×

Vi använder kakor för att göra LingQ bättre. Genom att besöka sajten, godkänner du vår cookie policy.


image

Sternengeschichten 130-249, Folge 167: Das aufregende Leben des Tycho Brahe

Folge 167: Das aufregende Leben des Tycho Brahe

Folge 167: Das aufregende Leben des Tycho Brahe.

Nikolaus Kopernikus. Galileo Galilei. Johannes Kepler. Isaac Newton. Diese großen astronomischen Pioniere kennen die meisten oder haben zumindest schon einmal die Namen gehört. Sie sind zu Recht bekannt, denn alle haben im 16. und 17. Jahrhundert dazu beigetragen, die Sicht auf das Universum zu revolutionieren und die Astronomie als moderne Naturwissenschaft zu begründen. Einer fehlt aber in dieser Liste: Tycho Brahe.

Der Name dieses dänischen Astronoms ist weit weniger geläufig als der seiner prominenteren Kollegen. Und das ist schade, denn Brahe hat nicht nur in der Astronomie wichtige und grundlegende Arbeit geleistet, sondern auch noch ein höchst faszinierendes Leben geführt – Über das heute die wenigsten Bescheid wissen – ausführliche biografische Werke über Brahe, vor allem auf deutsch, sind leider kaum noch zu bekommen. Aber zumindest einen kurzen Überblick möchte ich in dieser Folge der Sternengeschichten geben.

Tycho Brahe wurde am 14. Dezember 1546 im dänischen Knutstorp geboren. Er war das Kind reicher und einflussreicher Eltern. Sein Vater Otto Brahe war ein Adeliger mit großem Einfluss am dänischen Königshof. Aufgezogen wurde Tycho aber von seinem Onkel Jørgen Brahe, ebenfalls reich und ebenfalls adelig. Die Umstände dieses Arrangements sind ein wenig unklar. Tycho schrieb später, das sein Onkel ihn mehr oder weniger entführt hat. Vermutlich hatten Tychos Eltern Jørgen und dessen Frau, die selbst keine Kinder hatten, versprochen, sie könnten eines ihrer Kinder aufziehen. Sich aber dann doch nicht an die Abmachung gehalten, so dass Jørgen selbst aktiv wurde und Tycho zu sich holte, als der zwei Jahre alt war. Was auch immer damals gelaufen ist: Tychos Eltern protestierten nicht und auch Tycho schien mit seiner Pflegefamilie zufrieden zu sein.

Jørgen schickte Tycho auf gute Schulen und später auf die Universität von Kopenhagen, wo er Jura studieren sollte. Viel faszinierender als die Gesetz fand Tycho allerdings die Astronomie. Ganz besonders begeistert war er von der Sonnenfinsternis, die am 21. August 1560 stattfand. Ihn beeindruckte damals nicht nur das Himmelsereignis an sich, sondern auch die Tatsache, dass die Astronomen in der Lage gewesen waren, es vorher zu sagen!

Tycho besorgte sich astronomische Literatur, lernte Mathematik und eignete sich das Wissen an, um selbst die Bewegung der Himmelskörper berechnen zu können. Vorerst allerdings noch im Geheimen, denn Jørgen wollte immer noch, das sein Ziehsohn eine Karriere als Staatsbeamter einschlug. Auf seine Zeit in Kopenhagen folgte eine ausgedehnte Studientour durch Deutschland. Ausgedehnt und ereignisreich. Während seines Studiums an der Universität Leipzig machte Brahe die Bekanntschaft eines Instrumentenbauers, der ihn mit den nötigen Gerätschaften zur Himmelsbeobachtung versorgte. Damit konnte Brahe auch von seinem Zimmer aus Messungen an den Sternen anstellen und seine Leidenschaft blieb weiter geheim.

Unter diesen Geräten fand sich übrigens kein Teleskop. Das sollte erst in ein paar Jahrzehnten durch die Arbeit von Galileo Galilei seinen Auftritt auf der astronomischen Bühne haben. Brahe beobachtete den Himmel mit bloßem Auge und er war der letzte große Astronom, der auf diese Weise arbeitete.

