tagesschau Sendung vom 31.03.2021, 20:00 Uhr - Altersbeschränkung des AstraZeneca-Impfstoffs führt zu Diskussionen
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der tagesschau.
Diese Sendung wurde vom NDR live untertitelt (31.03.2021)
Heute im Studio: Susanne Daubner
Guten Abend, ich begrüße Sie zur tagesschau.
Die neue Altersbeschränkung für das Präparat von AstraZeneca
hat eine Diskussion über die Impfkampagne ausgelöst.
Viele Bundesländer wollen das Vakzin nicht generell
für alle Menschen ab 60 Jahren freigeben.
Die Zahl der älteren Personen ohne Impfschutz sei noch zu hoch.
Interessenverbände sehen Impfungen von jüngeren Beschäftigten gefährdet,
etwa an Schulen und in Kitas.
Überall in den Impfzentren wird umorganisiert.
In Hamburg mussten sie niemanden nach Hause schicken.
Einfach umdisponiert:
Über 60-Jährige bekommen AstraZeneca, jüngere Biontech.
Wir haben erhöhten Diskussions- und Beratungsbedarf bei denen,
die AstraZeneca bekommen.
Das kostet uns Zeit, ja, aber die müssen wir uns nehmen:
Um möglichst viele Menschen zu überzeugen,
dass dieser Impfstoff den Schutz bietet, den sie brauchen.
Gestern Abend reagierte die Kanzlerin schnell:
Bemüht, Vertrauen zurückgewinnen an einem Tag,
der die Impfkampagne einmal mehr ins Stottern brachte.
Unter allen Abwägungen ist dies der Weg,
der noch zum besten Vertrauen führt bei der Verwendung von AstraZeneca.
Wenngleich ich die Verunsicherung nicht wegreden kann.
Bund und Länder folgten der Ständigen Impfkommission.
Empfohlen wird AstraZeneca nur noch für über 60-Jährige.
Verimpfung an Jüngere auf deren Risiko,
nur in Absprache mit dem Hausarzt.
Ein Impfstoff, dem die Fachleute hohe Wirksamkeit zuschreiben,
v.a. bei Älteren.
Aber es gehe eben um die Sicherheit der Jüngeren,
verteidigt der Chef der Impfkommission die Entscheidung.
Zuvor gab es 31 Fälle von Hirnvenenthrombosen, v.a. bei Frauen.
Jüngere Erstgeimpfte fragen sich, was mit der zweiten Impfung ist.
Es kann wohl so sein, dass man eine weitere Impfung
mit dem mRNA-Impfstoff empfehlen wird.
Aber das ist noch nicht entschieden,
weil wir noch einige Daten heranziehen werden.
Das wäre der mRNA-Impfstoff von Moderna und Biontech.
Aber erst Ende April gibt es Klarheit.
Eine Klarheit haben die Hamburger.
Der Bürgermeister verhängte wegen rasant steigender Corona-Zahlen
eine nächtliche Ausgangsbeschränkung bis 18. April.
Die Ministerpräsidenten Bayerns und Baden-Württembergs
appellieren an die Länderkollegen:
Nicht zu diskutieren, sondern die "Notbremse" zu ziehen.
Auch immer mehr Wissenschaftler und Mediziner
fordern einen harten Lockdown, um die dritte Welle abzufedern.
Und die Kanzlerin?
Die schuldet dem Land eine Antwort auf die Frage,
wann und wie sie die Maßnahmen weiter verschärfen will.
Die Infektionslage bleibt angespannt:
Um die Impfkampagne zu beschleunigen,
sollen nach Ostern bundesweit die Hausärzte eingebunden werden.
Die Bundesländer kommen mit dem Impfen unterschiedlich voran.
Am besten schneidet das Saarland ab:
Mehr als 13 % der Bevölkerung haben eine Erstimpfung.
Sachsen ist Schlusslicht mit einer Impfquote von 9,8 %.
Bayern liegt mit 11,6 % im Mittelfeld.
Dort kann man sich seit heute bei vielen Hausärzten impfen lassen.
Hausarzt Wolfgang Ritter startet in München-Sendling
am Morgen mit dem ersten Patienten in die Corona-Impfung.
Zunächst bietet er ein kurzes Beratungsgespräch an.
Innerhalb von 48 Stunden setzt die Impfwirkung ein.
Viele Patienten kriegen einen wehen Arm,
sie können sogar ein bisschen Fieber und Schüttelfrost bekommen.
Das ist das Immunsystem, was reagiert.
Viele Patienten verunsichert das Hin und Her um den AstraZeneca-Impfstoff.
Von diesem Vakzin wurden gut 30.000 Dosen
aus Bayerns Notfallreserve an rund 1600 Hausarztpraxen geliefert.
Nach Ostern kommen 7000 Praxen im Freistaat dazu.
Viele Patienten warten schon lange auf ihre Impfung
und sind erleichtert, dran zu sein.
