Sendung: tagesschau 20.04.2020 17:00 Uhr - Merkel warnt vor verfrühter weiterer
Themen der Sendung: Corona-Maßnahmen: Bundeskanzlerin Merkel warnt vor verfrühter weiterer Lockerung, Viele Geschäfte nach Zwangspause wieder geöffnet, Einige Jahrgänge wegen Prüfungen zurück in Schulen, Bundesbildungsministerin Karliczek will Studierenden zinslose Kredite gewähren, Telefonische Krankschreibungen bei Erkältungen bleiben weiter möglich, Vom Abgasskandal betroffene VW-Diesel-Besitzer erhalten Entschädigungen, Die Börse, Gespräche per Videokonferenz in Brexit-Übergangsphase, 16 Tote nach Amoklauf in Kanada, Das Wetter
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Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio:
Claus-Erich Boetzkes
Guten Tag,
willkommen zur tagesschau.
Vor einem Monat
schwor Kanzlerin Merkel
die Bürger
auf die Corona-Beschränkungen ein.
Heute verband sie erste Lockerungen
mit einer Mahnung:
Die Krise sei noch nicht beendet.
Die Regeln müssten
dringend weiter befolgt werden.
Wie sich die Lockerungen
auf den Verlauf auswirkten,
zeige sich erst mit Zeitverzug.
Das Robert Koch-Institut
bestätigte knapp 142.000 Infizierte.
Joggen ist erlaubt.
Aber sollte auch Tennis
möglich sein – trotz Corona?
Wann öffnen Restaurants,
wenigstens teilweise?
Das Gesprächsthema seit Tagen,
in Bund und Ländern.
Eine "Öffnungsdiskussionsorgie",
sagte Angela Merkel
in der Präsidiumssitzung der CDU.
Da hab ich mich mahnend eingelassen.
Wir haben schon so viel erreicht,
aber sind nicht am Ende des Wegs.
Das dürfen wir
nicht aufs Spiel setzen.
Unterstützung für Merkel
von ungewohnter Seite.
Wenn die Leute tagein, tagaus
in den Nachrichten hören:
Es muss dort 'ne Lockerung geben,
dann gibt's so 'nen Effekt:
"Dann sind wir ja wohl übern Berg".
Dass man dann
unbewusst laxer wird.
Die FDP kritisiert Merkels Wortwahl.
Länderpolitiker machen sich Gedanken
über sinnvolle Öffnungsstrategien.
Sie diskutieren
über die Verhältnismäßigkeit
von Grundrechtseingriffen
und über Existenzsorgen.
Das verdient Respekt,
nicht Verächtlichmachung.
Viele Eltern
sind an der Belastungsgrenze.
Bleiben Kitas
bis Ende August geschlossen?
Das könne nicht die Lösung sein –
sagt die Familienministerin.
Das ist ein Weg, der viele Eltern
in Stress und fast Panik versetzt.
Es geht darum, die Frage zu stellen,
wie das Kita-Jahr bis zum Sommer
gestaltet werden kann.
Vorschläge dazu macht
eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe,
die heute zum ersten Mal getagt hat.
Nach mehrwöchiger Zwangspause
haben in vielen Bundesländern
heute wieder Geschäfte geöffnet:
Unter Auflagen etwa
zur Größe der Ladenflächen.
Abstandsregeln müssen
weiter eingehalten werden.
Möglichkeiten für eine Lockerung
der Beschränkungen
werden von den Ländern
unterschiedlich ausgelegt.
Endlich wieder öffnen.
Einzelhändler Patrick Kühle
atmet auf,
obwohl er sich ein Sicherheitskonzept
ausdenken musste.
Ab sofort dürfen nur noch 15 Kunden
gleichzeitig ins Geschäft.
Wir haben eine Klingel.
Man klingelt und darf rein,
wenn es geht.
Wir müssen dem Kunden sagen,
dass er warten muss.
Dazu haben wir einen Tisch
rausgestellt.
Man kann dort verweilen.
Jeder hat sein eigenes Konzept.
Was aber
für viel Kopfzerbrechen sorgt,
sind die verschiedenen Regelungen
in den Ländern.
Im Saarland dürfen auch Geschäfte
mit über 800 Quadratmetern öffnen,
wenn sie Bereiche abtrennen.
Das plant Galeria Karstadt Kaufhof.
In Rheinland-Pfalz
darf ein Outlet-Center öffnen.
Das sorgt für Kritik von
der saarländischen Landesregierung.
Es sei fatal,
wenn es zu einer Art Binnentourismus
zwischen angrenzenden Bundesländern
komme.
Ich möchte
eine bundeseinheitliche Regelung.
Die sollte von den Ländern
gleich umgesetzt werden.
Keine Einheit auch bei den Masken.
In Sachsen Pflicht,
Bayern zieht heute nach.
Ab nächster Woche
ist die Maske Pflicht.
