Gerhard Schröder: Der 'Genosse der Bosse'
Eine kleine Quizfrage für euch.
Wer ist das?
Als junger Mann hat er nach einem
knappen Abend am Zaun des
Kanzleramts in Bonn gerüttelt und
gerufen Ich will da rein.
Der junge Abgeordnete, der dann
später tatsächlich Bundeskanzler
geworden ist, heißt
Gerhard Schröder,
ehemalige Kanzler.
Der erste Kanzler einer rot grünen
Bundesregierung ist jetzt das
Thema dieses Videos.
Gerhard Schröder amtierte zwischen
1998 und 2005
als Bundeskanzler.
Auch wenn sei damals schon einige
Jahre vergangen sind, ist das noch
gar nicht so lange her.
Für ein ausgewogenes historisches
Urteil fehlt also noch der zeitliche
Abstand.
Der sehr langfristige Folgen
von Schröders Politik sichtbar
machen würde.
Deshalb sage ich es ganz
vorsichtshalber gleich am Anfang.
Ich bewerte diesen Video nicht, ob
die Politik von Gerhard Schröder und
seiner rotgrünen Regierungskoalition
richtig, falsch, schlechter
gewesen ist?
Ich zeichne sie eher nach als
Chronist, wenn ihr so wollt.
Trotzdem ist das Thema ganz
spannend, denn der Bundeskanzler
a.D. lebt ja noch.
Er mischt sich immer mal wieder mit
Wort und Tat ein.
Und vor allem Er betreibt eine
eigene Website, und auf dieser
Website können wir ganz gut ablesen,
wie er in Erinnerung bleiben will.
Da gibt es zwei Bereiche, die heißen
Mut zu Reformen und Mut
zum Frieden.
So sieht sich Schröder selbst
als Mann, der die Dinge anpackt,
die getan werden müssen, der nicht
den bequemen Weg geht, sondern das
Richtige tut, er notfalls für seine
überzeugungen, die Karriere aufs
Spiel setzt.
Schauen wir mal, was man
zeitgeschichtlich dazu sagen kann.
Gerhard Schröder kommt 1944
zur Welt.
Seine Mutter muss den
Lebensunterhalt durch Putzen und
Fabrikarbeit selbst verdienen.
Schröders Vater fällt im Zweiten
Weltkrieg.
Schröder stammt wirklich aus kleinen
Verhältnissen.
Die Familie kann sich wenig leisten,
die Familienmitglieder verfügen oft
über keine höhere Schulbildung.
Schröder selbst geht nach der
Volksschule in die Lehre.
Erst über die Abendschule und andere
Weiterbildungsangebote holt er das
Abitur nach, studierte
Rechtswissenschaften in Göttingen,
wird später Rechtsanwalt.
Schon seit 1961 ist Gerhard
Schröder Mitglied bei der SPD und
bei den Jusos, den Jungsozialisten.
Das ist die Jugendorganisation der
SPD.
1978 wird er Bundesvorsitzender
der Jusos.
1980 wird er in den Bundestag
gewählt. 1986
wechselt er in den niedersächsischen
Landtag.
1990 steigt er zum
Ministerpräsidenten auf.
Das hört sich nach einer sehr
glatten Karriere an, aber jeder
Schritt ist hart erkämpft.
Schröder rackert sich immer wieder
in der eigenen Partei durchsetzen,
Niederlagen einstecken.
Er arbeitet sich nach und nach nach
oben. Und dabei lernt er durchaus
Härte gegen sich selbst und gegen
andere.
Schröder ist ein Aufsteiger.
Er ist stolz darauf, dass er es
geschafft hat.
Und das versteckt er auch nicht.
Ebenso wenig seinen Ehrgeiz.
Er präsentiert sich den Wählern als
Mann, der die Zusammenhänge
versteht, der weiß, wie es
funktioniert, auch wirtschaftlich.
Ein Mann, der anpackt.
Da kommt das Stichwort Mut vor,
das heute noch auf seiner Homepage
steht.
Einer, der mutig die Probleme
angeht, ein Macher.
Inhaltlich ist er Generalist, also
jemand, der sich um das große Ganze
kümmert.
