht tatenlos zusehen.
Was kann sie machen?
Ist der Weg über das Infektionsgesetz realistisch?
Ja, es ist nicht unrealistisch.
Damit würde über ein Bundesgesetz mehr geregelt.
Wir müssen erkennen,
dass man in jeder Phase der Pandemie neu dazulernt.
Wird es so weit kommen, dass der Bund neue Befugnisse bekommt?
Ich rechne damit.
Nach der Kritik von Angela Merkel,
nach der Kritik gestern von der Kanzlerin
haben die haben die CDU-Ministerpräsidenten,
Armin Laschet und Tobias Hans,
heute erklärt, dass sie trotzdem bei ihrem Weg,
dass sie bei den Modellprojekten bleiben wollen.
Regeln sind da, um sie durchzusetzen.
Hier werden Interpretationsspielräume genutzt,
die die Regeln zulassen.
Wenn das so ist,
muss man nachschärfen oder die Autorität erhöhen.
Die Kanzlerin ist am Ende ihrer Kanzlerschaft.
Man sieht Kurven von Machtverfall in dieser Phase.
Auch durch Politikblockaden.
Das ist das, was wir im Moment erkennen.
Mit der deutlichen Kritik gestern
am Krisenmanagement von Armin Laschet,
beschädigt Merkel da nicht auch den amtierenden CDU-Vorsitzenden?
Nicht unbedingt, denn es war Ministerpräsidenten-Kritik.
Man könnte es aber auch so verstehen,
dass er als CDU-Vorsitzender in die Offensive geht.
Man müsste ja schon für das nächste Jahr vorsorgen.
Er könnte z.B. auch gar nicht auf die Kritik eingehen,
die die Kanzlerin gegenüber dem Ministerpräsidenten geäußert hat.
Die Zahlen steigen rasant und man hat das Gefühl,
Bund und Länder verhaken sich in Kompetenzgerangel.
Blockiert da unser Föderalismus eine effektive Pandemiebekämpfung?
Nicht unbedingt, der hat sich über viele Phasen bewährt.
In der Unterschiedlichkeit liegt auch Zukunftstauglichkeit.
Krisen bewältigt man auch dadurch, dass man unterschiedliche Wissensquellen nutzt.
Wenn man das clever bündelt,
kann man damit zukunftstaugliche Gewinne erzielen.
Die Verschiedenheit kann uns helfen.
Erwarten Sie eigentlich noch ein Machtwort,
eine Entscheidung vor Ostern?
Nein.
Vor Ostern passiert wahrscheinlich nichts mehr.
Wenn nicht gehandelt wird,
dann sind auch 100.000 Neuinfektionen pro Tag möglich -
davor hatte der Präsident
des Robert Koch-Instituts, Wieler, gewarnt.
Die dritte Welle drohe die bisher schlimmste zu werden.
Wie sieht es im Moment aus?
Daten und Fakten von Achim Fluhrer.
Schlange stehen für einen Corona-Test:
Deutschland im Frühjahr 2021.
Und wie viele Experten glauben:
ein Land im Frühstadium einer dritten Corona-Welle.
Aktuell verzeichnet der 7-Tage-Durchschnitt
bereits 16.390 Neuinfektionen.
Zwar noch nicht das Niveau vom Höhepunkt der zweiten Welle,
da waren es bis zu 25.000, aber die Tendenz geht klar nach oben.
Was aufhorchen lässt:
Es sind längst nicht mehr die Alten, die sich überwiegend anstecken.
Spätestens seit Ende Februar sind es v.a. die 15- bis 65-Jährigen,
die sich mehrheitlich infizieren - Tendenz auch hier steigend.
Über 75.000 Menschenleben
hat die Pandemie in Deutschland bisher gefordert.
Derzeit sinkt die Sterberate.
Im 7-Tage-Durchschnitt sind es nur noch 172 Todesfälle.
Gemessen an den Opferzahlen im ver- gangenen Dezember: stark rückläufig.
Weniger Grund zum Optimismus
bietet der Blick auf die Belegung der Intensivbetten.
Nach Stand heute
müssen 3.561 Menschen intensiv- medizinisch behandelt werden.
Mehr als dreimal so viele wie vor genau einem Jahr,
am Beginn der ersten Welle.
Und Welle 3 nimmt gerade erst Fahrt auf.
Mit welcher Wucht, ist noch nicht abzusehen.
In der Klinik in Eschweiler
ist uns nun der Intensivmediziner Uwe Janssens zugeschaltet.
Guten Abend.
Herr Janssens, die Todeszahlen steigen noch nicht.
Intensivmediziner schlagen aber deutschlandweit Alarm: warum?
Wir haben uns tatsächlich ganz klar vorgenommen,
dieses Mal nicht zu schweigen, sondern klar zu sagen,
dass die zunehmenden Zahlen
sich in einem Umfang bei dem Belegbetten auswirken,
die wir nicht mehr bewältigen können.
Das wird auch wieder zu höheren Sterbefällen führen.
Das will keiner.
Wir sind ganz froh,
dass die Kanzlerin gestern klare Worte gefunden hat.
Wenn es so weitergeht, werden wir steigende Zahlen haben.
Das setzt Intensivmediziner und Pflegekräfte unser Eindruck,
unter dem sie sich schon seit zwölf Monaten befinden.
Wer liegt denn im Moment auf den Intensivstationen?
Es ist so, dass die ganz alten Patienten,
die wir im letzten Jahr der Anfangsphase gesehen haben,
die häufig verstorben sind - das hat sich geändert.
Auch dank der Impfungen.
Wir sehen da abnehmende Sterbezahlen.
Aber jetzt kommen die etwas Jüngeren.
Wir haben noch keine belastbaren Zahlen,
aber die werden noch kommen.
Wir sehen Patienten im mittleren Erkrankungsalter.
Es kann dazu führen, dass wir in diesem Alterssegment
auch entsprechend lange Krankheits- verläufe und Sterberaten haben.
Ein Jahr nach Beginn der Pandemie:
Gibt es denn jetzt schon
erfolgversprechendere Behandlungsmethoden?
Da muss ich Sie leider enttäuschen.
wir wissen, dass weltweit etwa 250 Präparate
sich in der Testung befinden.
Aber eine richtige Waffe gegen das Virus haben wir noch nicht gefunden.
Es bleibt bei den bisherigen Präparaten.
Die zur Reduktion der Sterblichkeit führen.
Eine gute Nachricht aber ist,
dass wir trotzdem viel gelernt haben.
Wir wissen besser, wie wir mit dem Patienten umgehen.
Und wie wir sie, besonders am Anfang,
bei der Atmung unterstützen.
Da zeigt sich, dass wir hier abnehmende Sterblichkeitsraten
bei Intensivpatienten zu beobachten haben.
Das war unser ZDFspezial am Anfang dieser Karwoche.
Um Corona und speziell das Thema Testen geht es
jetzt gleich auch in WISO.
Einen schönen Abend noch, auf Wiedersehen.