Bevor Kai Pflaume berühmt wurde… | KURZBIOGRAPHIE
(Ruhige Musik)
Leipzig zu DDR-Zeiten, als es noch zwei Deutschlands gab.
Der 22-jährige Kai Pflaume verabschiedet sich von seiner Mutter,
angeblich würde er wieder studieren gehen.
Doch verschweigt er, was er eigentlich vorhatte,
dass das wahrscheinlich sein allerletzter Besuch sein würde,
und darf sich seine Aufregung noch nicht einmal anmerken lassen.
Denn Kai war kurz davor, eine Straftat zu begehen.
Nur davon zu wissen, wäre schon gefährlich.
(Unruhige Musik) Was hatte er vor?
Sollte er seine Mutter tatsächlich nie wieder sehen?
(Ploppgeräusche, Stiftekritzeln)
Dabei hatte alles so harmonisch begonnen.
Als der heutige Moderator und Influencer
1967 in Halle an der Saale geboren wird.
Seine Kindheit verbringt er im nahgelegenen Leipzig
und erinnert sich bis heute gern an die damalige DDR-Nachbarschaft.
"Eigentlich war alles da, was ich brauchte", sagt Kai.
Ein Bäcker, der seinen Lieblingsstollen verkaufte,
ein schöner Kanal, an dem man Spaß haben konnte.
Klingt idyllisch.
(Vogelzwitschern)
Doch andererseits gibt Kai zu,
die Erinnerungen werden heute oft verklärt.
Wenn gesagt wird, dass die Menschen enger zusammengehalten haben,
wird vergessen, dass das aus dem Mangel heraus geboren war.
Man musste Beziehungen entwickeln,
um an bestimmte Sachen heranzukommen. (Spannungsvolle Musik)
Das macht sich Kai als Kind auch selbst zunutze,
als er ein geschmuggeltes Fußballheft aus dem Westen in die Finger bekommt.
Kurzerhand fotografiert er die darin enthaltenen Bilder ab
und vertickt die Kopien an Schulfreunde.
Seine Begabung zu Moderieren
ließe sich damals wohl noch nicht feststellen,
eher zur Geschäftstüchtigkeit, scherz Kai.
Doch ganz egal, in was er sich probierte,
Kai konnte auf die Unterstützung seiner Eltern zählen.
Gemeinsame familiäre Rituale behält er in warmer Erinnerung.
(Ruhige Musik)
Sie hätten zu einem Urvertrauen geführt.
... wusste Kai.
(Vogelzwitschern)
Sie sind es auch, die ihrem Sohn von klein auf eintrichtern,
wenn er irgendwann einmal mit dem Gedanken spielen würde,
in den Westen zu gehen, solle er es einfach tun.
Auch Kais Eltern hätten früher schon mal
über einen Ausreiseantrag nachgedacht,
doch wären sie diesen Schritt nie gegangen.
Laut Kai hauptsächlich aus einem Grund:
seiner Zukunft.
Denn berufliche Chancen in der DDR hätten er und sein Bruder
im Falle einer Absage wohl keine mehr gehabt.
(Dynamische Musik)
Für den Jugendlichen Kai war eine Ausreise in den Westen
zunächst aber eh noch keine Option.
Er entpuppt sich nämlich als DDR-Musterschüler,
der sein Abitur mit Bestnoten besteht,
brav den Wehrdienst ableistet
und sich im Anschluss
ganz streberhaft für ein Studium einschreibt.
Erst als es während der Semesterferien
in den Urlaub nach Ungarn geht,
wird das Thema Ausreise auch in seinem Leben
zum ersten Mal relevant.
(Lockere Musik)
Dort trifft er sich mit seinen Cousins,
die aus Frankfurt am Main angereist waren.
Ob er nicht spontan Lust habe, mit in den Westen zu kommen,
fragen sie ihn.
Streber-Kai lehnt das Angebot natürlich ab.
Doch dadurch, dass das Thema während des Urlaubs immer wieder aufkommt,
beginnt es, in ihm zu rattern.
Viele DDR-Bürger flüchteten zu der Zeit
über Ungarn nach Westdeutschland.
