Bevor Manuellsen berühmt wurde… | KURZBIOGRAPHIE
(Dynamische Musik)
Videos vom Rapper Manuellsen
sind eine beliebte Grundlage für Memes im Internet.
Manchmal, weil er seinen Erzfeinden
den Zugang zu einem ganzen Bundesland verwehren möchte.
Manchmal, weil er von üblen Begegnungen
mit anderen Rappern berichtet.
Und manchmal, weil er seine Taten wohl sogar selbst hin und wieder
kritisch zu betrachten scheint.
Du hast dich schon immer gefragt,
was eigentlich für eine Geschichte hinter diesem Typen steckt?
Dann bleib dran.
(Ploppgeräusche, Stiftekritzeln)
(Dynamische Musik)
Mülheim im Ruhrpott, Mitte der 80er-Jahre.
(Stimmengewirr im Hintergrund)
Eine ganze Klasse macht sich bereit für eine Reise ins Schullandheim.
Nur der junge Manuel darf nicht mit.
Die Eltern der anderen Kinder hatten vorher Unterschriften gesammelt
und waren sich einig, dass sie ihn nicht mitlassen wollten.
In seiner Erinnerung konnte es dafür nur einen einzigen Grund geben:
seine Hautfarbe.
Ob es wirklich daran lag, wissen wir natürlich nicht.
Trotzdem kaum vorstellbar,
wie sich das für Manuel angefühlt haben muss.
Kein Wunder also,
dass sich diese Ungerechtigkeit in seinem Gedächtnis einbrennt
und ein Mahnmal in ihm hinterlässt,
wie er später in seiner Biographie schreibt.
Doch war solch ein Gefühl von Ablehnung
strenggenommen schon damals eigentlich gar nichts Neues für ihn.
(Babygeschrei)
Denn bereits seine leibliche Mutter, eine ghanaische Aktivistin,
hatte ihn kurz nach seiner Geburt in Deutschland verlassen
und zur Adoption freigegeben.
Seine Ersatzmutter, eine deutsche Floristin,
nennt er dagegen bis heute "meine Mama".
Und beschreibt sie als sehr liebevoll.
Ihre Wärme braucht der junge Manuel unbedingt,
denn die Welt da draußen war kalt, erinnert er sich.
Egal wohin er sich begibt,
Manuel zieht die Aufmerksamkeit auf sich.
Und wird nur wegen seiner Hautfarbe
ungewollt zum Gesprächsthema.
Menschen mit afrikanischen Wurzeln
sollen nämlich damals im Pott
wohl eher noch die superseltene Ausnahme gewesen sein.
Als er sich dann bald auch das entsprechende Schimpfwort
immer häufiger anhören muss, platzt ihm der Kragen.
Natürlich darf Gewalt niemals die Lösung sein,
doch wahrscheinlich hat Manuel damals keine andere Möglichkeit gesehen,
und fasst an diesem Tag übergeordnet einen Entschluss.
Nachvollziehbar, dass er nach all der Ablehnung
auch endlich mal irgendwo dazugehören möchte.
Also gesellt er sich auf der Gesamtschule zu den Kindern
mit ähnlichen Storys,
und lernt sogar Kurdisch, Türkisch und Arabisch,
um besser mitreden zu können.
Gemeinsam schauen sie amerikanische Filme
und erkennen darin Vorbilder,
die sie in ihrem direkten Umfeld nicht fanden.
(Dynamische Musik)
So wäre zum Beispiel ein Film
über die Entwicklung eines jungen Ghetto-Verbrechers
eine Art Anleitungsvideo dafür geworden,
wie sie selbst gerne sein wollten,
schreibt Manuellsen in seinem Buch.
Denn die Geschichten der schwarzen Helden des Films
konnten sie fühlen,
also kleideten sich Manuel und seine Freunde fortan wie sie.
Außerdem sprachen sie sich jetzt untereinander mit einem Wort an,
das Manuel kurze Zeit vorher noch als Beleidigung verstanden hatte.
Und natürlich brauchten sie auch Waffen wie ihre Vorbilder,
von daher besorgten sie sich ein paar Gaspistolen.
Heute gibt Manuellsen zum Glück an,
dass das alles nicht cool war,
und scheint sich sogar ein bisschen dafür zu schämen.