1566 studierte Brahe an der Universität in Rostock. Im Dezember war er Gast bei einer Hochzeitsfeier und geriet dort mit einem anderen Gast, dem dänischen Adeligen Manderup Parsberg, in Streit über eine mathematische Formel. Angeblich zumindest, einwandfrei lässt sich die Ursache des Streist nicht mehr historisch nachweisen. Aber gestritten haben sie und da sie sich nicht einigen konnten, stritten auch bei späteren Treffen noch weiter bis es am 29. Dezember schließlich zu einem Duell zwischen den beiden kam. Einem echten Duell, mit Schwertern und der Aussicht, dabei eventuell zu sterben…

Sowohl Brahe als auch Manderup überlebten den Zweikampf – aber Brahe verlore dabei die Spitze seiner Nase. Er behalf sich danach mit einer metallischen Prothese, von der später gerne behauptet wurde, sie sei aus purem Gold gewesen. Angesichts Brahes Reichtums nicht ganz unmöglich, aber Untersuchungen die an seinen im Jahr 2010 exhumierten Knochen durchgeführt worden sind, legen nahe das es wohl doch eher Kupfer gewesen war.

Brahe, jetzt mit einer Nase aus Metall, reiste weiter durch Europa. In Augsburg baute er einen riesigen Quadrant. So ein Messgerät besteht aus einem Viertelkreisbogen, an dem ein schwenkbares Visier angebracht ist. Damit kann ein Beobachter einen Stern anpeilen und dann auf einer Gradeinteilung am Kreisbogen ablesen, wie hoch der Himmelskörper über dem Horizont steht. Solche Geräte waren damals Standard in der Astronomie und je größer sie gebaut waren, desto feiner konnte die Gradeinteilung sein und damit die Messungen umso genauer. Tychos Quadrant war so groß, dass er nicht mehr bewegt werden konnte, sondern fest im Boden verankert werden musste.

Nach dem Tod seines Vaters (dem biologischen, nicht Jørgen) im Jahr 1571 kehrte Brahe zurück nach Dänemark und führte seine astronomischen Studien dort fort. Richtig glücklich war seine Familie damit aber nicht. Es gehörte sich nicht für einen Adeligen, seine Zeit mit so etwas profanem wie der Himmelsbeobachtung zu verbringen.

Aber 1572 fand ein Ereignis statt, das Tychos Karriere nachhaltig verändern sollte. Am 11. November beobachtete er den Himmel und fand dort einen Stern, der vorher nicht da gewesen war. Im Sternbild Kassiopeia war ein Stern zu sehen, der hell strahlte und in keiner von Tychos Himmelskarten verzeichnet war. Tycho war nicht der erste, der diese Erscheinung gesehen hatte, anderswo in Europa hatten andere das neue Licht am Himmel schon einige Tage früher entdeckt. Aber Tycho war derjenige, der den seltsamen Stern genau untersuchte, über Tage und Wochen hinweg Messungen anstellte und probierte herauszufinden, worum es sich dabei handeln könnten. Für die meisten seiner Zeitgenossen war klar: Es musste sich um eine Leuchterscheinung irgendwo in der Atmosphäre der Erde handeln. Denn immerhin hatte schon Aristoteles gesagt, dass der Himmel perfekt, ewig und unveränderlich ist. Nur die Erde und ihre unmittelbare Umgebung sind davon ausgenommen; nur da wo wir unperfekten und sündhaften Menschen leben kann es Veränderungen geben. Aristoteles' Meinung war auch diejenige der Kirche und der Gelehrten der damaligen Zeit und wenn am Himmel nun ein neuer Stern erschien, dann konnte es kein echter Stern sein oder eben nur irgendwas anderes; eine leuchtende Wolke oder etwas in der Art. Aber Tycho stellte fest, dass der neue Stern sich nicht bewegte. Gar nicht. Nicht ein Stück. Wäre er Teil der Erdatmosphäre, dann müsste er sich mit ihr jeden Tag einmal rund herum drehen. Bzw. würde, wenn man dem damals noch verbreiteten geozentrischen Weltbild folgt, mit ihr gemeinsam still stehen, während sich der Sternenhimmel rund herum dreht. Auf jeden Fall aber müsste er sich während eines Tages deutlich in Bezug auf die anderen Sterne bewegen. Aber das war nicht der Fall und darum musste der neue Stern weiter weg sein. Tycho nahm es mit seinen Beobachtungen und Messungen wirklich genau; er hatte hervoragende Instrumente und beherrschte die Mathematik zur Berechnung von Positionen am Himmel perfekt. Aber egal wie genau er hin sah: Es gab keine Bewegung des Sterns. Das bedeutete, dass es auch kein weiter entfernter Planet sein konnte. Das Ding, was immer es war, war genau so weit von der Erde entfernt wie die ganzen anderen Sterne. Es war ein neuer Stern und das alte Dogma des Aristoteles widerlegt. Brahe veröffentlichte seine Beobachtungen in einem Buch mit dem Titel “De Nova Stella”, als “Über den neuen Stern” und dieser Begriff bildet auch die Grundlage des modernen Namens dieses Phänomens: Supernova.

