Das Größte, das jemals im Universum existierte: Quasi-Sterne
Quasi-Sterne waren vielleicht die größten Sterne, die es je gegeben hat. Sie leuchteten
heller als Galaxien und waren größer als jeder Stern, den es heute gibt oder auch in
Zukunft mal geben könnte. Aber was sie, abgesehen von ihrer Größe, so besonders und merkwürdig
macht, ist der kosmische Parasit in ihrem Inneren - ein unersättliches schwarzes Loch.
Aber wie geht das überhaupt?
Quasi-Sterne sind noch verrückter als schwarze Löcher: Sie werfen alles über den Haufen,
was wir über die Entstehung und das Wachstum von Sternen zu wissen meinen. Wenn überhaupt,
konnte es sie nur für eine kurze Zeit im frühen Universum geben, aber wenn es sie
wirklich gab, würde das eines der größten Rätsel der Kosmologie lösen.
Quasi-Sterne waren in jeder Hinsicht völlig überdimensioniert. Die massereichsten Sterne
heute haben vielleicht etwa 300 Sonnenmassen - ein Quasi-Stern hatte bis zu 10 Millionen
Sonnenmassen aus fast reinem Wasserstoff. Visualisieren wir mal, was das bedeutet. Die
Sonne. Wezen. LL Pegasi. Der größte Stern. Und dann ein Quasi-Stern. Seine Größe ist
unfassbar: 800.000 mal größer als die Sonne,380 mal größer als der größte heute bekannte
Stern.
Und tief unter seiner Oberfläche verbirgt sich ein schwarzes Loch, das sich rasend schnell
ausdehnt, während es jede Sekunde Milliarden Tonnen Materie verschlingt.
Normalerweise entstehen Sterne aus riesigen Wolken, Ansammlungen von tausenden bis Millionen
Sonnenmassen aus hauptsächlich Wasserstoff. Dort sammelt sich Materie an den dichtesten
Orte an, die dadurch immer dichter werden und deshalb die Anziehungskraft immer größer,
wodurch sie immer schneller wachsen. Schließlich entsteht so viel Hitze und Druck, dass das
Fusionsreaktionen in Gang setzt und ein neuer Stern entsteht. Das beschränkt aber auch
das Wachstum: Die Kernfusion gibt so viel Strahlungsenergie ab, dass die umliegende
Gaswolke weggeblasen wird und der neue Baby-Stern keine Masse mehr einsammeln kann.
Jetzt steckt der Stern zwischen zwei Kräften: Der Gravitation, die nach innen wirkt und
den Stern zerquetschen will, und der Strahlung von der Fusion, die nach außen drückt und
den Stern zu zerreißen droht. Nach Millionen bis Milliarden Jahren geht dem Kern der Brennstoff
aus und dieses Gleichgewicht gerät aus den Fugen, was den Stern zerstört.
Aber Quasi-Sterne sind anders. Ganz anders.
Die Monster des frühen Universums
Einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall, als das Universum noch viel kleiner war, war
die ganze existierende Materie noch viel konzentrierter. Das Universum war viel dichter und heißer.
Dunkle Materie spielte die Hauptrolle , sie bildeten riesige Strukturen, sogenannte Dunkle-Materie-Halos.
Diese Dunkle-Materie-Halos waren so massereich, dass sie unglaubliche Mengen Wasserstoffgase
anzogen und konzentrierten. verdichteten. Das waren die Geburtsstätten der ersten Sterne
und Galaxien.
Es entstanden epische Wasserstoffwolken, manche davon so massereich wie 100 Millionen Sonnen,
mehr als die Masse kleiner Galaxien. In dieser einzigartigen Umgebung, die es so nie wieder
geben wird, zog die enorme Anziehungskraft der Dunkle-Materie-Halos Gas ins Zentrum,
wodurch extrem massereiche Sterne entstanden.
Wie bereits erwähnt, bläst ein neugeborener Stern die Gaswolke, aus der er entstanden
ist, weg - aber diese gigantischen Gaswolken im frühen Universum waren so gross und so
massereich, dass sich auch nach ihrer Entstehung immer noch mehr Gas um den neuen Stern anhäufte
und ihn zu einer unglaublichen Größe anwachsen ließ.
Der junge Stern ist gezwungen zu wachsen und zu wachsen, wodurch er immer massereicher
wird, in manchen Fällen sogar bis zu zehn Millionen mal die Masse unserer Sonne. Von
der Anziehungskraft erdrückt, wird der Kern immer heißer und drückt verzweifelt nach
außen, um zu explodieren - aber erfolglos. Masse und Druck sind einfach zu hoch. Dieses
Gleichgewicht kann unmöglich aufrechterhalten werden.
Wie eine Supernova in Zeitraffer wird der Kern zu einem schwarzen Loch zerdrückt. Normalerweise
wäre das das Ende - heutige Sterne werden zu einer Supernova, es entsteht ein schwarzes
Loch und alles beruhigt sich wieder. Aber in diesem Fall überlebt der Stern seinen
eigenen Tod.
Eine gewaltige Explosion erschüttert den Stern von innen, aber es reicht nicht - der
Stern ist so groß und massereich, dass selbst eine Supernova ihn nicht zerstören kann.
Aber jetzt hat er ein schwarzes Loch als Herz. Es ist winzig, nur gerade einige zehn Kilometer
im Zentrum von etwas von der Größe des Sonnensystems.
