Sendung: tagesschau 12.03.2020 17:00 Uhr - Fünf Todesfälle durch Coronavirus
Themen der Sendung: Fünf Todesfälle durch Coronavirus in Deutschland: Ministerpräsidenten der Bundesländer beraten in Berlin über weiteren Umgang, Italien schließt fast alle Geschäfte wegen Corona-Krise, US-Präsident Trump verhängt 30-tägiges Einreiseverbot für Europäer, EZB-Chefin Lagarde erleichtert Firmen die Aufnahme von Krediten zur Eindämmung wirtschaftlicher Folgen durch Corona-Krise, Die Börse, Verfassungsschutz stuft rechtsnationalen "Flügel" der AfD als Beobachtungsfall ein, Bundestag diskutiert über Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz, Schriftsteller Seiler erhält Belletristik-Preis, FDP-Politiker Hirsch gestorben, Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Susanne Holst
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Die Zahl der Corona-Toten
in Deutschland stieg auf fünf:
Heute meldeten Baden-Württemberg
und Bayern je einen Fall.
Die Ministerpräsidenten haben
noch keine gemeinsame Linie gefunden.
Etwa in der Frage,
ob auch deutsche Kitas, Schulen
und Unis geschlossen werden sollen.
Die Lage müsse
täglich neu bewertet werden,
so Bildungsministerin Karliczek.
Bislang gibt es
nur Einzelentscheidungen.
Halle an der Saale schließt Kitas,
Schulen und die Uni.
Halle an der Saale
ist die erste Großstadt,
in der alle Schulen
ab morgen geschlossen bleiben.
Auch die Uni
wird ihren Betrieb einstellen.
Ab morgen, den 13.März 2020:
Die Schließung aller
Schul-, Kita- und Hortgebäude,
sowie die Schließung aller Theater
und Orchester ist angeordnet.
Alle öffentlichen Veranstaltungen
werden untersagt.
Unabhängig von der Teilnehmerzahl.
Die Corona-Krise dominierte auch
die Ministerpräsidentenkonferenz.
Der baden-württembergische
Ministerpräsident Kretschmann
reiste nach einem Verdachtsfall
im Stuttgarter Landtag nicht an.
Dass es keine
einheitliche Regelung gibt,
kritisiert Bayerns
Ministerpräsident Söder:
Wenn die Forschungsministerin sagt,
Schulschließungen braucht es nicht,
finde ich es überraschend.
Abgesehen von
der nicht absoluten Zuständigkeit
ist auch
die Einschätzung überraschend.
Ganze Städte machen das.
Bremen hat den Lehrbetrieb
an den Hochschulen ausgesetzt.
Nur Prüfungen
sollen noch stattfinden.
Um eine Ansteckung zu verhindern,
stoppen mehrere Verkehrsbetriebe
den Ticketverkauf beim Busfahrer.
Dies gilt in Bremen und in Berlin.
Tschechien und die Slowakei
beschlossen Einreiseverbote
und schließen ihre Grenzen
für fast alle Ausländer.
Auch Deutsche sind betroffen.
ARD extra 20.15 Uhr in DGS
auf daserste.de und über HbbTV
Italien,
vom Corona-Ausbruch stark getroffen,
greift im Kampf gegen das Virus
zu drastischeren Maßnahmen.
Nachdem das ganze Land
zur Sperrzone erklärt wurde,
bleiben landesweit
fast alle Geschäfte geschlossen.
Nur Apotheken, Drogerien und
Supermärkte dürfen weitermachen.
Aus Italien werden nun
über 12.000 Infektionen gemeldet.
Die USA greifen im Kampf gegen das
Coronavirus zu radikalen Maßnahmen:
Präsident Trump
verhängte ein Einreiseverbot
für Reisende aus Europa.
Es gilt für alle Menschen aus
den 26 Staaten des Schengen-Raums -
zunächst für 30 Tage.
Irland und Großbritannien
sind ausgenommen.
Grund für den drastischen Schritt
sei laut Trump,
das seiner Ansicht nach schlechte
Krisenmanagement der Europäer.
Die EU reagierte empört.
Auch die USA schotten sich ab.
Trump verkündet drastische Maßnahmen,
um die Ausbreitung
des Coronavirus zu stoppen.
Um die Einreise von Menschen
mit dem Coronavirus zu verhindern,
werden wir alle Reisen von Europa
in die USA für 30 Tage aussetzen.
Das gilt ab Freitag-Mitternacht.
Offenbar hat Trump dies
nicht mit den EU-Staatschefs beraten.
Er wirft ihnen vor,
nicht schnell und entschieden genug
gegen Corona vorgegangen zu sein.
Durch frühes
und entschlossenes Handeln
haben wir viel weniger Fälle
als in Europa.
Die EU hat es versäumt,
dieselben Vorsichtsmaßnahmen gegen
Länder wie China zu beschließen.
Deshalb gibt es hier neue Fälle, die
auf Reisende aus Europa zurückgehen.