Heute wissen wir, dass es sich bei der Erscheinung nicht um einen neuen Stern handelt, sondern den Tod eines alten Sterns der in einer gigantischen Explosion vergeht und dabei einige Monate enorm hell leuchtet bevor er verblasst. Tycho konnte das natürlich noch nicht wissen, aber seine Beobachtungen führten endgültig dazu, dass er eine Karriere als Astronom einschlug. In den folgenden Jahren reiste er durch Europa, besuchte interessierte Adelige an ihren Höfen und erklärte ihnen die Astronomie. Besonders gefördert und befreundet war er mit Wilhelm IV, dem Landgraf von Hessen-Kassel. Wilhelm war selbst begeisterter Hobby-Astronom und beobachtete mit Brahe gemeinsam nächtelang den Himmel. In Kassel baute Wilhelm die erste moderne Sternwarte Mitteleuropas, die er mit den besten Geräten ausrüstete.

Dank eines Briefwechsels zwischen Brahe und Wilhelm kennen wir auch die Geschichte des betrunkenen Elchs. Seltsamerweise besaß Brahe offensichtlich einen zahmen Elch, den er gerne überall hin mit nahm. Bei einer Feier in Landskrona gelang es dem Tier irgendwie, ein Faß Bier zu öffnen. Der Elch betrank sich, versuchte eine Treppe hinunter zu gehen, stolperte und starb nach einigen Tagen, während derer Brahe ihn aufopferungsvoll aber vergeblich pflegte.

Brahes Ruhm und sein Ansehen als großer Gelehrter in Europa fiel nun auch König Friedrich II von Dänemark auf. Es war ihm unangenehm, dass der berühmte Däne überall an den europäischen Höfen empfangen und gehört wurde, aber kaum Zeit in seinem Heimatland verbrachte. Und als er sah, dass Brahe komplett nach Basel übersiedeln um dort zu leben und zu forschen, wurde er aktiv: Er machte ihm ein kaum abzulehnendes Angebot. Brahe sollte ein fixes und enorm großzügiges monatliches Gehalt bekommen. Dazu ein paar neue Titel, eigene Ländereien zum privaten Gebrauch und die gesamte Insel Hven, auf der er sich – ebenfalls großzügig vom königlichen Geld unterstützt, eine eigene und moderne Sternwarte bauen konnte.

Da ließ sich Brahe natürlich nicht lange bitte, blieb in Dänemark und errichtete ab 1576 auf Hven seine beiden berühmten Observatorien: Uraniborg und Stjerneborg, also die “Himmelsburg” und die “Sternenburg”. Dort gab es die damals modernsten und größten Messgeräte, es gab chemische Laboratorien, luxuriöse Wohnräume für Brahe und seine Familie. Und die vielen Schüler und Mitarbeiter: Brahe machte aus Hven eine Art Forschungszentrum; nahm junge Studenten aus ganz Europa auf, die bei ihm wohnen, essen und lernen konnten. In seiner Zeit auf Hven sammelte er Unmengen an astronomischen Daten und erstellte Himmelskataloge, die genauer waren als alles was bisher existierte.