Von Anfang an wollte ich sie sofort.
Weil ich weiß, das ist die einzige Möglichkeit für mich und andere,
das verfluchte Ding zu stoppen.
Bayerns Gesundheitsminister Holetschek überzeugt sich später
vom gelungenen Impfstart bei den Hausärzten.
Ab der dritten Aprilwoche werden wir mehr Impfstoff haben
und können dann schneller vorankommen.
Ich wünsche mir, dass das sehr schnell geht.
Europa und der Bund haben den Impfstoff bestellt,
wir haben die Logistik aufgebaut, jetzt muss das rollen.
Beim ersten Patienten gab das Vertrauen zum Hausarzt den Ausschlag.
Er nimmt den AstraZeneca-Impfstoff, den Pikser spürt er offenbar kaum.
Ja, wie wenn gar nix wär.
Der 83-Jährige freut sich auf einen Sommer,
in dem nicht nur für ihn wieder mehr möglich sein soll.
Zur Corona-Lage und dem Stand der Impfkampagne
folgt ein ARD extra nach dieser tagesschau.
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA sieht derzeit keinen Grund,
den Impfstoff von AstraZeneca nur eingeschränkt zu nutzen.
Die Prüfung neuer Hinweise auf die Gefahr seltener Blutgerinnsel
dauere aber noch.
Von solchen Fällen zeigt sich Großbritannien unbeeindruckt.
Dort ist AstraZeneca seit knapp drei Monaten
durchgehend Teil der Impfkampagne.
Inzwischen ist fast jeder zweite Brite mindestens einmal geimpft.
Heute Mittag vorm Lords', dem Londoner Cricket-Stadion,
das als Impfzentrum dient.
Geduldiges Schlangestehen für AstraZeneca.
Für die erneuten Bedenken in Deutschland
hat man wenig Verständnis:
Totaler Blödsinn!
Ich glaube, ihr Deutschen seid einfach neidisch.
Absolut verrückt!
Das sind so wenige Fälle, und der Impfstoff wirkt doch.
Das ist auch die Linie der Regierung.
Obwohl auch hier nach 13,7 Mio. verimpften Dosen
fünf vergleichbare Fälle bekannt wurden, wird vorerst weitergeimpft.
Tausende von Leben konnten wir hier so retten.
Deshalb sollen die Leute weiter ohne Bedenken hingehen.
Ich werde es auch tun.
Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Thrombosefällen und AstraZeneca
sei zudem nicht nachgewiesen.
Das sagte die britische Arzneimittelbehörde vor zwei Wochen.
Wir haben die Risiken gegen die Vorteile des Impfstoffs abgewogen.
V.a. die schweren Verläufe und Todesfälle dagegengerechnet,
die sonst eingetreten wären.
Und haben klar festgestellt,
dass die Vorteile die Risiken weit übertreffen.
Solange es keine klaren Nachweise eines Zusammenhangs gibt,
werde das so erfolgreiche Programm nicht zum Stocken gebracht.
Das Vertrauen der Briten in AstraZeneca
ist trotz deutscher Bedenken ungebrochen.
Denn man spürt hier den Erfolg des Impfprogramms.
Seit fast die Hälfte der Bevölkerung ihre erste Dosis hat,
sinken die Corona-Zahlen rasant.
Wenn das so weitergeht, winkt Mitte Mai ein Ende des Lockdowns.
Am deutschen Arbeitsmarkt gab es trotz des Corona-Lockdowns
und steigender Infektionszahlen eine Frühjahrsbelebung.
Der Autobauer Daimler
erhöhte die Dividende für seine Aktionäre auf 1,35 Euro.
Bei der virtuellen Hauptversammlung gab es Kritik an der Entscheidung.
Die Bundesagentur für Arbeit habe
für Zehntausende Daimler-Beschäftigte Kurzarbeitergeld gezahlt.
Außerdem habe der Autobauer von staatlichen Kaufbeihilfen
für Elektro- und Hybridfahrzeuge profitiert.
Sie fordern einen Lockdown für Dividenden:
Demonstranten auf dem Potsdamer Platz in Berlin.
Die von Daimler angekündigte Ausschüttung
von 1,4 Mrd. Euro an Anleger sei unmoralisch.
Wir wollen eine gesetzliche Regelung.
Sie soll Unternehmen unterbinden, Dividenden auszuschütten,
wenn sie Staatshilfen bekommen haben.
Wir wollen einen Lockdown für Dividenden.
Daimler hat im Frühjahr 2020, mit Pandemiebeginn,
einen Großteil seiner Belegschaft in Kurzarbeit geschickt:
Und so etwa 700 Mio. Euro an Personalkosten gespart.
Kurzarbeitergeld aus der Arbeitslosenkasse
und eine Gewinnausschüttung für Aktionäre?
Der Daimler-Konzern und das Management
will und muss Zuversicht und Stärke ausstrahlen.
