Sendung: tagesschau 19.03.2020 20:00 Uhr - mehr Tote durch Corona als China
Themen der Sendung: Italien verzeichnet mehr Tote durch Corona als China, Kramp-Karrenbauer stellt Verlängerung des Hilfseinsatzes der Bundeswehr in Aussicht, Ministerpräsident Söder droht mit Ausgangssperre für Bayern, EZB bringt Notprogramm mit 750 Milliarden Euro auf den Weg, Bundesregierung plant Notfonds für Kleinunternehmen und Selbständige, Lufthansa streicht Großteil der Flüge, Grenzkontrollen an polnischer Grenze verursachen bis zu 50 Kilometer Stau, Bundesinnenminister Seehofer verbietet Reichsbürger-Gruppe
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Jan Hofer
Guten Abend,
ich begrüße Sie zur tagesschau.
In Italien sind mehr Menschen an dem
Coronavirus gestorben als in China.
In keinem anderen Land
sind mehr Opfer zu beklagen.
Die Zahl der Infizierten in Italien
ist auf mehr als 41.000 gestiegen.
Nach offiziellen Angaben
gibt es nun 3405 Todesopfer.
Besonders betroffen
ist der Norden des Landes.
Heute Morgen in Bergamo -
ein beängstigendes Bild.
Militärfahrzeuge
bringen Tote zu Krematorien.
Der Stadtfriedhof
war dem Ansturm nicht gewachsen.
Italien ist in Europa
vom Virus am schwersten betroffen.
Es beklagt mit offiziell
über 3400 Corona-Opfern
mehr Tote als
das bevölkerungsreichere China.
Italien ist zum Welt-Zentrum
für Covid-19 geworden.
In den Krankenhäusern Norditaliens
sprechen Ärzte und Pflegepersonal
von "Krieg".
Die Zahl der Eingelieferten
ist vielerorts so hoch,
dass Ärzte
nicht mehr alle versorgen können.
Eine Krankenschwester berichtet,
es gebe so viele Opfer,
dass man nicht alle zählen könne.
Die Regierung
versucht mit einer Ausgangssperre,
die Opferzahlen einzudämmen.
Vor seine Haustüre darf nur,
wer einkaufen,
zum Arzt oder zur Arbeit muss.
Die Polizei kontrolliert streng.
Die Auswertung von Handydaten
soll ergeben haben,
dass sich viele nicht daran halten.
Idioten gibt es immer,
ich habe dafür kein Verständnis.
Mein Mann und ich verlassen
unser Zuhause nur zum Einkaufen.
Bis zum 3. April sollte
die Ausgangssperre gelten.
Heute kündigte
Ministerpräsident Conte
eine Verlängerung
über diesen Termin hinaus an.
In Deutschland haben sich mehr als
14.000 Menschen mit Corona infiziert.
Laut Johns Hopkins Universität
starben 43 Erkrankte.
Weil die Lage
nicht unter Kontrolle ist,
könnte die Bundeswehr
ihren Hilfseinsatz ausweiten.
Verteidigungsministerin
Kramp-Karrenbauer sagte,
Soldaten stünden zur Verfügung, wenn
zivile Stellen an ihre Grenzen kämen.
Die Bundeswehr
hilft durch Sanitätsdienste
und die Beschaffung
von medizinischem Material.
Laut Kramp-Karrenbauer
könnten Soldaten
polizeiliche Aufgaben übernehmen.
Letzte Absprachen
für den Einsatz gegen das Virus.
Sanitätssoldaten
der Sachsen-Anhalt-Kaserne
sollen bei der Versorgung
von Erkrankten helfen.
Wir unterstützen bestmöglich
unsere fünf Bundeswehrkrankenhäuser.
Wir identifizieren
geeignetes Material,
stellen Personal zur Verfügung.
Es geht um die Beschaffung
von Gerät und Schutzausrüstung
und um Unterstützung
durch den Sanitätsdienst.
Die Bundeswehr könnte auch
in der Transportlogistik helfen
oder beim Schutz
von Strom- oder Wasserwerken.