1599 war seine Zeit in Dänemark aber vorbei. König Friedrich II war 11 Jahre zuvor gestorben und sein junger Sohn und Nachfolger nicht an Astronomie interessiert. Der Einfluss und Ruhm von Brahe wurde am dänischen Hof nun eher missgünstig betrachtet und bevor man ihn rauswarf, ging Brahe lieber von selbst. Rudolf II, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, König von Böhmen und Ungarn, Erzherzog von Österreich, also einer der mächtigsten Männer damaligen Zeit und noch dazu sehr an der Wissenschaft (und Pseudowissenschaft) interessiert wollte Brahe sowieso unbedingt als Hofastronom nach Prag holen. Also ging Brahe, ließ sich dort eine neue Sternwarte einrichten und holte sich den jungen Johannes Kepler aus Graz als Assistenten.

Lange konnte er seine neue Stelle allerdings nicht genießen. Im Jahr 1601 erkrankte er an einem Blasenleiden; es war ihm unmöglich zu urinieren. Die Geschichte, dass er während eines Banketts mit dem Kaiser aus Höflichkeit so lange den Drang zur Toilette zu gehen zurück hielt, bis Rudolf den Tisch verlassen hatte und deswegen seine Blase platzte, ist mit Sicherheit eine Legende. Genau so übrigens wie die Geschichte, dass Brahe von seinem Assistenten Kepler vergiftet wurde, weil der unbedingt Zugang zu dessen Beobachtungsdaten haben wollte. Diese Behauptung wurde ebenfalls durch medizinische Untersuchungen während der Exhumierung von Brahe im Jahr 2010 widerlegt. Brahe zog sich jedenfalls – wie und warum wissen wir nicht – ein Blasenleiden zu und starb nach 11 qualvollen Tagen am 24. Oktober 1601 im Alter von 54 Jahren.

Die großen wissenschaftlichen Revolutionen der nächsten Jahre konnte er leider nicht mehr erleben. Galileo Galileis Entdeckungen mit dem ersten astronomischen Teleskop; die Jupitermonde, die Sonnenflecke, die Phasen der Venus und all die vielen neuen Sterne am Himmel, die mit freiem Auge nicht sichtbar waren. Oder Keplers grandiose “Neue Astronomie”, die erstmals klare mathemathische Gesetze für die Bewegung der Planeten am Himmel angab. Gesetze übrigens, die direkt aus Brahes Daten folgten. Kepler hat den Himmel selbst nie beobachtet sondern für all seine Berechnungen die Aufzeichnungen seines Vorgängers benutzt. Brahe hatte sie ohne Teleskop nur mit dem bloßen Auge gesammelt. Und trotzdem waren sie gut genug, um damit ein ganzes altes Weltbild umzustürzen!

Tycho Brahe war einer der größten und bedeutensten Astronomen seiner Zeit und einer der größten und bedeutensten Astronomen aller Zeiten. Über sein Leben und seine Arbeit könnte man noch viel mehr erzählen. Über sein seltsames Tychonisches Weltbild, das die Kluft zwischen Geo- und Heliozentrismus überbrücken sollte. Über den Zwerg, der bei den Mahlzeiten in Uraniborg unter seinem Tisch sitzen und Prophezeiungen abgeben musste. Über Brahes alchemistische Versuche. Über die großartigen Messgeräte die er erfand und baute. Über all die Astronomen, mit denen er überall in Europa zusammenarbeitete. Über seine Erklärung der Bewegung des Mondes. Über die Attentäter, die ihm der dänische König angeblich auf den Hals gehetzt hat und die Gründe dafür. Und so weiter. Aber dafür reicht die Zeit hier leider nicht aus.