Wenn der eigene Konzern zu günstig an der Börse bewertet ist,
erhöht das das Risiko von Übernahmen.
Bei der heutigen Hauptversammlung kündigte Vorstandschef Källenius an,
Daimler werde am Sparkurs festhalten.
Zur Kritik an der Dividendenausschüttung
äußerte sich Källenius nicht.
US-Präsident Biden
will ein 2 Bio. Dollar schweres Konjunkturpaket auf den Weg bringen:
Um die Wirtschaft zu stärken und die Infrastruktur zu modernisieren.
Laut Weißem Haus, soll knapp ein Drittel des Geldes
in die Erneuerung von Verkehrsnetzen fließen.
Finanziert werden soll das Konjunkturpaket
über eine Anhebung der Unternehmenssteuer.
Dabei wird Widerstand seitens der Republikaner erwartet.
Geld für Straßen, marode Brücken,
veraltete Strom-, Wasser-, Gasversorgung, Breitbandausbau:
Bidens Infrastrukturprogramm wird konkret spürbar sein.
Wenn es denn durchkommt.
Die Republikaner kündigten an, nicht mitmachen zu wollen.
Das ist kein Infrastrukturprogramm, sondern ein trojanisches Pferd.
Es nennt sich Infrastruktur, aber es geht nur darum,
neue Schulden zu machen und Steuern für unsere Wirtschaft zu erhöhen.
Pittsburgh, eine alte Stahlarbeiterstadt,
die mit dem Strukturwandel kämpft.
Hier wird Biden heute seinen Plan vorstellen.
2 Bio. Dollar wird der umfassen, umgerechnet etwa 1,7 Bio. Euro.
Im Kongress wird Biden dafür
wohl auch Zustimmung von Republikanern brauchen.
Seine Sprecherin erhöhte am Morgen den Druck.
Denken die Republikaner etwa nicht,
dass wir in die Infrastruktur investieren sollen?
Wollen sie die hohe Arbeitslosigkeit akzeptieren,
dass viele kein schnelles Internet haben?
Falls nicht: Lasst uns zusammenarbeiten.
Es wäre das größte Konjunkturprogramm in der US-Geschichte.
Finanziert werden soll es auch durch eine Anhebung der Unternehmenssteuer.
Bidens Devise lautet: mehr Staat.
Das ist durchaus umstritten, auch bei vielen Bürgern.
Doch Biden scheint fest davon überzeugt:
Wenn die Menschen eine bessere Infrastruktur und mehr Geld haben,
dann werden sie das mehrheitlich gut heißen.
Der in einem Straflager inhaftierte Kreml-Kritiker Nawalny
ist laut eigener Angaben in einen Hungerstreik getreten.
Er wolle so medizinische Hilfe einfordern,
teilte Nawalny bei Instagram mit.
Er habe starke Rückenschmerzen und ein Taubheitsgefühl in den Beinen,
zudem werde er mit Schlafentzug gequält.
Nawalny wurde nach einer Vergiftung in Deutschland behandelt.
Bei seiner Rückkehr nach Russland
wurde er zu 2,5 Jahren Lagerhaft verurteilt.
Der Internationale Strafgerichtshof
hat den Ex-Präsidenten der Elfenbeinküste, Gbagbo,
vom Vorwurf der Verbrechen gegen die Menschlichkeit freigesprochen.
Die Richter folgten damit dem Urteil der ersten Instanz.
Dem 75-jährigen Gbabgo wurde 2011
als erstem Staatschef in Den Haag der Prozess gemacht.
Der Vorwurf lautete, er sei für Gewaltexzesse mit 3000 Toten
nach seiner gescheiterten Wiederwahl 2010 verantwortlich.
Das ließ sich laut Richtern jedoch nicht belegen.
Die Wettervorhersage für morgen, Donnerstag, den 1. April:
Das wetterbestimmende Hoch schwächt sich ab.
Von Nord nach Süd wird es kühler.
Nachts breiten sich vom Norden bis zu den Mittelgebirgen Wolken aus.
Zwischen Nordfriesland und Brandenburg sind Tropfen möglich.
Morgen im Südwesten wieder oft sonnig, sonst teils wolkig.
Schauer im Nordosten, später über den Mittelgebirgen und am Alpenrand.
Freitag Sonne, Wolken, im Norden Regen, an den Alpen Gewitter.
Samstag in der Mitte und im Osten teils wolkig, gen Erzgebirge Schauer.
Sonntag im Norden teils dichte Wolken, sonst oft sonnig.
Um 22.45 Uhr hat Ingo Zamperoni diese Tagesthemen:
Auf der Intensivstation -
wie Ärzte gegen die dritte Pandemiewelle kämpfen
Und: Bazooka - wie Präsident Biden die USA
mit 2 Bio. Dollar zukunftsfähig machen will.
Nun das ARD extra.
ARD extra mit DGS im Web und HbbTV
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