19. Kapitel - 02
Henry versuchte mir meinen Plan auszureden; als er aber sah, daß ich fest blieb, gab er es auf. Er bat mich nur, ihm recht oft Nachricht zu geben. »Lieber ginge ich mir dir, mein Freund, und begleitete dich auf deinen einsamen Spaziergängen, als daß ich hier mit Leuten zusammenbleibe, die ich gar nicht kenne. Also beschleunige deine Rückkehr, damit ich mich einigermaßen zu Hause fühle, was ich ja ohne dich nicht kann.«
Nachdem ich mich von meinem Freunde verabschiedet hatte, nahm ich mir vor, mich in irgend einen versteckten Winkel des schottischen Hochlandes zurückzuziehen und dort in der Einsamkeit mein Werk zu vollenden. Ich rechnete bestimmt darauf, daß mein böser Dämon sich stets in meiner Nähe hielt, um den Fortgang meiner Arbeit zu überwachen und seine Genossin schließlich aus meinen Händen in Empfang zu nehmen.
Ich durchwanderte die nördlichen Teile des Hochlandes und wählte mir endlich eine der äußersten Orkneyinseln als Schauplatz meiner kommenden Tätigkeit aus. Dieses Stück Erde war für meinen Zweck wie geschaffen, denn die Insel war nur ein Stück Fels, aus dessen Rändern ewig brandende Wogen emporschlugen. Die Scholle war mager und kaum das Futter für ein paar dürftige Kühe und das Mehl für die fünf Bewohner, deren schlotternde, dünne Glieder einen Schluß auf ihr armseliges Dasein zuließen. Gemüse und Brot – falls einmal Bedarf nach solchen Luxusgegenständen vorhanden war – und selbst frisches Wasser mußten auf dem fünf Meilen entfernten Festland geholt werden.
Drei armselige Hütten standen auf der Insel, von denen die eine unbewohnt war. Diese mietete ich. Sie enthielt nur zwei Zimmer, die verwahrlost und schmutzig waren. Das Dach war eingefallen, die Wände waren nicht verputzt und die Tür hing aus den Angeln. Ich ließ alles reparieren, sorgte für einige Einrichtungsgegenstände und bezog mein neues Heim; ein Ereignis, das sicherlich einiges Aufsehen hätte erregen müssen, wären diese armen Menschen nicht vor Elend und Schmutz völlig verdummt gewesen. Jedenfalls konnte ich auf diese Weise unbeobachtet und ungestört leben, kaum daß man mir für die Almosen, die ich an Nahrungsmitteln und Kleidern gab, dankte.
In diesem meinen Versteck widmete ich den Morgen der Arbeit, den Abend verbrachte ich, wenn es das Wetter zuließ, mit einem Spaziergang an der steinigen Küste, um dem Brüllen und Tosen der Wogen zu meinen Füßen zuzuhören. Die Szenerie war monoton, aber immer anziehend. Ich gedachte meiner Schweizer Heimat, die sich so sehr von dieser öden, trostlosen Landschaft unterschied. Dort waren die Hügel mit Wein bewachsen, und dichtbevölkert sind die Täler. Die schönen Seen spiegeln einen reinen, blauen Himmel wieder, und wenn Stürme sie aufwühlen, so ist das wie ein Kinderspiel gegen das Rasen des riesigen Ozeans.
In dieser Weise beschäftigte ich mich, nachdem ich mich auf der Insel häuslich niedergelassen hatte. Aber je weiter meine Arbeit fortschritt, desto schrecklicher und ekelhafter wurde sie mir. Tagelang war ich oft nicht imstande mein Laboratorium zu betreten, und dann arbeitete ich manchmal wieder Tage und Nächte unausgesetzt, um mein Werk zu Ende zu bringen. Als ich das Experiment zum ersten Male ausführte, hatte mich ein fanatischer Eifer über all das Häßliche hinweggetäuscht; mein Geist war erfüllt von dem brennenden Wunsche, etwas Großes zu schaffen, und das Auge übersah dabei die schrecklichen Dinge. Nun aber, als ich mit klarem Verstände und vorurteilsfrei ans Werk ging, glaubte ich oft des Ekels nicht mehr Herr werden zu können.
Es ist nicht zu verwundern, daß ich in dieser Lage, gefesselt an eine verhaßte Aufgabe, in der entsetzlichen Einöde, die mich nicht zu zerstreuen vermochte, nervös und unruhig wurde. Jeden Augenblick meinte ich mit meinem Dämon zusammentreffen zu müssen. Manchmal saß ich da, und heftete den Blick auf den Boden, in steter Angst, daß ich beim Erheben der Augen die gefürchtete Kreatur vor mir auftauchen sehen werde. Ich hielt mich immer möglichst in der Nähe der Menschen, weil ich hoffte, daß er sich dann nicht heranwagen werde, um seine Genossin von mir zu fordern.
Unterdessen arbeitete ich weiter und mein Werk war schon ziemlich gediehen. Ich sah seiner Vollendung voll zitternder Hoffnung entgegen, die aber untermischt war mit einer Vorahnung kommenden Leides, so daß mir das Blut im Herzen stockte.