Tycho Brahe war ein Phänomen und ein phänomenaler Astronom. Es lohnt sich, sich mit seinem Leben zu beschäftigen!

Folge 167: Das aufregende Leben des Tycho Brahe

Folge 167: Das aufregende Leben des Tycho Brahe.

Nikolaus Kopernikus. Galileo Galilei. Johannes Kepler. Isaac Newton. Diese großen astronomischen Pioniere kennen die meisten oder haben zumindest schon einmal die Namen gehört. Sie sind zu Recht bekannt, denn alle haben im 16. und 17. Jahrhundert dazu beigetragen, die Sicht auf das Universum zu revolutionieren und die Astronomie als moderne Naturwissenschaft zu begründen. Einer fehlt aber in dieser Liste: Tycho Brahe.

Der Name dieses dänischen Astronoms ist weit weniger geläufig als der seiner prominenteren Kollegen. Und das ist schade, denn Brahe hat nicht nur in der Astronomie wichtige und grundlegende Arbeit geleistet, sondern auch noch ein höchst faszinierendes Leben geführt – Über das heute die wenigsten Bescheid wissen – ausführliche biografische Werke über Brahe, vor allem auf deutsch, sind leider kaum noch zu bekommen. Aber zumindest einen kurzen Überblick möchte ich in dieser Folge der Sternengeschichten geben.

Tycho Brahe wurde am 14. Dezember 1546 im dänischen Knutstorp geboren. Er war das Kind reicher und einflussreicher Eltern. Sein Vater Otto Brahe war ein Adeliger mit großem Einfluss am dänischen Königshof. Aufgezogen wurde Tycho aber von seinem Onkel Jørgen Brahe, ebenfalls reich und ebenfalls adelig. Die Umstände dieses Arrangements sind ein wenig unklar. Tycho schrieb später, das sein Onkel ihn mehr oder weniger entführt hat. Vermutlich hatten Tychos Eltern Jørgen und dessen Frau, die selbst keine Kinder hatten, versprochen, sie könnten eines ihrer Kinder aufziehen. Sich aber dann doch nicht an die Abmachung gehalten, so dass Jørgen selbst aktiv wurde und Tycho zu sich holte, als der zwei Jahre alt war. Was auch immer damals gelaufen ist: Tychos Eltern protestierten nicht und auch Tycho schien mit seiner Pflegefamilie zufrieden zu sein.

Jørgen schickte Tycho auf gute Schulen und später auf die Universität von Kopenhagen, wo er Jura studieren sollte. Viel faszinierender als die Gesetz fand Tycho allerdings die Astronomie. Ganz besonders begeistert war er von der Sonnenfinsternis, die am 21. August 1560 stattfand. Ihn beeindruckte damals nicht nur das Himmelsereignis an sich, sondern auch die Tatsache, dass die Astronomen in der Lage gewesen waren, es vorher zu sagen!

Tycho besorgte sich astronomische Literatur, lernte Mathematik und eignete sich das Wissen an, um selbst die Bewegung der Himmelskörper berechnen zu können. Vorerst allerdings noch im Geheimen, denn Jørgen wollte immer noch, das sein Ziehsohn eine Karriere als Staatsbeamter einschlug. Auf seine Zeit in Kopenhagen folgte eine ausgedehnte Studientour durch Deutschland. Ausgedehnt und ereignisreich. Während seines Studiums an der Universität Leipzig machte Brahe die Bekanntschaft eines Instrumentenbauers, der ihn mit den nötigen Gerätschaften zur Himmelsbeobachtung versorgte. Damit konnte Brahe auch von seinem Zimmer aus Messungen an den Sternen anstellen und seine Leidenschaft blieb weiter geheim.

Unter diesen Geräten fand sich übrigens kein Teleskop. Das sollte erst in ein paar Jahrzehnten durch die Arbeit von Galileo Galilei seinen Auftritt auf der astronomischen Bühne haben. Brahe beobachtete den Himmel mit bloßem Auge und er war der letzte große Astronom, der auf diese Weise arbeitete.

