tagesschau Sendung vom 11.02.2021, 17:00 Uhr - Kanzlerin Merkel rechtfertigt Lockdown-Verlängerung
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen
mit der tagesschau.
Heute im Studio: Susanne Holst
Guten Tag, willkommen zur tagesschau.
Erneut appellierte Kanzlerin Merkel
bei ihrer Regierungserklärung
an den Durchhaltewillen
der Bevölkerung.
Die gestern beschlossene Verlängerung
des Lockdowns bis zum 7. März
sei erforderlich und verhältnismäßig.
Gleichzeitig würde Merkel
bei Schulen und Kitas
lieber einen schärferen Kurs fahren.
Die Opposition sparte nicht
mit Kritik an der Kanzlerin.
Sie forderte eine längerfristige
Corona-Strategie
und eine stärkere Einbindung
des Parlaments.
Alle Blicke auf Angela Merkel.
Sie muss dem Bundestag erklären,
warum der Lockdown verlängert wird,
obwohl die Infektionszahlen sinken.
Merkels Argument:
Die Corona-Mutationen seien
aggressiver als das Ursprungsvirus,
die Ansteckungsgefahr also größer.
Die Mutanten setzen sich
aufgrund dieser Eigenschaften
früher oder später
gegen die vorherige Variante durch.
So war es bereits
in einigen EU-Ländern.
Sie erlebten eine zeitweilig
dramatische Zunahme an Fällen -
mit katastrophalen Auswirkungen
auf die Gesundheitssysteme.
Vom Koalitionspartner SPD:
Unterstützung,
aber auch eine Breitseite
gegen den CDU-Wirtschaftsminister.
Die deutsche Wirtschaft
stehe vergleichsweise gut da.
Aber deswegen erwarten wir,
dass weitere Wirtschaftshilfen
endlich ankommen.
Wir haben genügend Geld
dafür bereitgestellt.
Mit den Wirtschaftshilfen
ist auch die Opposition unzufrieden.
Besonders heftig:
die Kritik der AfD.
Wollen Sie
den Mittelstand vernichten,
das Rückgrat unseres Wohlstands?
Wollen Sie uns auf den Stand
eines Entwicklungslandes bringen?
Die Grünen fordern
eine Langfrist-Perspektive.
Sonst gehe das Vertrauen
in die Politik verloren.
Zudem Kritik am Beschluss gestern,
zum 1. März
Friseure wieder zu öffnen.
Ich gönne jedem und jeder
hier und anderswo eine Frisur.
Ich gönne auch übrigens
den Frisörinnen die Einnahmen.
Aber damit hat man nur das Gefühl,
hier soll dem Volk
ein Böngchen gegeben werden.
Eine Debatte mit scharfer Kritik
an der Kanzlerin,
die an den Grundlinien ihrer
Corona-Politik nichts ändern will.
Viele hätten sich mehr erhofft
als einen Haarschnitt,
kommentierte FDP-Chef Lindner
die Corona-Beschlüsse.
Auf die Wirtschaftsverbände
trifft diese Einschätzung
wohl mehrheitlich zu.
Von ihnen hagelt es heute Kritik
an der Verlängerung des Lockdowns.
Besonders Handel und Gastronomie
beklagen die fehlende Perspektive.
Die haben zunächst
nur die Friseure zum 1. März.
Und in einigen Bundesländern
auch Gartencenter oder Zoos.
Die Tiere im Wildpark Neumünster
bekommen ab März wieder Besuch:
Schleswig-Holstein öffnet
bestimmte Einrichtungen und Läden
früher als andere Länder.
Zoos, Blumenläden, Nagelstudios
und manche Sportmöglichkeiten
dürfen sich freuen.
Friseure öffnen bundesweit.
Der Einzelhandel soll warten
bis zu einer Inzidenz von 35.
Für die Händler
in Innenstadtlagen ein Problem.
Wir sehen bei einer Trendumfrage:
Jeder zweite Einzelhändler
in der Innenstadt vermutet,
dass er diese Pandemie
nicht übersteht.
Wirtschaftshilfen
wurden versprochen,
selbst gestern und heute
von der Kanzlerin.
Aber angekommen ist kein Geld.
Das Hotel- und Gaststättengewerbe
kritisiert,
es sei in den Beschlüssen
nicht mal erwähnt worden.
Wann Hoteliers und Gastronomen
wieder öffnen dürften, sei unklar.
30 % warten noch
auf die Novemberhilfen.
Das muss funktionieren.
Zudem brauchen wir auch
ein Öffnungsszenario.
Die Stimmung ist teils
von Verzweiflung geprägt.
Schulen und Kitas haben
verschiedene Öffnungsperspektiven,
weil Bildung Ländersache ist.