Bislang seien aus den Bundesländern
50 Amtshilfeersuchen eingegangen,
so die Verteidigungsministerin.
Ein Einsatz der Bundeswehr
sei über Paragraf 35 GG gedeckt.
Uns muss bewusst sein,
dass der Kampf gegen das Virus
ein Marathon ist.
Es wird darauf ankommen,
dass wir über lange Strecken
Fähigkeiten vorhalten.
Die Bundeswehr
müsse weiter fähig sein
zur Landesverteidigung
und zu Auslandseinsätzen.
Die Armee könne wirksam helfen,
meint auch der Wehrbeauftragte.
Aber jeder Einsatz
müsse abgewogen werden:
Ich würde sehr raten,
das nicht sofort abzurufen.
Erst, wenn's nicht mehr
mit den zivilen Kräften geht,
sollte man
auf die Bundeswehr zurückkommen.
Das zivile Gesundheitssystem soll
auf die Krise vorbereitet werden.
Auch Pflegeheime und -dienste
bekommen mehr Hilfe.
Durch Bürokratieabbau
will der Gesundheitsminister
die Personallage
in der Branche entspannen.
Beim Kampf gegen das Coronavirus
sind Pflegekräfte tragende Säulen
des Gesundheitswesens.
Deswegen senden wir ein Signal
der Entlastung für die Pflege
und für die Pflegekräfte.
Unterdessen bemühen sich Polizei
und Ämter, hier in Niedersachsen,
die Auflagen zur Eindämmung
der Pandemie durchzusetzen.
Immer noch halten sich
zu wenige an die Einschränkungen.
Die Politik
kündigt eine harte Linie an.
Wo sich Menschen versammeln
zu Partys oder Ähnlichem
wird interveniert,
egal zehn oder 50 Menschen.
Auch, wenn Gastronomen
sich nicht an die Regeln halten.
Nun erwägen die Länder
Ausgangssperren.
Am Wochenende
könnte darüber entschieden werden.
Bayerns Ministerpräsident Söder
droht mit einer Ausgangssperre
für das ganze Bundesland.
Der CSU-Chef sagte,
dies bliebe als einziges Mittel,
hielten sich die Bürger
nicht an Alltags-Beschränkungen.
An der tschechischen Grenze gibt es
bereits Regionen mit Ausgangssperren.
Gestern wurde die Maßnahme
für Mitterteich, 7000 Einwohner,
im Landkreis Tirschenreuth verhängt.
Betroffen sind seit heute
auch im Landkreis Wunsiedel
Ortsteile zweier Gemeinden.
Bayerns Landtag im Krisenmodus.
Nur jeder fünfte Abgeordnete ist da,
immer zwei Sitze Abstand:
Die Politik will Vorbild sein.
Alle Fraktionen
einigten sich vorher,
die Beschlussfähigkeit
nicht anzuzweifeln.
Ministerpräsident Söder
fordert Solidarität der Bevölkerung.
Maßnahmen zur Einschränkung
des öffentlichen Lebens
müssten eingehalten werden,
mahnte er.
Wir haben die Maßnahmen umgesetzt
und hoffen, dass es wirkt.
Aber keiner soll sich täuschen:
Wenn es notwendig ist,
erwägen wir andere Maßnahmen,
nämlich eine Ausgangssperre.
Seit heute ist auch in Teilen des
oberfränkischen Landkreises Wunsiedel
die Bewegungsfreiheit eingeschränkt -
wie in Mitterteich (Oberpfalz).
Wir haben gestern
die Feuerwehr rausgeschickt.
Die haben die Bürger informiert,
dass sie vorsichtig sein sollen,
mit den Nachbarn Abstand halten,
nicht in Gruppen auftreten.
Wie eine landesweite Ausgangssperre
aussehen könnte, ist offen.
In Österreich
sind Spaziergänge erlaubt,
in Spanien und Italien
ist auch das verboten.
Um den Weg frei zu machen
für ein Mrd.-Euro-Hilfspaket
hat der Landtag
die Schuldenbremse ausgesetzt.