1566 studierte Brahe an der Universität in Rostock. Im Dezember war er Gast bei einer Hochzeitsfeier und geriet dort mit einem anderen Gast, dem dänischen Adeligen Manderup Parsberg, in Streit über eine mathematische Formel. Angeblich zumindest, einwandfrei lässt sich die Ursache des Streist nicht mehr historisch nachweisen. Aber gestritten haben sie und da sie sich nicht einigen konnten, stritten auch bei späteren Treffen noch weiter bis es am 29. Dezember schließlich zu einem Duell zwischen den beiden kam. Einem echten Duell, mit Schwertern und der Aussicht, dabei eventuell zu sterben…

Sowohl Brahe als auch Manderup überlebten den Zweikampf – aber Brahe verlore dabei die Spitze seiner Nase. Er behalf sich danach mit einer metallischen Prothese, von der später gerne behauptet wurde, sie sei aus purem Gold gewesen. Angesichts Brahes Reichtums nicht ganz unmöglich, aber Untersuchungen die an seinen im Jahr 2010 exhumierten Knochen durchgeführt worden sind, legen nahe das es wohl doch eher Kupfer gewesen war.

Brahe, jetzt mit einer Nase aus Metall, reiste weiter durch Europa. In Augsburg baute er einen riesigen Quadrant. So ein Messgerät besteht aus einem Viertelkreisbogen, an dem ein schwenkbares Visier angebracht ist. Damit kann ein Beobachter einen Stern anpeilen und dann auf einer Gradeinteilung am Kreisbogen ablesen, wie hoch der Himmelskörper über dem Horizont steht. Solche Geräte waren damals Standard in der Astronomie und je größer sie gebaut waren, desto feiner konnte die Gradeinteilung sein und damit die Messungen umso genauer. Tychos Quadrant war so groß, dass er nicht mehr bewegt werden konnte, sondern fest im Boden verankert werden musste.

Nach dem Tod seines Vaters (dem biologischen, nicht Jørgen) im Jahr 1571 kehrte Brahe zurück nach Dänemark und führte seine astronomischen Studien dort fort. Richtig glücklich war seine Familie damit aber nicht. Es gehörte sich nicht für einen Adeligen, seine Zeit mit so etwas profanem wie der Himmelsbeobachtung zu verbringen.

Aber 1572 fand ein Ereignis statt, das Tychos Karriere nachhaltig verändern sollte. Am 11. November beobachtete er den Himmel und fand dort einen Stern, der vorher nicht da gewesen war. Im Sternbild Kassiopeia war ein Stern zu sehen, der hell strahlte und in keiner von Tychos Himmelskarten verzeichnet war. Tycho war nicht der erste, der diese Erscheinung gesehen hatte, anderswo in Europa hatten andere das neue Licht am Himmel schon einige Tage früher entdeckt. Aber Tycho war derjenige, der den seltsamen Stern genau untersuchte, über Tage und Wochen hinweg Messungen anstellte und probierte herauszufinden, worum es sich dabei handeln könnten. Für die meisten seiner Zeitgenossen war klar: Es musste sich um eine Leuchterscheinung irgendwo in der Atmosphäre der Erde handeln. Denn immerhin hatte schon Aristoteles gesagt, dass der Himmel perfekt, ewig und unveränderlich ist. Nur die Erde und ihre unmittelbare Umgebung sind davon ausgenommen; nur da wo wir unperfekten und sündhaften Menschen leben kann es Veränderungen geben. Aristoteles' Meinung war auch diejenige der Kirche und der Gelehrten der damaligen Zeit und wenn am Himmel nun ein neuer Stern erschien, dann konnte es kein echter Stern sein oder eben nur irgendwas anderes; eine leuchtende Wolke oder etwas in der Art. Aber Tycho stellte fest, dass der neue Stern sich nicht bewegte. Gar nicht. Nicht ein Stück. Wäre er Teil der Erdatmosphäre, dann müsste er sich mit ihr jeden Tag einmal rund herum drehen. Bzw. würde, wenn man dem damals noch verbreiteten geozentrischen Weltbild folgt, mit ihr gemeinsam still stehen, während sich der Sternenhimmel rund herum dreht. Auf jeden Fall aber müsste er sich während eines Tages deutlich in Bezug auf die anderen Sterne bewegen. Aber das war nicht der Fall und darum musste der neue Stern weiter weg sein. Tycho nahm es mit seinen Beobachtungen und Messungen wirklich genau; er hatte hervoragende Instrumente und beherrschte die Mathematik zur Berechnung von Positionen am Himmel perfekt. Aber egal wie genau er hin sah: Es gab keine Bewegung des Sterns. Das bedeutete, dass es auch kein weiter entfernter Planet sein konnte. Das Ding, was immer es war, war genau so weit von der Erde entfernt wie die ganzen anderen Sterne. Es war ein neuer Stern und das alte Dogma des Aristoteles widerlegt. Brahe veröffentlichte seine Beobachtungen in einem Buch mit dem Titel “De Nova Stella”, als “Über den neuen Stern” und dieser Begriff bildet auch die Grundlage des modernen Namens dieses Phänomens: Supernova.