Grundschüler in Sachsen können
ab nächste Woche zur Schule gehen,
in Sachsen-Anhalt erst ab März.
Lehrer- und Elternverbände hätten
sich einen einheitlichen Stufenplan
nach Infektionsgeschehen gewünscht.
Jetzt haben wir wieder
einen Flickenteppich.
Leider einen, der nicht
gekoppelt ist an Infektionszahlen,
sondern rein
an politische Erwägungen.
Immerhin sollen Lehrer
und Erzieher früher geimpft werden.
Das mache Schule und Kita sicherer.
Tina Hassel in Berlin:
Nicht 50, sondern eine Inzidenz
von 35 ist die neue Zielmarke,
ab der Lockerungen
ausgesprochen werden sollen.
Wie kommt es zu dieser Zahl?
Ganz neu ist die Zahl nicht.
Sie steht im Paragraf 28
des Infektionsschutzgesetzes.
Es ist nicht willkürlich,
wie es heute angedeutet wurde.
Die Empörung ist:
Die Kanzlerin selber
und alle anderen auch
haben über die Marke 50 gesprochen.
Weil die Marke 35
schwerer zu erreichen ist,
ist die Empörung groß.
Eine Inzidenz von 35 soll
also die Richtschnur sein.
Doch schon gehen einige Länder eigene
Wege - wie ist das einzuschätzen?
Es ist kein gutes Bild, aber es
zeigt, wie groß der Druck ist,
eine Öffnungsperspektive zu zeigen.
Darüber war gestern
gestritten worden.
Sachsen-Anhalt hat gesagt,
sie werden am Lockdown
noch länger festhalten.
Die Front verläuft nicht nur
zwischen Ländern und Kanzleramt,
sondern auch
innerhalb der Länderchefs.
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist weiter
rückläufig und liegt jetzt bei 64
und damit noch deutlich über
dem neuen Schwellenwert von 35.
Zur Börse jetzt,
zu Bettina Seidl in Frankfurt,
wo man heute AstraZeneca
im Blick hat - inwiefern?
Hier interessiert man sich
für die Zahlen von AstraZeneca.
AstraZeneca hat über 3 Milliarden
Dollar Gewinn gemacht 2020.
Geld, dass man
mit Krebstherapien verdient,
nicht vornehmlich mit Impfstoffen.
Profit steht bei den Impfstoffen
nicht an erster Stelle.
An das Allgemeinwohl
appelliert auch ein Bündnis
in Richtung der
deutschen Hersteller.
Die sollen ihre Patente aussetzen.
Dann könnten die Impfstoffe
weltweit produziert werden.
Der DAX liegt im Plus.
Der neue Commerzbank-Chef Knof
verliert keine Zeit:
Nach einem Milliardenverlust 2020
peilt er 2021 schwarze Zahlen an.
Dafür schlägt der Vorstand
einen harten Sparkurs ein -
mit Stellenstreichungen
und Filialschließungen.
Die Strategie sieht
eine stärkere Digitalisierung
und mehr Online-Banking vor.
Es ist sein erster Auftritt als
neuer Vorstandschef der Commerzbank.
Manfred Knof heute auf der digitalen
Bilanzpressekonferenz.
Er will die zweitgrößte deutsche
Privatbank wieder profitabel machen -
nach einem Nettoverlust
von 2,9 Mrd. Euro 2020.
Wenn wir die Bank
zukunftssicher aufstellen wollen,
müssen wir sie restrukturieren,
möglichst schnell.
Nur eine starke Commerzbank
kann ihren Mitarbeiter*innen
dauerhaft ein guter
und sicherer Arbeitgeber sein.
Um ihre Kosten drastisch zu senken,
schließt die Bank bis 2024
in Deutschland
fast die Hälfte ihrer Filialen.
Sie reduziert
auf nur noch 450 Standorte.
Weltweit verlieren
10.000 Mitarbeiter ihre Jobs,
jeder dritte in Deutschland.
Ver.di mahnt:
Ein großes Problem
ist der Stellenabbau
und die geplante Geschwindigkeit
dessen.
Das werden wir nicht mittragen.
Details sollen verhandelt werden.
Die Bank sei etwa durch Umbaukosten
und Abschreibungen stark belastet,
hieß es heute.
Durch ihre Onlinebank comdirect
will die Commerzbank
auf Digitalisierung setzen.
Experten warnen:
Das kostet auch viel Geld.
Man weiß aus anderen Sparrunden,
dass es nicht selbstverständlich
ist, gesteckte Ziele zu erreichen.
Die Commerzbank
soll eigenständig bleiben
und schon 2021
wieder bessere Geschäfte machen.
Ein eskalierter Handelskonflikt und
Machtkämpfe im Südchinesischen Meer.
