Bevor Clans berühmt wurden… | KURZBIOGRAPHIE
Familienehre, Verrat, Gewalt,
Abermillionen von Euro und mitten drin ein Rapstar?
Hört sich ganz nach der neuesten Gangsterserie auf Netflix an, oder?
Doch tatsächlich geht es diesmal um die Realität
auf Berlins Straßen. (Rapmusik)
Spätestens seitdem arabische Clans wie Abou-Chaker
mit Rappern über den roten Teppich laufen,
sind sie selbst Stars.
"Der Biograph" will wissen, wo das alles begonnen hat.
Und stellt euch einen der Urväter der Clans in Deutschland vor.
(Ploppgeräusche)
(Stiftekritzeln)
Erinnert sich Mahmoud Al-Zein, auf dessen Autobiographie
sich dieses Video zum Großteil beruft.
Anders als für die meisten Teenager heute,
war Schule ein Fremdwort für den 16-Jährigen.
Stattdessen half er seinem Vater,
Baumaterialien auf dem Schwarzmarkt aufzutreiben.
Mahmoud kannte es nicht anders.
Seit er zwölf war, tobte im Libanon ein Bürgerkrieg,
der die Hauptstadt Beirut entzwei teilte.
Christen kämpften gegen Muslime,
Palästinenser gegen Israelis.
Auch das Haus von Mahmouds Familie wurde wohl zerstört.
Und sein Alltag war seitdem geprägt vom Chaos.
Deswegen hing er am liebsten mit seinen Kumpels
von der Fatah-Miliz ab,
die wie er Muslime waren.
Hier fühlte er sich verstanden.
Errichtete gemeinsam mit ihnen Stützpunkte, schob Wache
oder eroberte die Straßen zurück.
Mahmouds Eltern machten diese gefährlichen Abenteuer
dagegen wohl Sorgen.
Kurzum entschieden sie, ihren Sohn mit seiner Cousine zu verheiraten.
Auch wenn die beiden sich sehr mochten,
fühlte Mahmoud sich noch nicht bereit für eine Ehe,
sagt er später.
So änderte auch die Hochzeit nichts
und der Draufgänger blieb selbst dann in seinem Film,
als seine Frau schwanger wurde.
Erinnert er sich. (Treibende Musik)
Bis zu einem schicksalsträchtigen Abend im Frühjahr 1982,
an dem laut Mahmoud die Kaserne der Miliz am Strand von Beirut
von Kampffliegern bombardiert wurde.
(Knall) In seinem Buch schildert Mahmoud,
wie die Passanten der belebten Strandpromenade
in Panik gerieten und er voller Wut entbrannte.
Mit seiner Kalaschnikow begann er plötzlich,
wie wild in die Luft zu feuern,
bis sein Magazin leer war.
Mahmouds Vater und sein Onkel Al Achmoun,
der grade aus Deutschland zu Besuch war,
beobachteten den Wutausbruch geschockt aus nächster Nähe.
Für sie soll klar gewesen sein:
Mit Flitterwochen in Deutschland,
so überzeugte man Mahmoud wohl,
seine Heimat für einige Wochen zu verlassen.
In Berlin wartete bereits freudestrahlend
sein Bruder auf das junge Paar.
Bereits seit einigen Monaten lebte er dort mit seiner Familie
in einem Asylbewerberheim,
wo nun auch die beiden Neuankömmlinge unterkamen.
Erneut vereint stürzten sich die Brüder
täglich mit einer Handvoll Cousins in den Großstadtdschungel.
Neben den reichen Deutschen
sahen sie auch die heimlichen Könige der Straße.
Dealer und Spieler, Krawallmacher und Kiezgrößen.
Erinnert sich Mahmoud später.
Doch der vermeintliche Urlaub endet mit schlechten News aus der Heimat.
Die Lage war eskaliert, Beirut dicht,
der Rückflug wohl gecancelt.
Mahmoud wird klar,
er muss sich ein neues Leben in Deutschland aufbauen.
Der erste Schritt dafür: ein Asylantrag.