Bayern will in der Corona-Krise
eine Vorreiter-Rolle übernehmen.
Nach Schulschließungen
und massiven Einschränkungen
nennt Söder eine Ausgangssperre
konkret als nächste Maßnahme.
Die Bundesregierung
hält den Schritt bisher für unnötig.
Die EZB hat ein Notprogramm
von 750 Milliarden Euro gestartet,
um Staats- und Firmenanleihen
kaufen zu können.
Sie will wirtschaftliche Folgen
der Corona-Pandemie in Europa
so auffangen.
Damit steigt das Volumen
der Käufe 2020 auf 1,1 Bio. Euro.
Die Ankündigung
kam um kurz vor Mitternacht:
750 Mrd. Euro gegen die Corona-Krise.
EZB-Chefin Lagarde dazu:
Durch den Kauf von Anleihen
will die EZB der Wirtschaft helfen,
finanzielle Engpässe abzufedern.
Der Rahmen dafür ist so groß wie nie.
Ein Anleihekaufprogramm
von 240 Mrd. Euro läuft,
und vergangene Woche
wurden 120 Mrd. Euro bereitgestellt.
Hinzu kommen nun
noch mal 750 Mrd. Euro.
Das sind mehr als 1,1 Bio. Euro
in nur einem Jahr.
2,6 Bio. Euro waren es
in den vergangenen fünf Jahren.
Marktbeobachter
halten das Notpaket für angemessen.
Mit kleinen Eimern zum Löschen
zu kommen, ist nicht sinnvoll.
Eine glaubwürdige Summe
muss bereitgestellt werden.
Das ist im Vergleich zur Größe
der Anleihen-Märkte geschehen.
Diese Summe
muss nicht ausgeschöpft werden.
Aber es beruhigt die Märkte,
dass sie zur Verfügung steht.
Sollte das Geld nicht reichen,
könnte die EZB noch nachlegen.
Mit einem Hilfspaket
will der Bund Kleinunternehmer
und Solo-Selbständige unterstützen.
Nach Medienberichten sind direkte
Zuschüsse und Darlehen
in Höhe von 40 Mrd. Euro vorgesehen.
Der Notfonds soll kommende Woche
verabschiedet werden.
Mehrere Bundesländer
planen eigene Hilfsprogramme.
Die Lufthansa
streicht im Zuge der Corona-Krise
ab kommender Woche
95 % der Flüge.
Das kündigte Konzernchef Spohr
in Frankfurt an.
Die Zukunft der Airline
sei ungewiss, so Spohr.
Je länger die Krise andauere,
desto wahrscheinlicher werde es,
dass es ohne staatliche Hilfe
nicht weitergehen werde.
Ein ungewohnter Anblick
am Frankfurter Flughafen.
Hunderte Flugzeuge am Boden,
leere Check-in-Schalter.
Deutschlands größtes Drehkreuz
steht fast still.
Die Pressekonferenz der Lufthansa
ist eher eine Corona-Krisenkonferenz.
Sollte sich die Situation die
nächsten Wochen nicht verbessern,
müssen wir mit der Politik bereden,
welche Flüge gebraucht werden.
Aus kommerzieller
ergibt Fliegen keinen Sinn mehr.
Deutschlands größte Fluggesellschaft
trifft weitreichende Maßnahmen.
Für 31.000 Mitarbeiter
wurde Kurzarbeit beantragt,
die Dividende entfällt, der Vorstand
verzichtet auf 20 % Grundgehalt.
Mit 5,1 Mrd. Euro flüssigen Mitteln
ist der Konzern noch gut gerüstet,
doch nicht alle stehen so gut da.
Der Welt-Luftfahrtverband
warnt vor einer Pleitewelle.
Fluggesellschaften brauchen
weltweit 150 bis 200 Mrd. US-Dollar
staatliche Finanzspritzen.
Das können nicht
alle Fluggesellschaften überleben.
Die Zahlen für 2019
sind heute fast Nebensache.
Da sank der Gewinn
auf rund 1,2 Mrd. Euro,
ein Rückgang von 44 %.