Die Beziehungen
zwischen den USA und China
sind auf einem Tiefpunkt.
Auch unter Präsident Biden
bleibt die Lage angespannt.
Er habe im Telefonat mit Staatschef
Xi unfaire Wirtschaftspraktiken
und Menschenrechtsverletzungen
kritisiert, so das Weiße Haus.
Xi warnte vor einer Konfrontation
und einer Einmischung
in "innere Angelegenheiten Chinas".
Störung der öffentlichen Ordnung:
Deswegen wurde die saudi-arabische
Frauenrechtlerin al-Hathlul
2018 festgenommen und
zu fast sechs Jahren Haft verurteilt.
Mit anderen hatte sie
das Recht für Frauen eingefordert,
Auto fahren zu dürfen.
Nach über 2,5 Jahren im Gefängnis
ist die 31-Jährige wieder frei.
Sie steht weiter unter Bewährung
und darf das Land
fünf Jahre nicht verlassen.
"Loujain ist zu Hause",
textet ihre Schwester
auf den Screenshot ihres
ersten Videoanrufs nach der Haft.
Frei aber ist die 31-Jährige nicht.
Loujain Al Hathlul darf Saudi-Arabien
fünf Jahre lang nicht verlassen.
Gegen diese Auflage und das erlittene
Unrecht will sie nun klagen,
wie ihre Schwester Lina
heute mitteilt.
Sie will weiter für Gerechtigkeit
kämpfen und alles unternehmen,
um zu beweisen,
dass sie gefoltert wurde.
Die Verantwortlichen dafür
will sie zur Rechenschaft ziehen.
Schon 2014 fordert Loujain Al Hathlul
mit solchen Videos
ein Ende das Frauenfahrverbots
in Saudi-Arabien.
Auch im Ausland
tritt sie für Frauenrechte ein,
kritisiert das Rechtssystem
in ihrer Heimat.
2018 wird sie entführt
und eingesperrt,
weil sie
die öffentliche Ordnung gestört habe.
US-Präsident Biden
begrüßt die Freilassung.
Zuvor hatte er
wegen der Menschenrechtslage
eine härtere Gangart
gegen Saudi-Arabien angekündigt.
Sie ist eine kraftvolle Kämpferin
für Frauenrechte.
Es war richtig, sie freizulassen.
Kronprinz Mohammed gewährte Frauen
über die Jahre zwar mehr Rechte.
Sie dürfen ohne Zustimmung
des Vormundes Firmen gründen, reisen.
Das Fahrverbot ist gefallen.
Viele aber sitzen noch in Haft, weil
sie für ihre Rechte eingetreten sind
oder das Königshaus kritisiert haben.
Lebensfreude und Feiern
bis tief in die Nacht:
Das hart von Corona getroffene
Brasilien hätte mehr Bedarf denn je.
Das Virus macht den Karneval
in Rio 2021 unmöglich.
Umzüge der Sambaschulen
sind verboten.
Statt Party
gibt es im Sambodrom Impfungen.
Das Aus des Karnevals
ist nicht nur für die Stimmung,
sondern auch wirtschaftlich
ein Schlag ins Kontor.
Wenn Sandro Gomes die Karnevalswagen
sieht, wird ihm schwer ums Herz.
Sonst beschäftigt seine Sambaschule
180 Leute:
Näher*innen, Musikanten, Handwerker.
Doch dieses Jahr ist niemand hier.
Es ist ein Verlust
für Rio und seine Einwohner.
Der Karneval ist eine Einnahmequelle
für die Stadtverwaltung und die,
die vom Karneval leben.
Jetzt brechen Strukturen
und Einnahmen weg.
Darunter leiden wir.
2020 war alles ausgelassen fröhlich.
Im vollen Sambodrom ahnte man kaum,
dass die Pandemie
bald alles verändern würde.
Heute: Leere.
Durch die Karneval-Absage fehlen
Brasilien laut Tourismusverband
Einnahmen von 1,2 Mrd. Euro.
Im Sambodrom wird nun geimpft,
derzeit für die über 90-Jährigen.
Im Schuppen der Sambaschule
hofft Sandro Gomes auf Normalität
und 2022 hier was los sein wird.
Wir drücken die Daumen,
dass 2022 der Umzug und die Freude
zurückkehren.
2020 bleibt das Sambodrom verwaist
und Rios Narren zu Hause.
Die Wetteraussichten:
Morgen anfangs gebietsweise Nebel
oder Hochnebel, dann meist Sonne.
Im Osten örtlich Schneeschauer.
Gleich geht es weiter mit Brisant.
Um 20 Uhr haben wir
eine neue tagesschau für Sie.
Ihnen noch einen guten Tag,
auf Wiedersehen.
Copyright Untertitel: NDR 2021