Das Monster wächst
Sterne entstehen durch Gase, die sich immer schneller rotieren und kollabieren. Deshalb
drehen sie sich. Entsteht nun ein schwarzes Loch aus dem Kern eines Sterns, behält das
diesen Drehimpuls. Dadurch fällt die Masse, die es anzieht, nicht gerade hinein, sondern
umkreist das schwarze Loch immer schneller in immer enger werdenden Kreisen. Es entsteht
eine Akkretionsscheibe, wo das Gas fast mit Lichtgeschwindigkeit kreist und immer nur
ein kleiner Teil des Gases wirklich hineinfällt. Schwarze Löcher tischen quasi jede Menge
Essen auf, um dann nur etwas zu naschen.
In der Akkretionsscheibe gefangen zu sein macht aber keinen Spass: Reibung und Kollisionen
zwischen den Teilchen heizen die Masse auf Millionen Grad Celsius auf. Sich aktiv ernährende
schwarze Löcher haben unglaublich heiße und mächtige Akkretionsscheiben. Diese Hitze
beschränkt ebenfalls, wie viel ein schwarzes Loch verschlingen kann, denn wie bei den Kernen
von Sternen entlässt das superheisse Material eine Strahlung, die einen Großteil des Futters
in seiner Umgebung wegbläst. Selbst wenn ein schwarzes Loch also unendlich Futter zur
Verfügung hätte, könnte es trotzdem nur langsam wachsen.
Bei einem schwarzen Loch in der Mitte eines Quasi-Sterns ist das anders. Der enorme umgebende
Druck presst Materie direkt ins schwarze Loch und umgeht damit sämtliche Einschränkungen,
wie schnell dieses futtern kann. Dieser gewaltige Vorgang setzt so viel Energie frei, dass die
Akkretionsscheibe noch heißer wird und mehr Strahlung abgibt, als das ein Sternenkern
je könnte - genug, um gegen das Gewicht von 10 Millionen Sonnen anzukommen. Ein unglaublich
brenzliges Gleichgewicht entsteht - Millionen Sonnenmassen, die nach innen drücken, und
die wütende Strahlung eines zwangsgefütterten schwarzen Lochs, die nach außen drückt.
Für die nächsten paar Millionen Jahre zehrt sich der Quasi-Stern von innen heraus selbst
auf. Das schwarze Loch wächst zu tausenden von Sonnenmassen an, und je größer es wird,
desto schneller frisst es. Dadurch wird der Stern immer heißer und dehnt sich immer weiter
aus. In der letzten Phase ist der Quasi-Stern mehr als 30 mal größer als unser Sonnensystem
- der größte Stern, der je im Universum existiert hat. Die starken Magnetfelder in
seinem Kern speien Plasma aus den Polen des schwarzen Lochs, welche den Stern durchbohren
und ins Universum schießen, wie ein kosmisches Leuchtfeuer. Das muss mit das Beeindruckendste
gewesen sein, was es im Universum je zu sehen gab.
Das ist dann aber auch das Ende. Der Stern ist zu stark gedehnt und die Akkretionsscheibe
im Inneren zu mächtig: Der Parasit zerstört seinen Wirt, indem er ihn zersprengt. Ein
schwarzes Loch mit einer Masse von 100 000 Sonnen macht sich auf die Jagd nach neuer
Beute und lässt nichts zurück außer einem Sternenkadaver.
Die supermassive Frage
Falls Quasi-Sternen existiert haben, könnte eines der größten Rätsel des Universums
lösen.
Die supermassereichen schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien sind eigentlich viel
zu groß. Es sollte sie gar nicht geben.
Schwarze Löcher, die aus normalen Supernovae entstehen, können höchstens ein paar Dutzend
Sonnenmassen erreichen. Und wie vorher erklärt, wachsen sie danach nur noch langsam. Verschmelzen
schwarze Löcher miteinander, können sie zu etwas größeren schwarzen Löchern werden,
bis zu über hundert Sonnenmassen. Es sollte eigentlich aber Milliarden über Milliarden
Jahre dauern, bis sich schwarze Löcher von hunderttausenden oder sogar Millionen Sonnenmassen
gebildet haben.
Aber wir wissen, dass manche supermassereichen schwarzen Löcher schon 690 Millionen Jahre
nach dem Urknall 800 Millionen Sonnenmassen erreicht hatten.
Quasi-Sterne sind eine Art Cheatcode für schwarze Löcher. Falls sie sehr früh in
unserem Universum entstanden sind und die daraus entstandenen schwarzen Löcher tausende
Sonnenmassen hatten, könnten sie der Keim für supermassereiche schwarze Löcher gewesen
sein. Diese Keime haben vielleicht im Zentrum der ersten Galaxien Wurzeln geschlagen, sich
mit anderen verbunden und genug Materie angezogen, um schnell und stetig zu wachsen.
Schon bald könnten wir ihre frühere Existenz nachweisen. Die Sensoren des James Webb Space-Teleskops
erkunden die weitesten Weiten des Universums, um in der Zeit zurückzublicken, zurück zu
den Anfängen des Universums, die wir noch nie zuvor sehen konnten. Mit etwas Glück
könnten wir also bald einen flüchtigen Blick auf diese tragischen Giganten erhaschen, im
kurzen Moment zwischen ihrer Entstehung und ihrer Zerstörung. Bis dahin durchleben wir
diese visuelle Reise hier noch einmal, einfach so zum Spaß. Sterne sind groß - Quasi-Sterne
sind größer.