Eine Prognose für 2020
wagte der Vorstand nicht.
Polen versucht,
die chaotischen Zustände
an der deutsch-polnischen Grenze
in den Griff zu bekommen.
Der Verkehr staut sich,
auf deutscher Seite warten Fahrer
bis zu 15 Stunden auf Durchlass.
Die Bundeswehr
verteilt Wasser und Essensrationen.
Um die Verbreitung von Corona
zu stoppen,
hatte Polen
intensive Grenzkontrollen eingeführt.
Jetzt lockert die Regierung
Vorschriften für Lkw-Fahrer
und Berufspendler.
Fragen zu den Rechten Reisender,
die von der Krise betroffen sind,
beantworten wir auf tagesschau.de.
ARD Extra um 20.15 Uhr in DGS
auf tagesschau24
Das Innenministerium hat eine Gruppe
der Reichsbürger-Bewegung verboten.
Die Vereine
"Geeinte deutsche Völker und Stämme"
und "Osnabrücker Landmark"
wurden aufgelöst.
Innenminister Seehofer sagte:
Die Gruppe habe rassistische und
antisemitische Schriften verbreitet
und damit die freiheitliche
Gesellschaft systematisch vergiftet.
Begleitet wurde das Verbot von
Durchsuchungen in zehn Bundesländern.
Das Rathaus in Berlin-Zehlendorf:
Hier wollten Mitglieder der "Geeinten
Deutschen Völker und Stämme"
2017 das Kommando übernehmen.
Die Vorstellungen der Gruppierung -
jahrelang im Netz.
Darin: die Forderung
nach einer eigenen Währung.
Die Videos sind nicht mehr abrufbar.
Das Innenministerium
hat die Gruppierung verboten.
Zustimmung
von vielen Bundestagspolitikern.
Sie sind verbal militant
und schrecken vor Bedrohungen
von Amtsträger nicht zurück.
Das Innenministerium zählt
den Verein zu den Reichsbürgern.
Für sie ist die Bundesrepublik
kein legitimer Staat.
Viele gelten als gewaltbereit
und waffenaffin.
Laut Experten sei der Verein
durch Rassismus und Antisemitismus
aufgefallen.
Der gewaltbereite Rechtsextremismus
und die Reichsbürger-Szene
überschneiden sich, man kann das oft
nicht voneinander trennen.
Heute Vormittag also
Razzien gegen die Gruppen.
Das offenbar
bewusst während der Corona-Krise.
Für die Reichsbürgerszene gilt wie
für viele andere rechte Bewegungen:
Sie haben genau auf
so einen Moment gewartet.
Ein Katastrophenfall,
eine Ausnahmesituation.
Das kann Startschuss sein
für eine rechte Erhebung.
Das Vereinsverbot -
eine Machtdemonstration
des Innenministers.
Seine Botschaft an die Extremisten:
Der Staat ist wehrhaft -
trotz Corona-Krise.
Nun die Wettervorhersage für morgen,
Freitag, den 20. März.
Das Wolkenband im Norden
kommt langsam südwärts.
Dahinter gelangt
spürbar kühlere Luft zu uns.
Heute Nacht etwas Regen im Norden,
sonst ist es meist trocken.
Morgen ist es
an den Küsten aufgelockert,
vom Norden bis in die Mitte
oft trüb und gebietsweise nass.
Über den Bergen lokal Schauer
oder Gewitter.
Am Samstag im Norden viel Sonne,
sonst meist bedeckt,
gebietsweise Regen,
in höheren Lagen Schnee.
Am Sonntag im Süden Wolken
und Regen- oder Schneeschauer.
Sonst fast überall sonnig, aber kalt.
Caren Miosga hat um 22.35 Uhr
diese Tagesthemen:
Braucht Deutschland
eine Ausgangssperre?
Fragen an
NRW-Ministerpräsident Laschet.
Verzweifeltes Warten
auf den Heimflug:
Wie der Rückflug
Tausender Urlauber organisiert wird.
ARD Extra um 20.15 Uhr in DGS
auf tagesschau24