In allen Geschäften und im ÖPNV.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern
ist sie ab nächster Woche
im ÖPNV Pflicht.
In anderen Ländern
dürfen die Bürger noch entscheiden.
Lockerungen - das heißt
nach wochenlangem Stillstand
an einigen Schulen wieder:
Unterrichtsbeginn.
In Hessen und Baden-Württemberg
dürften sich Schüler darüber freuen,
dass sie nicht sitzenbleiben.
Niemand solle leiden
unter der Situation,
hieß es aus den Kultusministerien.
In Berlin und Brandenburg
begannen die Abi-Klausuren.
Auch in Sachsen
kehrten Abschlussjahrgänge zurück.
Am ersten Schultag
geht's gleich um Hygiene.
Hände desinfizieren
und Mundschutz aufsetzen.
Der ist an sächsischen Schulen
keine Vorschrift,
aber das Gymnasium
will auf Nummer sicher gehen.
Hier gab's im März
eine Corona-Infektion.
Das ist
eine besondere Angelegenheit.
Endlich kommen die Schüler
zu uns zurück.
Das tut gut und es macht Hoffnung.
Die lange Pause
hat mancher Schüler genutzt,
um sich neu zu strukturieren.
Die Chance ist vielleicht,
gerade in der Studienvorbereitung,
z.B. für selbständiges Arbeiten
sich einen Plan zu machen.
Heute gibt es noch keinen Unterricht.
Die Schüler werden
über die Sicherheitsmaßnahmen
und die Abi-Prüfung informiert.
92 Schüler
werden ab Mittwoch geprüft.
Für die Tests werden sie
in kleine Gruppen eingeteilt,
um bei Infektionen
nicht den ganzen Jahrgang anzustecken
Bis Juni
werden die Prüfungen laufen.
Es ist unsicher, ob der Unterricht
für die unteren Jahrgänge
vor den Sommerferien noch anläuft.
Für Sachsens Kultusminister
ist wichtig,
dass das Lernen zu Hause
den Unterricht nicht ersetzt.
Es wurde deutlich, dass das
kein Dauerzustand sein kann.
Dass dieser persönliche Austausch
zwischen Schülern, Lehrern
und Eltern notwendig ist.
Es ist gut,
dass im Wege dieser Lockerungen
die Schulen dabei sind.
Ab Mittwoch werden in Sachsen auch
Ober-, Berufs- und Förderschulen
über die Prüfungen informiert.
Auch der Alltag der Studierenden
hat sich massiv verändert.
Dass die Hörsäle leer bleiben
und die Lehre digital erfolgt,
gilt für alle.
Viele aber, die nebenbei
Geld verdienen mussten,
haben ihre Jobs verloren.
Bildungsministerin Karliczek
hat vorgeschlagen,
zinslose Darlehen anzubieten.
Doch SPD, FDP,
Gewerkschaften und Studentenwerk
kritisieren das als unzureichend.
Aus fest wird gasförmig -
und aus einem Praktikumstag im Labor
ein Film zum Studium daheim.
Dem klassischen Experiment
am Bunsenbrenner
folgt ein neues Experiment
am Rechner.
Chemie-Didaktiker Lukas Groos
schneidet einen Film für Studierende,
die nicht im Labor stehen dürfen.
Das ist eine Notlösung,
die wir hier durchführen.
Für uns ist es die Möglichkeit,
digitale Lehre durchzuführen.
Als Doktorand erforsche ich,
wie man Lehre digital gestaltet.
Das ist die große Chance,
so etwas auszuprobieren,
ohne sich an alle Regelungen
perfekt zu halten.
Die Corona-Krise ist für manche
zum Start des Sommersemesters
also die Möglichkeit.
Andere zweifeln, ob so wirklich
alle Leistungsnachweise möglich sind.
Sorge bereitet vielen Studierenden,
dass sie derzeit
kaum Geld verdienen können.
Glenn Wehrmann hat in Frankfurt/Main
in der Gastronomie gearbeitet.
Doch Messen oder Firmenfeiern
finden nicht mehr statt.
Den Vorschlag, dies durch
Bafög-Zahlungen auszugleichen,
findet er gut.
Bislang hat er 500 Euro/Monat
durch Jobs verdient.
Das ist nicht meine Erwartung.
Die Hälfte würde mir schon helfen.
Damit hätte ich
einen Teil der Miete bezahlt.
Online-Studium und Geldsorgen:
So beginnt für viele Studierende
das Sommersemester 2020.
Wer sich wegen einer Erkältung
krankschreiben lassen wollte,
konnte das wegen Corona
zuletzt telefonisch erledigen.
Diese Sonderregelung
sollte heute auslaufen.
Das führte zu massiver Kritik
bei vielen Ärzten - mit Erfolg.
Telefonische Krankschreibungen
bei Erkältungen bleiben möglich -
voraussichtlich bis 4. Mai.
Ende Februar einigten sich VW und
Verbraucherzentrale Bundesverband
in einer Musterfeststellungsklage auf
einen Vergleich für Dieselbesitzer.