US-Medien melden rund 1280
bestätigte Fälle in den USA.
37 Menschen sind gestorben.
Allerdings wurden in den USA
erst etwa 11.000 Menschen getestet,
so Experten.
Die wahre Zahl sei weit höher.
Um die wirtschaftlichen Konsequenzen
abzuschwächen,
will Trump Steuererleichterungen
und Staatshilfen auf den Weg bringen.
Der Kongress
muss den Plänen noch zustimmen.
Zum Schutz der Parlamentarier
müssen Besuchergruppen
bis zum 1. April draußen bleiben.
Der Ausverkauf an den Börsen
geht weiter.
Eine Pressekonferenz
von EZB-Chefin Lagarde
konnte den Kursabsturz nicht stoppen.
Die EZB versucht,
die Auswirkungen der Krise
auf die Wirtschaft einzudämmen.
Firmen wird die Aufnahme
von Krediten erleichtert.
Dazu weitet sie
ihre Anleihenkäufe aus.
Ob die Geschäftsbanken das Geld
an Unternehmen weitergeben,
entscheidet jede Bank für sich.
Es ist die erste Bewährungsprobe
für die neue EZB-Chefin
Christine Lagarde.
Die EZB steht
vor der größten Herausforderung
seit der Finanzkrise 2008/2009.
Lagarde machte klar,
dass das Coronavirus gravierende
Folgen für die Wirtschaft haben wird.
Zwar wird es temporär sein,
sich aber erheblich auf
die Wirtschaftsaktivität auswirken.
Der Schock durch Unterbrechungen
in den Lieferketten
wird die Produktion verlangsamen
und die Nachfrage dämpfen.
Durch die negativen Auswirkungen
nötiger Eindämmungsmaßnahmen.
Um den Kreditfluss zu stützen, sollen
Banken Liquiditätsspritzen erhalten.
So geraten kleinere und mittelgroße
Unternehmen nicht in Bedrängnis.
Zudem will die EZB bis Jahresende
Anleihekäufe in Höhe
von 120 Mrd. Euro tätigen.
Maßnahmen,
die Experten nicht überzeugen.
Man wünscht sich eine Ankündigung
für künftige Stresssituationen,
dass die EZB breiter
in die Märkte eingreifen kann.
Das hätte Ängste
aus dem Markt genommen.
Vorhandene Ängste
dürfen sich nicht selbst erfüllen.
Der Leitzins
blieb wie erwartet bei 0 Prozent.
Auch keine Verschärfung
gab es beim Strafzins:
Ihn beließen die Währungshüter
bei 0,5 Prozent.
Dorothee Holz
in der Frankfurter Börse.
Das alles scheint
nicht gut angekommen zu sein,
wenn man sich
die Reaktion des DAX anschaut.
War es nicht genug?
Mancher hat auf ein Wunder gehofft.
Aber die EZB
kann keine Wunderwaffe liefern.
Das viele Geld hilft nicht.
Die Leute kaufen nicht ein
und buchen keine Reisen.
Langfristig sind die Maßnahmen
aber sinnvoll.
An den Börsen herrscht aber Panik.
Auslöser ist der US-Einreisestopp.
Das könnte zu einem Kollaps führen.
Am meisten trifft es
die Luftfahrtkonzerne.
Die Banken leiden unter der Krise
und unter den Zinsen.
Der DAX rauscht in die Tiefe:
Es könnte die schlimmste Woche
seit der Finanzkrise werden.
Der rechts-nationalistische
"Flügel" der AfD
war ein Prüffall
für den Verfassungsschutz.
Nur öffentlich zugängliche Quellen
durften ausgewertet werden.
Verfassungsschutz-Präsident
Haldenwang
sieht den Verdacht rechtsextremer
Bestrebungen bestätigt.
Mit nachrichtendienstlichen Mitteln
soll der "Flügel" beobachtet werden.
Schwierig:
Die Gruppierung
um Fraktionschef Höcke
hat offiziell keine Mitgliederliste.
Björn Höcke und Andreas Kalbitz,
die Chefs des AfD-Flügels.
Ihre Namen erwähnt die
Verfassungsschutzpräsident Haldenwang
am Vormittag immer wieder.
Beide Personen
sind Rechtsextremisten.
Nicht nur sie.
Den gesamten Flügel erklärt
Haldenwang zum Beobachtungsfall.
Es habe sich erwiesen:
Der Flügel sei verfassungsfeindlich.
Es ist Tatsache:
Verstöße gegen prägende Merkmale
der Grundordnung, Menschenwürde,
Demokratie und Rechtsstaatsprinzip
können konstatiert werden.
Weitere Entscheidungsgründe:
Der gestiegene Einfluss
der rechtsextremen Kalbitz und Höcke
innerhalb des Flügels.
Auch die Vernetzung
in die rechtsextreme Szene
wie etwa zur Identitären Bewegung.
Der Verfassungsschutz rechnet
dem Flügel 7000 AfD-Mitglieder zu.