Die Menschen bekommen also ein ganz
gutes Bild, wie er so tickt?
Klar, jeder Politiker inszeniert
sich. Vielleicht kennt ihr die
Szene, als Schröder schon
Bundeskanzler ist und Autogramme
gibt, sagt dazu eine hohe, schmale
Flasche. Wer so schreibe ja nicht
weiter.
Stefan Raab hat dazu auch einen
bekannten Song gemacht.
Schröder setzt sich hier als
volksnaher Politiker in Szene.
Normalerweise erwartet man ja, dass
ein Bundeskanzler sagt Könnten Sie
mir mal bitte ein Bier reichen?
Schröder duzt und es kumpelhaft
ruppig, Obama eine Flasche Bier.
Aber das ist nicht künstlich,
sondern kommt ganz echt rüber.
Dass sich Schröder wenig um
Konventionen schert, schadet ihm
allerdings manchmal auch.
Zum Beispiel lässt er sich als
frisch gewählter Bundeskanzler im
teuren Anzug ablichten.
Er raucht gern Zigarre und trinkt
teure Weine.
Das wiederum schreckt die
sogenannten kleinen Leute eher ab.
Unter Gerhard Schröder amtiert die
erste rot grüne Bundesregierung.
Sie startet mit großen Zielen
den Ausstieg aus der Nutzung der
Atomenergie einleiten, das
Steuersystem ökologisch gerecht
umbauen, die Arbeitslosigkeit
bekämpfen, die doppelte
Staatsbürgerschaft einführen und
vieles mehr.
Die rot grüne Regierung, die sich
auch auf die Tradition und die
Ideale der Friedensbewegung beruft,
muss zudem den ersten Kriegseinsatz
der Bundeswehr verantworten.
Im Kosovo kämpfen bewaffnete
albanische Einheiten für eine
Unabhängigkeit von Serbien, und die
serbische Armee schlägt
erbarmungslos zu.
Angesichts der massiven
Vertreibungen und Tötungen erklärt
der Kanzler im Bundestag Wir
können uns unserer Verantwortung
nicht entziehen.
Das ist der Grund, warum deutsche
Soldaten zum ersten Mal seit
dem Zweiten Weltkrieg in einem
Kampfeinsatz stehen,
die Nato Luftangriffe nicht durch
ein UN-Mandat gedeckt sind.
Gibt es besonders bei den Grünen
große Widerstände?
Letztlich stimmen die aber zu.
Und damit kann auch die
Bundesregierung weitermachen.
Nach nicht einmal fünf Monaten im
Amt tritt der Bundesfinanzminister
und SPD-Parteichef Oskar Lafontaine
wegen Differenzen mit Schröder
zurück.
Verschiedene Projekte der Regierung
bleiben stecken.
Kompromisse verwässern die
ursprünglichen Ideen.
Nach gut einem Jahr steht Gerhard
Schröder in der Kritik.
Zum Amtsantritt verspricht er,
vieles besser, aber nicht alles
anders machen zu wollen.
Ein Jahr später.
Die Stimmung auf dem Tiefpunkt.
Alle Wahlumfragen sehen die CDU
CSU bei fast 50 Prozent.
Da kommt im November 1999
und in den kommenden Monaten der CDU
Spendenskandal von Helmut Kohl ans
Tageslicht. Mehr dazu erfahrt ihr in
dem Video oben auf dem.
Absofort läuft es für die Regierung
wieder besser.
Es werden etliche Reformen
beschlossen, unter anderem die
Riester-Rente, also die Einführung
einer privat finanzierten
Altersversorgung, für die der Staat
unter bestimmten Voraussetzungen
Zuschüsse gibt.
Gerhard Schröder feilt an seinem
Image als Macher, indem er Kritikern
dieser Rente entgegenhält.
Es ist notwendig, und wir werden das
machen. Basta, basta.
Kanzler ist geboren.
Ein anderer bekannter Satz Schröders
lautet Was jetzt wichtig ist,
ist eine Politik der ruhigen Hand.
Das bedeute, dass größere Reformen
und Veränderungen erst mal nicht
kommen werden.