200.000 VW-Kunden
haben den Vergleich akzeptiert.
Sie erhalten vom 5. Mai an Geld
für den Wertverlust ihrer Autos
durch den Abgasskandal.
Mehr als 20.000 Fälle
werden laut VW noch geprüft.
Fünf Jahre nach Bekanntwerden
des Diesel-Skandals
zahlt VW Entschädigungen:
bis zu 6257 Euro pro Fahrzeug.
Die Verbraucherschützer reichten 2018
eine Musterfeststellungsklage ein
und handelten im Februar
einen Vergleich mit VW aus.
Vorher konnten sich Menschen
nur individuell
gegen Konzerne wehren,
die betrogen haben.
Mit der Musterfeststellungsklage
können sie das gemeinsam tun.
Dass 200.000 Menschen das gemacht
haben, ist ein starkes Signal.
Das Angebot von VW haben die meisten
berechtigten Musterkläger angenommen.
VW hat die Frist
bis Ende April verlängert.
Der Vergleich kostet VW
620 Mio. Euro.
Umstritten ist,
was den Kunden mehr bringt:
Einzeln vor Gericht ziehen
oder die Musterfeststellungsklage.
Die Musterfeststellungsklage
wurde eingeführt,
als die Diesel-Affäre schon lief.
Ich würde über diese Klageart
nicht abschließend urteilen.
Sondern aufarbeiten, wo muss
der Gesetzgeber nachbessern?
Dass es ein Instrument gibt,
mit dem Verbraucher
ihre Ansprüche bündeln können,
ist wichtig.
Die Verbraucherschützer
fordern eine Reform:
Sie kritisieren,
dass nicht automatisch
alle Diesel-Kunden profitiert haben.
Sondern nur die, die sich
in ein Register eingetragen haben.
An der Börse sorgt der
abstürzende Ölpreis für Unruhe.
Leichtes US-Öl
hat sich um 40 % verbilligt
und kostet so wenig
wie seit Dezember 1998 nicht.
Klaus-Rainer Jackisch,
warum dieser Preis-Crash?
Das liegt daran, dass die Nachfrage
nach Öl zurückgeht.
Es gibt so viele
Produktionskürzungen wegen Corona.
Dazu sind die Lager sehr voll.
Das drückt den Preis.
Der zentrale Punkt ist,
dass die OPEC Förderkürzungen
beschlossen hat.
Die reichen aber nicht.
Die Nachfrage
ist um 30 Prozent zurückgegangen.
Die Kürzung
macht aber nur 10 % aus.
Deshalb fallen die Ölpreise.
Das schmälert die Einnahmen
der Förderländer drastisch.
Die Börse
geht wieder jetzt ins Plus.
Aber es gibt viele Schwankungen.
Ende Januar
hat Großbritannien die EU verlassen,
ist aber noch im EU-Binnenmarkt
und der Zollunion, vorerst.
Wie sollen die Beziehungen nach der
Übergangsphase Ende 2020 aussehen?
Darüber wird ab heute wieder
verhandelt - per Videokonferenz.
Konkret geht es um ein Handels-
und Partnerschaftsabkommen
zwischen EU und Großbritannien.
Michael Grytz in Brüssel,
wie sehr erschwert die Corona-Krise
die Gespräche?
Sehr schwer.
Die Gespräche
sind sowieso schwierig.
Anfang März lagen die Vorstellungen
sehr weit auseinander.
Dann kam die Wucht
der Corona-Krise.
Dann gab es keine Verhandlungen.
Der EU-Chefverhandler war
am Virus erkrankt, auch Johnson.
Jetzt wird wieder von vorne
begonnen.
Es wurde viel Zeit verloren.
Bis Ende 2020
soll das Abkommen stehen.
Ist das realistisch?
Von dem, was man aus
Verhandlerkreisen hört,
ist es kaum realistisch.
Die EU hat mehrfach
darauf hingewiesen,
dass die Frist
verlängert werden sollte.
Die Briten
haben das bisher abgelehnt.
Man muss abwarten,
was von dem Poker bleibt.
Es droht, zu den wirtschaftlichen
Corona-Schwierigkeiten
weitere Verwerfungen durch
einen harten Brexit zu bekommen.
Bei einem Amoklauf in
der kanadischen Provinz Nova Scotia
hat ein Mann (51)
mindestens 16 Menschen getötet.
Danach lieferte er sich
eine 12-stündige Verfolgungsjagd
mit der Polizei.
Er wurde er
an einer Tankstelle getötet.
Das Motiv ist bisher noch unklar.
Die Wetteraussichten:
Morgen viel Sonne
und meist wolkenlos.
Im Norden und Nordosten sowie
über den Alpen ein paar Quellwolken.
Das war's.
Jetzt kommt Brisant.
Um 20 Uhr
kommt die nächste tagesschau.
Einen guten Tag.
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