Eine angekündigte Pressekonferenz
der Parteispitze wurde abgesagt.
Flügelchef Kalbitz
erklärte nachmittags:
Er halte das Vorgehen
für politisch motiviert
und werde
juristisch dagegen Vorgehen.
Die Rechtsextremisten,
die die Anschläge in Hanau
und Halle verübt haben, haben sich
auch im Internet radikalisiert.
Die Bundesregierung
will daher härter gegen Hass
und Hetze im Netz vorgehen.
Ein Gesetzentwurf wurde heute
in erster Lesung diskutiert.
Vorgesehen sind härtere Strafen.
Zudem sollen Betreiber sozialer
Netzwerke verpflichtet werden,
strafbare Inhalte
der Polizei zu melden.
Auch bei Bundestagssitzungen
ist der Ton rauer geworden.
Auch ein Beleg dafür,
dass die Schwelle für Hass
und Beleidigungen gesunken ist.
Die Regierung
will Leitplanken setzen
gegen unkontrollierten Hass
im Internet.
Der Hass ist ein Angriff
auf unsere Meinungsfreiheit.
Er bildet den Nährboden für
rechtsextremistische Gewalttaten.
Dem müssen wir Einhalt gebieten.
Unter dem Eindruck
schwerer Straftaten wie in Hanau
unterstützt eine Mehrheit
der Abgeordneten das Ansinnen.
Die Grünen vermissen
die Solidarität mit den Opfern.
Wir müssen
mehr als den Täter bestrafen.
Wir müssen die Opfer und die NGOs
in den Mittelpunkt stellen.
Die FDP verweist auf die Vielzahl
der zu erwartenden Verfahren.
Die zu bearbeiten,
dürfe nicht am Personal scheitern.
Verbote auszusprechen ist leicht -
sie durchzusetzen
ist das Schwierige.
Und es gäbe nichts Schlimmeres,
als wenn Bürgern
von einer Anzeige absehen:
Aus der Erwartung,
es "käme eh nichts dabei heraus".
Die AfD stört, dass Internetdienste
Hasspostings selbst melden sollen.
Die Beurteilung,
ob ein Anfangsverdacht vorliegt,
ist Aufgabe
der Strafverfolgungsbehörden.
Hier wird sie vorverlagert
auf Private.
Der Gesetzentwurf
geht nun in die Ausschüsse.
Heute sollte
die Leipziger Buchmesse starten.
Wegen des Coronavirus
wurde auch diese Messe abgesagt.
Der Buchpreis
wurde trotzdem vergeben,
im Radio bei Deutschlandfunk Kultur.
In der Kategorie Belletristik
wurde der Schriftsteller Lutz Seiler
für sein Werk "Stern 111" geehrt.
In seinem Roman geht es um eine
Berliner Familie nach dem Mauerfall.
Er hat sich bis zuletzt
gegen staatliche Eingriffe
in die Privatsphäre gewehrt.
Wie etwa gegen den "Lauschangriff"
oder die Vorratsdatenspeicherung.
Jetzt ist der FDP-Politiker
Burkhard Hirsch
im Alter von 89 Jahren
gestorben.
Hirsch galt als
sozial-liberales Urgestein der FDP.
Im Alter von 19 Jahren
wurde er Mitglied der FDP.
Seine Lebensmission:
Der Schutz von Bürgerrechten.
Wenn der Staat die Bürger wie
potentielle Straftäter behandelt,
dann verliert er
das Vertrauen der Bürger.
In den 70ern wurde der Jurist
Innenminister von NRW.
Er war mehr als 20 Jahre
Abgeordneter im Bundestag,
bekannt für klare
und drastische Worte.
Hirsch blieb kritisch,
auch gegenüber der eigenen Partei.
Sie vertritt den Liberalismus
nicht mehr
mit derselben Durchschlagskraft.
Sie verhält sich wie eine Partei,
die für ökonomische Interessen
des Mittelstandes da ist.
Bis zuletzt mischte sich Hirsch ein,
schickte Briefe und Faxe
an die FDP-Führungsspitze.
Die würdigte ihn heute
als Verteidiger der Bürgerrechte.
Ein Weggefährte erinnert sich.
Ein unbeugsames Freiheitsgefühl.
Er ließ nicht ab,
er kämpfte bis zum Letzten.
Wenn er etwas nicht mitmachen
wollte, war das auch so.
Gestern ist Hirsch gestorben.
Sein Einfluss auf die FDP bleibt.
Nun die Wettervorhersage für morgen,
Freitag, den 13. März:
Nachts verlagert sich der Regen
an die Alpen.
In höheren Lagen fällt Schnee,
sonst Schauer,
im Bergland Schneeschauer.
Am Tag wechselhaftes, windiges
bis stürmisches Schauerwetter,
teils Schnee- oder Graupelschauer,
örtlich Gewitter.
Im Süden teils freundlich.
Um 20 Uhr gibt es
die nächste tagesschau.
Ihnen noch einen guten Abend.
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