Warum nicht auch er? (Dynamische Musik)
Aber nichts da, Kai fährt am Ende erst mal zurück nach Leipzig
und bereut es sofort.
Ihm wird bewusst, dass er gerade eine verdammt gute Chance,
aus der DDR herauszukommen, hat sausen lassen.
Eltern, die hier immer für ihn da sein würden, hin oder her,
Kai musste sich jetzt entscheiden.
Wollte er bei seiner Familie bleiben,
den vorgezeichneten Weg weitergehen und sich nicht weiterentwickeln?
Oder wollte er zukünftig in Freiheit leben?
(Beklemmende Musik)
Vielleicht erinnerte er sich daran, was ihm seine Eltern
zum Thema Ausreise einst mit auf den Weg gegeben hatten.
Denn als Kai kurz darauf
überraschenderweise noch einmal das Visum
für einen vermeintliche Urlaub in Ungarn erhält,
trifft er die finale Entscheidung:
Er wird versuchen, heimlich in den Westen zu flüchten.
Doch sollte ihm das auch ohne Probleme gelingen?
Kai setzt sich also alleine in den Flieger nach Budapest,
und hat nichts bei sich außer ein unnützes Rückflugticket
sowie ein paar wenige Requisiten.
Den Grenzbeamten hatte er im Vorfeld weisgemacht,
er würde zu seiner schwangeren Verlobten reisen,
die kurz vor der Entbindung stand.
Viel Geld würde er deshalb nicht brauchen,
er würde ja bei ihrer ungarischen Familie unterkommen.
(Lockere Musik) Nach der Landung in Budapest
geht es für ihn allerdings sofort weiter zur deutschen Botschaft.
Hier erklärt er:
Das ging von Ungarn aus zu dieser Zeit ausnahmsweise relativ einfach.
Fahrzeuge für den Weg über Österreich nach Westdeutschland
wurden sogar zur Verfügung gestellt.
Als sich Kai in den Bus setzt, um in sein neues Leben zu starten,
schwanken seine Gefühle zwischen Wehmut, Angst und Aufregung.
"Ich glaubte an einen Abschied für immer."
Und je näher sie der Grenze kommen, desto stärker wird die Angst.
"Werden sie uns wirklich durchlassen?",
fragt sich Kai.
Klar, er hätte ja gewusst, dass es hier momentan
etwas unkomplizierter ablief,
seine Angst vor Zöllnern wäre aber geblieben.
Anspannung pur.
Doch als der Bus schließlich über die Grenze gewunken wird,
bricht die Menge in Jubel aus. (Jubel)
"Ein Wahnsinnsmoment", sagt Kai noch heute.
Für ihn geht's im Anschluss über ein Auffanglager
weiter nach Frankfurt am Main.
Unterschlupf findet er bei seinen Cousins.
Als er am Hauptbahnhof aussteigt,
ist er überwältigt von der Sauberkeit und den vielen Farben.
Ebenso von der ersten Mahlzeit,
die ihn ein gefühltes Vermögen kostete.
(Lockere Musik) Im Westen sollte sich für ihn
dann tatsächlich rasch alles ändern.
Denn in nur wenigen Jahren kann sich Kai vom Lagerarbeiter
zum Banklehrling, zum Werkpapierkaufmann
und schließlich zum Fernsehmoderator hocharbeiten.
(Dynamische Musik)
Doch was war jetzt mit seiner Familie?
Hat er seine Mutter wirklich nie wieder gesehen?
Nein, so schlimm war es natürlich nicht.
Kai wusste vor seiner Flucht bloß leider noch nicht,
dass der Mauerfall und die damit einhergehende Grenzöffnung
nur sechs Wochen bevorstand.
Die ganze Aufregung hätte er sich also theoretisch sparen können,
wenn er nur etwas länger gewartet hätte.
(Beschwingte Musik)
Eine ähnlich spannende Biographie
kannst du dir übrigens hier ansehen.
Und wenn du mehr über den DDR-Alltag erfahren möchtest,
schau dir dieses Video an.
Bis zur nächsten Inspiration, "Der Biograph".