Heute wissen wir, dass es sich bei der Erscheinung nicht um einen neuen Stern handelt, sondern den Tod eines alten Sterns der in einer gigantischen Explosion vergeht und dabei einige Monate enorm hell leuchtet bevor er verblasst. Tycho konnte das natürlich noch nicht wissen, aber seine Beobachtungen führten endgültig dazu, dass er eine Karriere als Astronom einschlug. In den folgenden Jahren reiste er durch Europa, besuchte interessierte Adelige an ihren Höfen und erklärte ihnen die Astronomie. Besonders gefördert und befreundet war er mit Wilhelm IV, dem Landgraf von Hessen-Kassel. Wilhelm war selbst begeisterter Hobby-Astronom und beobachtete mit Brahe gemeinsam nächtelang den Himmel. In Kassel baute Wilhelm die erste moderne Sternwarte Mitteleuropas, die er mit den besten Geräten ausrüstete.

Dank eines Briefwechsels zwischen Brahe und Wilhelm kennen wir auch die Geschichte des betrunkenen Elchs. Seltsamerweise besaß Brahe offensichtlich einen zahmen Elch, den er gerne überall hin mit nahm. Bei einer Feier in Landskrona gelang es dem Tier irgendwie, ein Faß Bier zu öffnen. Der Elch betrank sich, versuchte eine Treppe hinunter zu gehen, stolperte und starb nach einigen Tagen, während derer Brahe ihn aufopferungsvoll aber vergeblich pflegte.

Brahes Ruhm und sein Ansehen als großer Gelehrter in Europa fiel nun auch König Friedrich II von Dänemark auf. Es war ihm unangenehm, dass der berühmte Däne überall an den europäischen Höfen empfangen und gehört wurde, aber kaum Zeit in seinem Heimatland verbrachte. Und als er sah, dass Brahe komplett nach Basel übersiedeln um dort zu leben und zu forschen, wurde er aktiv: Er machte ihm ein kaum abzulehnendes Angebot. Brahe sollte ein fixes und enorm großzügiges monatliches Gehalt bekommen. Dazu ein paar neue Titel, eigene Ländereien zum privaten Gebrauch und die gesamte Insel Hven, auf der er sich – ebenfalls großzügig vom königlichen Geld unterstützt, eine eigene und moderne Sternwarte bauen konnte.

Da ließ sich Brahe natürlich nicht lange bitte, blieb in Dänemark und errichtete ab 1576 auf Hven seine beiden berühmten Observatorien: Uraniborg und Stjerneborg, also die “Himmelsburg” und die “Sternenburg”. Dort gab es die damals modernsten und größten Messgeräte, es gab chemische Laboratorien, luxuriöse Wohnräume für Brahe und seine Familie. Und die vielen Schüler und Mitarbeiter: Brahe machte aus Hven eine Art Forschungszentrum; nahm junge Studenten aus ganz Europa auf, die bei ihm wohnen, essen und lernen konnten. In seiner Zeit auf Hven sammelte er Unmengen an astronomischen Daten und erstellte Himmelskataloge, die genauer waren als alles was bisher existierte.