Die innenpolitische Lage hat sich
verschlechtert.
An der Börse gibt es im Jahr 2000
einen Crash.
Das bringt die Wirtschaft in
Schwierigkeiten.
Der Abbau der Arbeitslosenzahlen
stagniert.
Deutschland leidet ja schon seit
Jahrzehnten darunter, dass es um die
Wettbewerbsfähigkeit des Landes
schlecht bestellt ist.
Die dringend nötigen Reformen
bringt aber auch die Regierung
Schröder nicht zustande.
Stattdessen verkündet der Kanzler
die Politik der ruhigen Hand.
Da ändert sich mit einem Schlag
die Weltlage.
Nach den Terroranschlägen vom
11. September 2001 hat Gerhard Schröder den USA die
uneingeschränkte Solidarität
Deutschlands zu.
Deutschland beteiligt sich am
Nato-Einsatz in Afghanistan.
Zwar liegt ein UN-Mandat diesmal
vor, aber es ist fraglich, ob
die rot grüne Koalition eine
Mehrheit im Bundestag hat.
Viele Abgeordnete der SPD und der
Grünen wollen dem Einsatz nicht
zustimmen. Kanzler Schröder kann
zwar mit der Zustimmung der
Opposition rechnen.
Aber er weiß, dass er für solche
weitreichenden Entschlüsse eine
eigene Mehrheit braucht.
Deshalb stellt er die
Vertrauensfrage.
So diszipliniert er die rot grünen
Abgeordneten und erreicht eine
knappe Mehrheit.
In der folgenden Zeit verschärft
Deutschland seine Sicherheitsgesetze
enorm.
Denn die Attentäter haben sich in
der Bundesrepublik auf den Anschlag
vorbereitet.
Das sind alles schwere Debatten für
die Regierungskoalition.
Am schwersten wiegt aber die
schlechte wirtschaftliche
Entwicklung.
Die Arbeitslosenzahlen steigen,
als im Jahr 2002 Wahlen
zum Bundestag anstehen.
Ist die Regierung also nicht in
bester Verfassung?
Zwei Ereignisse und vor allem die
Reaktionen Gerhard Schröders darauf
sichern ihm die Wiederwahl.
Zum einen poliert er sein Image
auf, indem er bei einer
Flutkatastrophe im Sommer mit
Gummistiefeln im von
überschwemmungen betroffenen
Gemeinden die Lage inspiziert.
Zum anderen positioniert er sich
klar gegen einen möglichen Krieg im
Irak, den die US-Regierung seit
einiger Zeit propagiert.
Die SPD verliert zwar nur
sechs tausend sieben und zwanzig
Stimmen mehr als die CDU CSU.
Aber weil die Grünen zulegen, kann
Rot-Grün weiterregieren.
Aber die innen und wirtschaftspolitische
Lage zwingt Gerhard Schröder nur ein
halbes Jahr nach der Bundestagswahl
zu einer Kurskorrektur.
Die Strukturkrise Deutschlands geht
ihrem Höhepunkt entgegen.
Die Arbeitslosigkeit ist hoch.
4,7 Millionen Deutsche
sind ohne Job.
Die Wirtschaft schwächelt und wächst
nicht, die Sozialsysteme sind
überlastet.
Deutschland gilt als schwacher Mann
Europas.
Der Kanzler erklärt daher im
Bundestag Wir werden Leistungen
des Staates kürzen,
Eigenverantwortung fördern
und mehr Eigenleistung von jedem
Einzelnen abfordern müssen.
Das Maßnahmenpaket, das vor allem
den Arbeitsmarkt flexibilisiert,
bekommt den Namen Agenda 2010.
Besonders die arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen haben es in sich.
Wer arbeitslos wird, bekommt nur
noch zeitlich begrenzt das
sogenannte Arbeitslosengeld 1,
das sich am letzten Einkommen
orientiert.
Danach erhält er das
Arbeitslosengeld II, eine
unbefristete Grundsicherung.
Im Volksmund nennt man dieses
Arbeitslosengeld II nur Hartz
IV.