Und so kam der nächste Film wie gerufen,
um sie aufs Neue zu inspirieren.
In dem amerikanischen Drama ging es um Gangs
und ihren täglichen Kampf um Stadtviertel.
Er veranlasste Manuel und seine Freunde,
fortan ähnlich gruppenorientiert zu denken
wie die Figuren im Film.
(Rhythmische Musik)
Von nun an waren sie also die "H-Posse",
was übersetzt so viel bedeuten sollte wie "männliche Gang".
Sie wollten jetzt noch enger zusammenhalten
und auch nach außen hin eine Einheit darstellen.
Klar, genau das Richtige für einen Jugendlichen,
dem die Ablehnung aus Kindheitstagen
noch tief in den Knochen gesteckt haben muss.
(Unruhige Musik)
Ebenso klar, dass er an die Decke geht,
als er wenig später erfährt,
dass ein türkischstämmiges Mitglied der "H-Posse"
von ein paar Nazis verprügelt wurde.
(Treibende Musik)
Schließlich hatte er sich einst geschworen,
sich zu wehren für alle Leute, die irgendwie diskriminiert werden.
In dem dritten und letzten Film, der Manuel und seine Gang
maßgeblich beeinflusst haben soll,
wurde es noch eine Nummer krasser.
Es ging um Gangsterbosse und Drogenhandel.
Doch Manuel scheint heute selbst kritisch
auf den dadurch hervorgerufenen Einfluss zurückzublicken.
Denn immerhin brüstet er sich, zumindest in dem Fall,
nicht mit seinen kriminellen Aktivitäten,
sondern tut sie mittlerweile ab als:
Die er für ein anderes Hobby
doch gerne über den nächsten Gartenzaun hängen ließ,
schreibt er in seinem Buch.
Ob er diese Dinge für immer so priorisieren sollte,
bleibt aber fragwürdig.
(Dynamische Musik)
Und natürlich: die Rede ist vom Musikmachen.
Gangsterfilme, Breakdance und Hip-Hop
gehörten doch irgendwie zusammen.
Sodass nach einer Weile auch der Sprung
zum spontanen Live-Rappen vor kleinem Publikum
nicht weit war.
Manuel erinnert sich:
(Dynamische Musik)
Beim Feiern in einer Diskothek lernte er dann zufällig jemanden kennen,
der das wohl ähnlich gesehen haben muss.
Denn dieser junge Mann ermöglichte ihm den Kontakt zu einem Musiklabel,
das um die Jahrtausendwende recht erfolgreich gewesen war.
Und so öffneten sich für den damals 19-jährigen Manuel
die Türen zum Musikgeschäft.
Bis er selbst anfängt, auf Deutsch zu rappen,
sollte es noch eine ganze Weile dauern.
Doch während der Zeit bei "Booya Family"
sammelte Manuel viele Eindrücke und Erfahrungen,
die seine musikalische Entwicklung maßgeblich beeinflussten.
Seine Vorbilder kamen jetzt nicht mehr nur aus Filmen,
sondern auch aus seiner direkten Umgebung.
(Dynamische Musik)
Seitdem sind viele Jahre vergangen.
Und Manuel ist tatsächlich auf der Bühne gelandet.
Aber auch der Straße treu geblieben.
Seine Gang sind inzwischen die Hells Angels,
ein Motorrad- und Rockerclub,
der immer wieder mit heftigen Straftaten
in Verbindung gebracht wird.
Dem man nachsagt, dass er eigentlich keine Schwarzen
in den eignen Reihen duldet.
(Replay-Geräusch)
So ganz geläutert, wie sich Manuellsen manchmal gibt,
scheint er dann doch nicht zu sein.
Doch bleibt er im Herzen wahrscheinlich immer
der kleine Junge, der damals nicht mit auf Klassenfahrt durfte.
Heute hingegen darf er selber entscheiden, ob er mit will.
Und entgegnet Kritikern
zur vermeintlich inkonsequenten Wahl seines Umfelds:
(Dynamische Musik)
Eine ähnlich spannende Biographie
kannst du dir übrigens hier ansehen.
Und einen weiteren coolen Beitrag über Manuellsen gibt es hier.
Bis zur nächsten Inspiration,
"Der Biograph".