1599 war seine Zeit in Dänemark aber vorbei. König Friedrich II war 11 Jahre zuvor gestorben und sein junger Sohn und Nachfolger nicht an Astronomie interessiert. Der Einfluss und Ruhm von Brahe wurde am dänischen Hof nun eher missgünstig betrachtet und bevor man ihn rauswarf, ging Brahe lieber von selbst. Rudolf II, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, König von Böhmen und Ungarn, Erzherzog von Österreich, also einer der mächtigsten Männer damaligen Zeit und noch dazu sehr an der Wissenschaft (und Pseudowissenschaft) interessiert wollte Brahe sowieso unbedingt als Hofastronom nach Prag holen. Also ging Brahe, ließ sich dort eine neue Sternwarte einrichten und holte sich den jungen Johannes Kepler aus Graz als Assistenten.

Lange konnte er seine neue Stelle allerdings nicht genießen. Im Jahr 1601 erkrankte er an einem Blasenleiden; es war ihm unmöglich zu urinieren. Die Geschichte, dass er während eines Banketts mit dem Kaiser aus Höflichkeit so lange den Drang zur Toilette zu gehen zurück hielt, bis Rudolf den Tisch verlassen hatte und deswegen seine Blase platzte, ist mit Sicherheit eine Legende. Genau so übrigens wie die Geschichte, dass Brahe von seinem Assistenten Kepler vergiftet wurde, weil der unbedingt Zugang zu dessen Beobachtungsdaten haben wollte. Diese Behauptung wurde ebenfalls durch medizinische Untersuchungen während der Exhumierung von Brahe im Jahr 2010 widerlegt. Brahe zog sich jedenfalls – wie und warum wissen wir nicht – ein Blasenleiden zu und starb nach 11 qualvollen Tagen am 24. Oktober 1601 im Alter von 54 Jahren.

Die großen wissenschaftlichen Revolutionen der nächsten Jahre konnte er leider nicht mehr erleben. Galileo Galileis Entdeckungen mit dem ersten astronomischen Teleskop; die Jupitermonde, die Sonnenflecke, die Phasen der Venus und all die vielen neuen Sterne am Himmel, die mit freiem Auge nicht sichtbar waren. Oder Keplers grandiose “Neue Astronomie”, die erstmals klare mathemathische Gesetze für die Bewegung der Planeten am Himmel angab. Gesetze übrigens, die direkt aus Brahes Daten folgten. Kepler hat den Himmel selbst nie beobachtet sondern für all seine Berechnungen die Aufzeichnungen seines Vorgängers benutzt. Brahe hatte sie ohne Teleskop nur mit dem bloßen Auge gesammelt. Und trotzdem waren sie gut genug, um damit ein ganzes altes Weltbild umzustürzen!

Tycho Brahe war einer der größten und bedeutensten Astronomen seiner Zeit und einer der größten und bedeutensten Astronomen aller Zeiten. Über sein Leben und seine Arbeit könnte man noch viel mehr erzählen. Über sein seltsames Tychonisches Weltbild, das die Kluft zwischen Geo- und Heliozentrismus überbrücken sollte. Über den Zwerg, der bei den Mahlzeiten in Uraniborg unter seinem Tisch sitzen und Prophezeiungen abgeben musste. Über Brahes alchemistische Versuche. Über die großartigen Messgeräte die er erfand und baute. Über all die Astronomen, mit denen er überall in Europa zusammenarbeitete. Über seine Erklärung der Bewegung des Mondes. Über die Attentäter, die ihm der dänische König angeblich auf den Hals gehetzt hat und die Gründe dafür. Und so weiter. Aber dafür reicht die Zeit hier leider nicht aus.

Tycho Brahe war ein Phänomen und ein phänomenaler Astronom. Es lohnt sich, sich mit seinem Leben zu beschäftigen!