Das Prinzip lautet Fordern und
Fördern. Und es führt dazu, dass
Arbeitslose im Grunde jede zumutbare
Arbeit annehmen müssen.
Ansonsten greift die Grundsicherung.
Kritiker sagen, das bedeute Armut
per Gesetz.
Diese harten Reformen werden vor
allem in der SPD und in den
Gewerkschaften sehr kontrovers
diskutiert.
Gerhard Schröder muss sogar den
Parteivorsitz an Franz Müntefering
abgeben. Man könnte sagen Die Agenda
2010 ist wirklich mutig.
Denn wer sich zeigt, riskiert
Schröder damit das Ende seiner
politischen Karriere.
Denn die SPD verliert bei den
anstehenden Landtagswahlen
dramatisch.
Es gründet sich eine neue Partei die
Wahlalternative Arbeit und soziale
Gerechtigkeit, kurz ASD.
Gegen Hartz IV und die Agenda 2010
finden riesige Demonstrationen
statt.
Als die SPD die Landtagswahlen in
ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen
verliert, verkündet SPD-Chef
Müntefering in Absprache mit Gerhard
Schröder, dass man Neuwahlen
des Bundestages anstrebe.
Schröder will klare Verhältnisse.
Leider ist es nicht so einfach, das
Parlament aufzulösen.
Daher stellt der Kanzler die
Vertrauensfrage in der Absicht,
seine eigenen.
Nicht aussprechen.
Als die Regierung damit
dokumentiert, dass sie keine
Mehrheit mehr im Parlament hat,
setzt der Bundespräsident Neuwahlen
an. Schröder tritt zum dritten Mal
als Spitzenkandidat der SPD an.
Und seine SPD verliert.
Aber auch Angela Merkel, die
Vorsitzende der CDU, verliert leicht
an Stimmen.
Es bleibt eigentlich nur eine
Möglichkeit die große
Koalition zwischen der stärksten
Partei CDU, zwischen CDU
CSU oder zweitstärksten der
SPD.
In der berühmt berüchtigten
Fernsehdiskussion der
Spitzenkandidaten greift Schröder
nicht nur Angela Merkel, sondern
auch die Medien frontal an.
Später bezeichnet er seinen Auftritt
als Zitat suboptimal.
Und tatsächlich meinen viele, dass
er an diesem Abend überzieht und so
sein Amt endgültig verliert.
Aber Schröder ist eben ein Kanzler,
der sich gerne mit dem politischen
Gegner gezofft hat.
Er hat Widerspruch hervorgerufen,
und auch nach dem Ende seiner
Kanzlerschaft sorgt er immer wieder
für Verwunderung und bei manchen
auch für ärGer.
Zum Beispiel arbeitet Schröder für
das Unternehmen Nord Stream,
das wiederum mit dem staatlichen
russischen ölkonzern Gasprom
und dem Kreml verbunden ist.
Er sagte ja am Anfang schon, dass
ich mich mit einer Bewertung in
diesem Video zurückhalte, weil die
Ereignisse relativ kurz
zurückliegen.
Eines ist aber unstrittig
Der wirtschaftlichen Entwicklung,
der Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Wirtschaft hat die Agenda
2010 auf jeden Fall genutzt.
Und es ist auch unstrittig,
dass die Arbeitsmarktreformen die
deutsche Gesellschaft über Jahre
hinaus in Befürworter und Gegner
gespalten haben.
Auch die SPD ringt jahrelang
mit sich selbst. Im Prinzip bringt
sie auch heute noch mit, sich selbst
zu sein. Deshalb frage ich euch
War Rot-Grün eine erfolgreiche
Regierung?
Hat Gerhard Schröder die richtigen
Entscheidungen getroffen?
Was bleibt am Ende von ihm
nur eine Randnotiz in der
Geschichte?
Oder gehört er vielleicht sogar zu
den bedeutenden Kanzlern der
Bundesrepublik?
Eure Meinung gerne unten in die
Kommentare. Und hier?
Neben der findet die eine Playlist
mit allen anderen deutschen Kanzlern
vor Gerhard Schröder und direkt
darunter ein weiteres Video der
Kollegen von Funk und natürlich
auch bei Instagram vorbeischauen.
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