Doch da die Al-Zein einer Volksgruppe angehören,
die ursprünglich aus der Türkei stammte,
hatte Mahmoud angeblich weder einen libanesischen
noch einen anderen Pass.
Das heißt, sie konnten weder zurückgeschickt werden
noch erhielten sie dauerhaftes Asyl.
Nur eine Duldung.
Und das über viele Jahre lang.
Ihr könnt euch sicher vorstellen,
was das für den Hitzkopf bedeutete.
Zum ersten Mal stand sein Leben still.
Sagt Mahmoud später.
Wie damals in Beirut erkämpft er sich mit seiner Familie
sein Revier auf der Straße.
Ihr Geschäftsmodell heißt Einschüchterung.
Das gibt Mahmoud selbst zu.
Auch wenn es untereinander oder mit anderen mal knallt,
regelt das die Großfamilie traditionell am liebsten unter sich.
Was allein zählt ist die Ehre der Familie
und das Wort Mahmouds, wie er selbst sagt.
Und das nicht nur im eigenen, sondern auch bei anderen Clans.
So wie den Abou-Chakers oder Remmos,
mit denen sie sich die Straße teilen.
Dass die Polizei dabei oftmals wenig mitzureden hat,
merkt sie leider auch schnell selbst.
Ein Kriminalkommissar erinnert sich, wie Clan-Mitglieder
und ihre Ehefrauen die Polizei auslachten,
weil sei wussten, dass die Beweise vor Gericht zerbröseln würde.
Dass die meisten Zeugen und Opfer sich vor Gericht
plötzlich nicht mehr erinnern können,
oder doch nicht verprügelt wurden,
sondern nur die Treppe heruntergefallen sind,
zeigt, wie viel Angst sie gehabt haben müssen.
Kriminalitätsexperten bestätigen,
dass sehr wahrscheinlich neben Drohungen
sogar Folter zum Einsatz gekommen sein soll.
Unterdessen wächst die Familie Al-Zein
nach und nach zu einem der einflussreichsten Clans
in Deutschland heran.
In seinem Buch sagt Mahmoud,
dass heute rund 5.000 Familienmitglieder
in der Bundesrepublik leben.
Gewiss sind nicht alle kriminell, doch verschiedene Quellen belegen,
dass nicht wenige dem einstigen Straßenjungen folgen,
der sich nun als ihr Boss selbst "El Presidente" nennt.
Ähnlich wie bei seinen italienischen Vorbildern
wuchsen mit dem Ansehen in der Unterwelt
wohl auch die Euros auf dem Konto.
Dass er dazu weiterhin Sozialhilfe vom deutschen Staat kassierte,
sei sein gutes Recht gewesen, kommentiert der Gangster ohne Reue.
(Bewegte Musik)
Doch die Geschäfte waren nicht nur lukrativ,
sondern wurden auch immer dreckiger.
Bis zu elfmal wird Mahmoud verurteilt.
Unter anderen wegen Drogenhandels, was der gläubige Muslim
jedoch abstreitet.
Denn nicht nur vor Gericht sind Drogen verboten,
auch im Koran gelten sie als streng haram.
Und weil Einschüchtern schon immer das Ding
des Al-Zein-Clans in Berlin war,
verwundert es kaum, dass sie sich den Einstieg
ins lukrative Rap-Business
vermutlich beim Abou-Chaker-Clan abschauten.
So scheint es, dass sich die arabischen Clans heute in Berlin
nicht nur die Straße, sondern auch die Charts teilen.
Dass für Gangsterrapper die Beziehung zu echten Gangstern
ein willkommenes Mittel ist,
ihr Image aufzupolieren, macht irgendwie Sinn.
Und so ging es im deutschen Rap
plötzlich nicht mehr nur um heiße Worte,
sondern darum, wer den stärksten Clan hinter sich hat.
(Dynamische Musik)
Noch mehr spannende Infos über Clans in Deutschland
kannst du hier abchecken.
Und eine weitere coole Biographie
ist hier ebenfalls verlinkt.
Bis zur nächsten Inspiration,
"Der Biograph".